Kommentar zu drohenden Fahrverboten Kein Aprilscherz in Bonn

Meinung | BONN · Das Kölner Verwaltungsgericht hat Fahrverbote für die Straße Belderberg und die Reuterstraße in Bonn angeordnet. Unser Autor meint: Das Urteil wirft jede Menge Fragen auf - etwa gegenüber den Verwaltungsspitzen.

Fahrverbot am Belderberg: Das Straßenstück zwischen Bertha-von-Suttner-Platz bis zum Koblenzer Tor trifft der Bannstrahl der Richter.

Fahrverbot am Belderberg: Das Straßenstück zwischen Bertha-von-Suttner-Platz bis zum Koblenzer Tor trifft der Bannstrahl der Richter.

Foto: Westhoff

Mag es der Stichtag auch vermuten lassen: Als Stoff für Aprilscherze hat die Entscheidung der Kölner Verwaltungsrichter, die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte auch in Bonn und Köln durch Fahrverbote durchzusetzen, mit dem gestrigen Tag ausgedient. So unmissverständlich das Urteil vom Appellhofplatz auch sein mag - zugleich wirft es jede Menge Fragen auf. Etwa gegenüber den Verwaltungsspitzen: Denn erst kürzlich zeigte sich Oberbürgermeister Ashok Sridharan überzeugt, vor Gericht mit dem neuen Luftreinhalteplan bestehen zu können.

Die letzte Silbe dieses Wortgeschöpfs war offenbar das Problem. Denn nun, vier Wochen später, ließen die Juristen keinen Zweifel daran, dass die Grundlage ihrer Entscheidung eben nicht in der Zukunft und ihren Prognosen liegt, sondern im Hier und Jetzt.

Gegen dieses Argument ist angesichts der Fakten - überschrittene Grenzwerte - formal schwer anzukommen. Genau hier stellt sich für die Stadt Bonn aber schon die nächste Frage: Schließlich bleibt bis April fast noch ein halbes Jahr Zeit, im sich abzeichnenden Falle eines Berufungsverfahrens womöglich deutlich länger. Angesichts zuletzt langfristig sinkender Messwerte wirkt dieser zeitliche Faktor wie eine Galgenfrist, ein Wink mit dem Zaunpfahl. Sofern der Optimismus des OB nicht gespielt war, hat die Stadt immer noch eine reelle Chance, der Ultima Ratio ein Schnippchen zu schlagen.

Die Frage ist jetzt, wie. Fragen würde man überdies gern auch den Verwaltungsrichtern stellen. Zum Beispiel, welchen Stellenwert bei ihrem Urteil eigentlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit hatte. Von diesem Aspekt, im richtungsweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Möglichkeit von Fahrverboten noch ausdrücklich hervorgehoben, war in Köln nun bemerkenswert wenig zu hören.

Spannend dürfte beispielsweise sein, welchen polizei- und ordnungsrechtlichen, organisatorischen und finanziellen Aufwand es bedeuten und welche Folgen für Privatwirtschaft und Mobilität es haben wird, auf dem 290 (!) Meter langen Belderberg ganz bestimmte Sorten von Autos herauszusieben, die dann hinterm Koblenzer Tor wieder ganz regulär am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Womit wir beim dritten Akteur des Verfahrens wären.

Dass die Deutsche Umwelthilfe für Innovationszyklen der Autoindustrie und den mit jeder Fahrzeuggeneration abnehmenden Schadstoffausstoß keinen Blick hat, ist nicht neu. Schneidig von den Lobbyisten wäre es aber, ihre Haltung zu gegebener Zeit nicht nur vor Fernsehkameras, sondern gegenüber den Anwohnern in Kessenich und Poppelsdorf zu vertreten, wenn sich vor deren Haustüren die Stoßstangen der von der Reuterstraße Verbannten aneinanderreihen. Was dies dann konkret mit Luftreinhaltung zu tun hat, auch das bleibt eine von vielen offenen Fragen.

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