GA-Serie 20 Jahre nach dem Umzug Interview mit einem Lobbyisten der Tabak- und Chemieindustrie

Rechtsanwalt Andreas Geiger vertritt in Brüssel die Interessen der Tabak- und Chemieindustrie. Er vergleicht seinen Job mit dem eines Strafverteidigers

Herr Geiger, Sie vertreten die Interessen der Tabak- und Glücksspielindustrie und setzen sich für Plastiktüten ein – Sie selbst haben mal gesagt, Sie arbeiten für die „Achse des Bösen“. Warum machen Sie das?

Andreas Geiger: Naja, der Satz stammt so nicht ganz von mir, aber er ist anschaulich. Die Chemie- und Kohleindustrie haben Sie noch vergessen, die vertreten wir auch. Gutmenschen sehen das wohl als die „Achse des Bösen“. Ich vergleiche die Lobbyarbeit mit der eines Strafverteidigers: Ein Mörder wird auch nicht rechtlos gestellt. Und es ist oft so, dass über die Anliegen der üblichen Verdächtigen – wie zum Beispiel der Tabakindustrie – gerne weggebügelt wird. Bei Greenpeace würde man das nicht tun. Aber auch die Tabakindustrie hat ein legitimes Interesse. Außerdem ist nicht der Kunde das Problem, sondern der Inhalt des Mandats.

Wie meinen Sie das?

Geiger: Wenn alles gegen ein Thema sprechen würde, dann sagen wir es ab. Aber es ist mir bisher noch nicht passiert, dass ich keinen argumentativen Ansatz gefunden habe. Zum Beispiel die Plastiktüten: Das EU-Verbot war die Idee eines EU-Politikers, der etwas werden wollte. Das Ziel ist legitim, aber da wurden viele andere Punkte vernachlässigt, die Industrie wurde nicht richtig angehört. Es hat niemand nachgedacht, ob es vernünftige Alternativen gibt. Bio-Plastik besteht nur zum Teil aus Rohöl und zu 30 Prozent aus Maisstärke. Die ist aber nicht recycelbar. Eine Tüte, die zu 100 Prozent aus Rohöl besteht, schon. Oder nehmen Sie Teflon – auch dazu gibt es keine Alternative. Und damit meine ich nicht die Pfanne, sondern Ihr Mobiltelefon.

Der Job des Lobbyisten ist oft negativ behaftet. Man stellt sich Mauscheleien und Ähnliches vor...Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Geiger: Ich beschäftige mich mit komplexen Sachverhalten und dampfe die auf wenige entscheidende Punkte zusammen. Damit versuche ich das Gehör von Politikern zu bekommen. Das ist nicht immer einfach. Das ist jedes Mal wie bei einem Elevator Pitch, wo sie nur für die Dauer der Fahrstuhlfahrt eine Chance bekommen. Aber wir sind hauptsächlich in Brüssel tätig und hier funktioniert alles etwas anders als in Berlin. In Brüssel wird man sogar zum Teil um seine Meinung gebeten. Da sind wir Informationsquelle. Brüssel ist auch transparenter.

Das heißt?

Geiger: Der Prozess der Gesetzgebung funktioniert anders. Hier wird zuerst das Know-how von allen Seiten eingeholt. Das heißt, es werden auch Lobbyisten angehört. Sie werden hier nicht als Feind betrachtet, der sich einmischt, sondern als Teil des Gesetzgebungsprozesses. In Deutschland entstehen Gesetze viel mehr im Elfenbeinturm. Und erst später kommen andere dazu, die sich einmischen wollen. Aber dann liegt der Referentenentwurf meist bereits vor. Lobbyismus ist wichtig für eine fundierte Entscheidung.

Hat Lobbyarbeit also nur in Deutschland einen schlechten Ruf?

Geiger: Die Sicht ist schon sehr deutsch, ja. Und dazu kommt, dass in Deutschland meist nur die Verbände richtig angehört werden. Die Industrie oder Patentinhaber kommen häufig zu kurz. Das ist noch so ein „preußisches Obrigkeitsding“.

Ist das ein Grund, warum Sie lieber in Brüssel tätig sind?

Geiger: Der Hauptgrund ist, dass wir in Brüssel an der Quelle sitzen. Mehr als 90 Prozent der Gesetze nehmen hier ihren Anfang. In Berlin geht es oft nur noch um deren Umsetzung. Brüssel hat also eine ganz andere Bedeutung. Auch für Unternehmen ist Brüssel interessanter.

Wie stehen Sie zu Parteispenden? Lobbycontrol sorgt sich da schon mal um den Einfluss bei der Gesetzgebung, gerade wenn Einzelpersonen oder Unternehmen Beträge in sechsstelliger Höhe zahlen...

Geiger: Ich glaube nicht, dass Parteispenden in Deutschland irgendeinen Einfluss haben. Schauen Sie sich die Beträge an, die da fließen. Dafür tut niemand etwas Illegales. Es ist viel wichtiger, Kontakte zu pflegen und auf diese Weise seine Anliegen einzubringen. Das würde sich im Übrigen auch nicht rechnen, selbst wenn jemand erfolgreich bestochen und nicht auffliegen würde: Da entscheidet ja ein ganzer Bundestag über das Gesetz und nicht ein Einzelner. Die können Sie ja nicht alle bezahlen.

Hier gibt es alle Texte zum Thema "20 Jahre Regierungsumzug Bonn/Berlin"

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