Ortstermin des Bonner Schwurgerichts In Fuß- und Handfesseln zum Tatort

Bad Godesberg · Im Prozess gegen einen 26-Jährigen wegen Totschlags hat das Bonner Schwurgericht einen Ortstermin vor der Flüchtlingsunterkunft in Muffendorf abgehalten. Dem Mann wird vorgeworfen, einen Mitbewohner bei einem Streit getötet zu haben.

 Vor der Flüchtlingsunterkunft in Muffendorf: Der Angeklagte wird zum Ortstermin des Schwurgerichts gebracht.

Vor der Flüchtlingsunterkunft in Muffendorf: Der Angeklagte wird zum Ortstermin des Schwurgerichts gebracht.

Foto: Roland Kohls

„Welcome!“ Der Willkommensgruß am Absperrgitter des Flüchtlingsheims Muffendorf ist grau und hängt durch. Fahrräder lehnen an dem Plakat, das keiner mehr beachtet. Warum auch? Nicht nur, weil an diesem verregneten Morgen die Tristesse des Orts eine ganz andere Sprache spricht. Sondern auch, weil keine 20 Meter entfernt ein Mann getötet wurde. Am 3. April 2016 starb dort ein 32-jähriger Albaner nach drei Messerstichen ins Herz.

Der Mann wohnte damals in Haus 7 in dem einstigen Gebäude des Landesvermessungsamtes. Dort, wo vor allem die Albaner leben, die alle mit ihrer Abschiebung rechnen müssen. In diesem zweistöckigen Gebäude lebte auch der 26-jährige Kosovare, der den Mitbewohner während eines Streits getötet haben soll. Am Montag wurde er mit dem Gefangenentransport zum Tatort gefahren. Dem 26-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft Totschlag vor.

Das Bonner Schwurgericht hatte zum Ortstermin geladen: Unter einer alten Kastanie im grauen Innenhof der Unterkunft, wo das Gericht vor dem Regen Schutz suchte, wurde eine 37-jährige Mutter von drei Kindern belehrt, sie war an dem Abend, gegen 18.40 Uhr, Zeugin der tödlichen Szenerie geworden.

Hilfe kam zu spät

Während die Flüchtlinge, vor allem Kinder, gestern versuchten, immer näher zum Gerichtsschauplatz zu kommen, berichtete die 37-Jährige: „Ich wollte meinen Mann abholen, der bei der Security arbeitet.“ Während sie vor dem Eingang auf ihn wartete, sah sie drei Männer, die - „wie Freunde“ - die Anlage verließen. „Dann hörte ich das Klatschen von Schlägen. Als ich hinschaute, sah ich eine stumme Prügelei.“ Zwei gegen einen. „Alles war still, keiner hat was gesagt.“ Die Zeugin alarmierte die Security.

Aber die Hilfe kam zu spät: Denn als die 37-Jährige wieder zurückkam, lag das Opfer bereits auf dem Bürgersteig. „Er wurde von den beiden anderen gepackt und mit Schwung in die Hecke geworfen.“ Die Männer hinterher. „Sekunden später“, so die Zeugin, „rannte der eine wieder raus, nervös.“ Dann kam der Angeklagte „mit einem Messer in der Hand. Die Hände blutig.“ Die Zeugin: „Ich habe meinen Mann noch gewarnt. Aber der Täter war ganz ruhig, er ließ sich das Messer sofort abnehmen.“

Der Angeklagte, der Fußfesseln trug, wirkte gestern abwesend, schaute hilflos um sich und schien sich an nichts mehr zu erinnern. „Ich weiß nicht, wo ich bin“, hatte er zum psychiatrischen Gutachter gesagt. Bei seiner Verhaftung hatte er beteuert, er sei von dem Albaner angegriffen worden und habe in Notwehr gehandelt. Das Messer habe zufällig in der Erde gesteckt, als er mit ihm ins Gebüsch gefallen sei. Hintergrund des Streits: Das spätere Opfer und ein 30-jähriger, befreundeter Landsmann hatten dem vielfach vorbestraften Angeklagten vorgeworfen, er habe in der Flüchtlingsunterkunft versucht, einen Brand zu legen. Deshalb habe er die beiden Albaner immer wieder zur Rede stellen wollen. So auch am Tattag.

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