Urteil in Bonn HIV-Infizierter erschlich sich Geld für Medikamente

Bonn · Ein HIV-Infizierter erhielt unter falschem Namen 150.000 Euro von Krankenversicherungen. Am Freitag fällte das Gericht ein Urteil, ließ aber Milde walten.

Es sieht aus wie ein besonders dreistes Betrugsmanöver, mit dem sich der Mann auf der Anklagebank vor dem Landgericht mit einer Reihe falscher Identitäten 150.000 Euro von diversen Krankenversicherungen erschlich. Doch in Wahrheit war es die schiere Verzweiflung, die den 38-Jährigen zu seinen Taten trieb: Er ist mit HIV infiziert und brauchte Geld für teure Medikamente, die ihm keine Versicherung bezahlte.

Vor der 1. Großen Strafkammer legt der seriös und gepflegt aussehende Akademiker ein umfassendes Geständnis ab und schildert, wie er zum Betrüger wurde: 2012 erfuhr er, dass er sich infiziert hatte und fiel in ein tiefes Loch. Doch dann erfuhr er von einem teuren Medikament, das es in den USA gab und Heilung versprach. Er schöpfte Hoffnung und wollte das Mittel unbedingt haben. Ihm fehlte jedoch das Geld.

Ein Bekannter, den er im Prozess nicht nennen will, bot ihm einen Ausweg an: Mit dessen Hilfe eröffnete der 38-Jährige bei einem Kreditinstitut unter zehn Aliasnamen und falschen Identitäten Konten und schloss online bei Krankenversicherungen Verträge ab.

Versicherung schöpfte Verdacht

Mit gefälschten Ausweisen suchte er diverse Ärzte auf, die ihm aufgrund seiner Erkrankung und der damit einhergehenden Depression die gewünschten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellten. Und mit diesen kassierte der Angeklagte bei den Versicherungen Krankentagegeld – zwischen Ende 2012 und Juni 2014 insgesamt 150.000 Euro. Dafür kaufte er das Medikament, doch weil die versprochene Wirkung stellte sich nicht ein.

Im Juni 2014 wurde erst die Bank wegen der Verschiebungen hoher Geldbeträge auf den Konten skeptisch und erstattete Anzeige wegen des Geldwäscheverdachtes. Und dann schöpfte auch eine der Versicherungen Verdacht. Gegen den 38-Jährigen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, und er landete in Untersuchungshaft. Vier Monate saß er hinter Gittern, „für ihn als HIV-Infizierten keine leichte Zeit“, stellt Kammervorsitzender Hinrich de Vries fest.

Fatale Verzweiflungstat

Das Geständnis des 38-jährigen und die besondere Motivlage führen am Ende dazu, dass sich Staatsanwaltschaft und Gericht einig sind: Das ist ein besonderer Fall. Der bisher unbestrafte Mann wird wegen gewerbsmäßigen Betruges und Urkundenfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Knapp 18 000 Euro hat er bereits zurückgezahlt. Weitere 132.000 Euro sollen noch zurückfließen. Und Richter de Vries stellt fest: „Die Versicherungen haben es ihm auch leicht gemacht, denn die Vertreter waren scharf auf die Provisionen.“

Die fatale Verzweiflungstat stürzte den 38-Jährigen nur noch tiefer ins Unglück. Denn krank ist er immer noch.

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