Wohnraum für Flüchtlinge Geschäfte mit der Wohnungsnot in Bonn

Bonn · Rund 1000 Asylbewerber suchen aktuell eine Bleibe in Bonn. Die meisten suchen ein kleines Apartment, und viele Vermieter winken bei einem arabischklingenden Namen gleich ab. Illegale Schwarzmakler nutzen die Verzweiflung der Menschen aus.

„Ich heiße Mohammed. Das kann ich ja nicht einfach ändern“, sagt Mohammed Almkashati und lacht entwaffnend. Unter Bonns Wohnungseigentümern hat der Name des Propheten keinen vorteilhaften Ruf, glaubt er, ebenso wie andere arabische oder afrikanische Namen. „Da weiß jeder sofort, dass wir nicht von hier sind.“

2015 kam Almkashati aus Damaskus (Syrien) nach Bonn. Seit dem 13. Januar hat der 30-jährige Bauzeichner eine Anerkennung als Bürgerkriegsflüchtling. Wie den meisten seiner Landsleute wurde ihm subsidiärer Schutz für ein Jahr gewährt. Damit muss die Stadt Bonn ihn nicht länger in einer Flüchtlingsunterkunft unterbringen. Das Jobcenter würde ihm stattdessen eine Wohnung bezahlen – genau wie anderen Singles bis zu 487 Euro pro Monat plus Heizkosten, bis er sein eigenes Geld verdient. Eine eigene Bleibe aber sucht der Syrer bislang vergebens.

Seit Herbst 1500 Anfragen verschickt

Mohammed Almkashati sieht aus wie ein Geschäftsmann. Im blütenweißen Hemd zieht er ein Notizbuch aus seiner Aktenmappe. 1500 Anfragen habe er im Internet seit letzten Herbst verschickt, überschlägt er. Meistens kam gar keine Antwort. Schließlich bat er seine Mentorin Ines Bresler um Hilfe, die er über die Initiative „Save me“ der gemeinnützigen Flüchtlingshilfe Bonn kennengelernt hatte. Die junge Deutsche meldete sich in eigenem Namen bei Maklern und Vermietern. So konnte Almkashati 26 Wohnungen in Beuel und im Zentrum besichtigen, drei in Duisdorf, zwei in Königswinter, vier in Siegburg.

Eine Zusage bekam er nirgends. Man wolle „ja gar nicht so sein“, sagte ein Makler, aber die Zahl der Interessenten sei eben zu groß. Bis heute wohnt der Syrer zusammen mit einem Afrikaner im Flüchtlingsheim in der Wilhelm-Schneider-Straße in Plittersdorf. „Wie soll ich mich da integrieren?“, fragt er in fehlerfreiem Deutsch.

Rund 1000 Flüchtlinge sind auf der Suche

983 Zuwanderern gelang nach Zahlen der Bonner Stadtverwaltung von Anfang 2016 bis Mitte 2017 der Umzug aus städtischen Unterkünften in eigene vier Wände. Mohammed Almkashati ist trotzdem kein Einzelfall. Rund 2350 Flüchtlinge lebten Ende Juli in kommunalen Unterkünften. „Von den untergebrachten Flüchtlingen haben Ende Juni 1021 das Asylverfahren bereits erfolgreich durchlaufen und dürfen somit eigenen Wohnraum anmieten“, berichtet Stadtsprecherin Monika Hörig.

Mit anderen Worten: Rund 1000 Flüchtlinge suchen aktuell eine Bleibe. Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass damit der angespannte Wohnungsmarkt in der Stadt sich weiter verengt: Mit dem eingeschränkten Aufenthaltstitel dürfen die Asylbewerber die Stadt nur mit Zustimmung verlassen und können so nicht auf andere Kommunen ausweichen. Zudem kamen 70 Prozent als Alleinstehende. Diese Leute suchen nun kleine Apartments. Und genau die sind in der Studentenstadt Bonn, wo mehr als die Hälfte der Einwohner Singles sind, besonders rar.

Dieses Problem hat auch die Stadt erkannt: „Die Nachfrage nach preisgünstigem und für Transferleistungsempfänger angemessenem Wohnraum war in Bonn bereits vor dem hohen Zuzug Geflüchteter groß und unter anderem die Warteliste bei der städtischen Wohnungsvermittlung entsprechend lang“, so Hörig. „Diese Situation hat sich mit der Wohnungssuche von Geflüchteten bei gleichzeitig nicht spürbar höherem Angebot nochmals verstärkt.“

Unsichere Bleibeperspektive wird zum Problem

Lena von Seggern koordiniert die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit des Diakonischen Werks in Bonn. Sie sagt: „Alleinerziehende, große Familien und Obdachlose haben es in Bonn sehr schwer, eine Wohnung zu finden.“ Flüchtlingen falle es bisweilen noch schwerer. Zu Vorurteilen gegenüber den Neuankömmlingen und der Sprachbarriere kämen praktische Gründe. „Die meisten Eigentümer wünschen sich langfristige Mieter“, berichtet von Seggern. Viele Wohnungsbaugenossenschaften bestünden deshalb formal auf einer mindestens einjährigen Bleibeperspektive. „Die ist aber am Tag, an dem Schutz für ein Jahr gewährt wird, schon nicht mehr vorhanden“, sagt von Seggern. „Dabei muss kein Vermieter damit rechnen, dass seine syrischen Mieter alsbald abgeschoben werden.“

Und wie gleich mehrere Helfer von Asylsuchenden berichten, gibt es einen weiteren Flaschenhals – das Jobcenter. „Man sollte meinen, als Klienten des Jobcenters wären anerkannte Flüchtlinge für Vermieter attraktiv“, findet von Seggern. Aber viele Vermieter winkten ab, denn häufig komme Geld von der Behörde nur unregelmäßig, verzögert oder unvollständig. Probleme in Einzelfällen bestätigt auch Tanja Holtkötter aus der Pressestelle des Bonner Jobcenters.

Dazu komme es, wenn nicht alle notwendigen Unterlagen vorlägen. „So gab es Fälle, bei denen der erteilte Aufenthaltstitel unklar war, kein Mietvertrag nachgewiesen werden konnte oder andere wichtige Unterlagen fehlten.“ In diesen Fällen zahle das Jobcenter „bei nachgewiesener Mittellosigkeit“ Vorschüsse für den Lebensunterhalt, „damit die Kunden Essen und Trinken kaufen können“. Für Nadja Müller de Ossio ist das ärgerlich. Sie koordiniert aktuell 160 Mentoren für 315 Flüchtlinge in Bonn. „Oft liegt es ja nicht an den Flüchtlingen selbst, wenn Papiere in anderen Behörden liegen“, meint sie. Würde die Stadt diese Leute nicht auch ohne Rechtspflicht weiter in ihren Heimen unterbringen, wäre Obdachlosigkeit die logische Konsequenz. Ohne vertiefte Kenntnis des deutschen Rechts und der deutschen Behörden sei der Teufelskreis kaum zu durchbrechen.

„Zudem hat man die Zahlung direkt an die Vermieter vor einiger Zeit abgeschafft“, erklärt Müller de Ossio. Asylbewerber seien damit jedoch oft überfordert. „Wir raten jedem zu einer Abtretungserklärung an den Vermieter, damit das Jobcenter die Miete direkt überweisen kann.“

Anwalt: lieber an die Stadt vermieten

Für Fachanwalt Markus Gelderblom, Geschäftsführer des Vereins Haus & Grund in Bonn, ist die Sache klar. Er sagt: „Es ist wohl ohne Weiteres nachvollziehbar, dass neu angekommene Flüchtlinge als direkte Mieter nicht in Betracht kommen.“ Selbst eine Abtretung der Mietzuschüsse sichere diese nicht. „Der Mieter kann jederzeit erzwingen, dass öffentliche Leistungen zunächst an ihn ausgezahlt werden.“ Und selbst bei vorliegender Abtretung müsse der Mieter stets seinen Pflichten gegenüber dem Jobcenter voll nachkommen, damit die Miete auch gezahlt wird.

Gelderblom rät deshalb zur direkten Vermietung an die Stadt. Die könne Wohnungen dann als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Haus & Grund-Mitglieder, die direkt an Flüchtlinge vermieten, seien ihm keine bekannt. Einen Ausweg sieht er lediglich in kommunalem Wohnungsbau.

Schwarzmarkler vermutlich auch in Bonn

Viele Flüchtlinge möchten darauf nicht warten. Lieber vertrauen sie sich einem illegalen Schwarzmakler an. Wie in anderen Großstädten gibt es auch in Bonn Hinweise auf solche Vermittler. Sie stammen meist von den Opfern selbst, die aus Angst vor Repressalien oder der Kündigung des Mietvertrages aber weder genannt werden möchten noch Anzeige erstatten. Bis zu 1500 Euro werden demnach an die Vermittler gezahlt, die häufig selbst aus dem Kulturraum der Geflüchteten stammen und Zugang vor allem zu Objekten aus größeren Wohnungsbeständen verschaffen. Der Betrag wird von den Flüchtlingen dann oft über viele Monate abgestottert.

Mohammed Almkashati hat auf solche Dienste bislang verzichtet. Beim Jobcenter rechnet er auch nicht mehr auf Hilfe. Dort habe ihm seine Betreuerin neulich gesagt, er solle für die 487 Euro Mietzuschuss unbedingt eine Zwei-Zimmer-Wohnung suchen, falls seiner Ehefrau irgendwann die Einreise bewilligt werde. „Kommen Sie dann nicht wieder und verlangen etwas Größeres.“

Viele Migranten, die irgendwo untergekommen sind, suchen nach Beobachtungen von Nadja Müller de Ossio inzwischen tatsächlich wieder. „Entweder die Familie kommt nach. Oder sie wohnen in Tannenbusch oder Bad Godesberg.“ Der schlechte Ruf der Viertel schrecke Arbeitgeber bei einer Bewerbung ab. „Und viele Geflüchtete beklagen dort auch selbst den hohen Ausländeranteil. Sie wollen lieber in Ruhe unter Deutschen wohnen.“

Alle bisher erschienenen Teile der Serie "Neue Nachbarn" gibt es hier.

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