Nach plötzlichen Schmerzen im Brustbereich Günter Tünsmeyer lebt mit einem "Sportlerherz"

Bonn · Günter Tünsmeyer aus Oberkassel erschien nach einer Ferienpause beim Tischtennistraining. Plötzlich konnte er vor Schmerzen im Brustbereich nicht mehr weiterspielen. Er leidet unter hypertropher Kardiomyopathie (HCM).

 Muss sich regelmäßig von Kardiologie-Experten untersuchen lassen: Günter Tünsmeyer leidet an einer genetisch bedingten Herzerkrankung.

Muss sich regelmäßig von Kardiologie-Experten untersuchen lassen: Günter Tünsmeyer leidet an einer genetisch bedingten Herzerkrankung.

Foto: WDR

Im Nachhinein sagt Günter Tünsmeyer: „Ich habe noch einmal Glück gehabt.“ Der Beamte im Landesjugendamt in Köln sitzt nachdenklich an seinem Schreibtisch. „Ein gnädiges Schicksal hat mir einen Schutzengel geschickt“, kommt hinterher. Tünsmeyer, Baujahr 1960, erinnert sich noch genau, wie er nach einer Ferienpause wieder beim Tischtennistraining erschienen war und plötzlich vor Schmerzen im Brustbereich nicht mehr weiterspielen konnte.

War es aufsteigende Magensäure, die ihm nach einer unguten Mahlzeit zu schaffen machte? Der Freizeitsportler erinnerte sich an die jahrelangen Beschwerden seines Vaters, die der ähnlich erklärt hatte. „Dann dachte ich, der Schmerz sitzt in der Lunge, obwohl ich ja kein Raucher bin“, erzählt Tünsmeyer. Der Facharzt schickt ihn weiter zum Kardiologen.

Bei diesem Spezialisten habe er schließlich kapiert, um was es sich handeln könnte: „Seit gut zweieinhalb Jahren bin ich nun HCM-Patient, ohne vorher jemals von dieser genetisch bedingten Herzerkrankung gehört zu haben“, sagt der 58-Jährige über die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM). In früheren Zeiten habe man diese Krankheit umgangssprachlich wohl als „Sportlerherz“ bezeichnet.

Es könnten also jüngere Leistungssportler betroffen sein, aber eben auch ältere Menschen, die wie er nach einer längeren Pause wieder mit dem Sport begonnen hätten, und zwar zu plötzlich und zu unvorbereitet. „Mein Kardiologe meint, dass ein nicht unerheblicher Teil unklarer Herztode auf diese nicht erkannte Erkrankung zurückzuführen sei“, sagt Tünsmeyer. Sein Leben habe sich auf jeden Fall gründlich geändert: „Seitdem trage ich eine kurze papiergebundene Erklärung in meinen Kfz-Papieren und im Etui meines Smartphones bei mir, da auch mich ein solcher Tod ereilen könnte.“

Dieses Video gehört zu einer Kooperation von GA und WDR.

Verbeugung ist nicht möglich

Luciano Pizzulli ist Chefarzt der Kardiologie im Petruskrankenhaus und damit Experte für die hypertrophe Kardiomyopathie. Sie sei eine genetisch determinierte Herzmuskelerkrankung, die in 60 bis 70 Prozent der Fälle durch eine spontane Genmutation der Muskelzelle auftrete, erläutert er. Dabei komme es zu einer Verdickung der Herzmuskulatur, die schlimmstenfalls die gesamte linke Herzkammer betreffen könne.

„Bei einer Verdickung des Herzmuskels im Bereich der Ausflussbahn der linken Herzkammer kommt es zu einer Beeinträchtigung des Blutflusses in Richtung Körper-Hauptschlagader, der Aorta“, nennt Pizzulli ein Beispiel. Sicher erkannt werden könne das mit einer kardialen Magnetresonanz-Tomographie.

„Vorbeugen im Sinne von Veränderung durch andere Lebensgewohnheiten, Sport oder gesunde Ernährung ist nicht möglich“, erläutert er weiter. Denn es handele sich nicht um eine Erkrankung, die durch äußere Faktoren entstehe. Vielleicht sogar bis zu einem auf 200 Erwachsene könnten betroffen sein, rechnet Pizzulli vor. „Insofern ist das eine relativ häufige Erkrankung.“

Das Ausmaß variiere aber sehr deutlich: von einer geringen Beeinträchtigung bis hin zu einer schweren Form mit frühzeitiger Herzschwäche-Entwicklung. „Da es sich um eine angeborene Herzerkrankung handelt, sind grundsätzlich schon Jugendliche betroffen, aber sehr häufig noch ohne Symptome“, warnt Pizzulli. Gerade das könne dazu führen, dass jugendliche Sportler, bei denen die hypertrophe Kardiomypathie nicht diagnostiziert sei, von einem akuten Herzproblem betroffen seien.

Von Sport wird abgeraten

Genau hier hat Günter Tünsmeyer vorgesorgt. „Ich habe meine beiden Söhne zum Kardiologen geschickt. Und das werden sie jetzt regelmäßig wiederholen, um auf der sicheren Seite zu sein.“ Er selbst ist sofort aus seinem Sport ausgestiegen. „Die ruckartigen Bewegungen beim Tischtennis sind ja geradezu Gift bei einer solchen Erkrankung.“ Und laut Chefarzt Pizzulli muss jeder HCM-Patient verstehen, dass körperliche Belastung mit Zunahme des Blutdrucks zu einer Belastung der ohnehin schon verdeckten Herzkammer führt. Deshalb werde von Sport allgemein abgeraten.

Tünsmeyer wird gleich von seinem Kölner Arbeitsplatz zur Bahn eilen, um bei seiner hilfsbedürftigen Mutter vorbeizuschauen. „Alles mit der Ruhe, ich weiß“, lächelt er dann. Auch beruflich werde er kürzertreten. „Ich fühle mich infolge der Medikamente oft wie ein nasser Waschlappen in der Ecke“, scherzt er. Aber er wolle mit seinem Beispiel anderen Mut machen, sich möglichen Herzproblemen zu stellen. „Was soll ich sagen? Leute, geht öfters zur Herzuntersuchung“

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