Rockerprozess in Bonn Ex-Präsident der Fist Fighter sagt stundenlang als Zeuge aus

Bonn · Drei Jahre nach den Schüssen vor der Bar Take Two hat in Bonn der Prozess gegen zwei Brüder aus dem Rockermilieu begonnen. Der angeschossene damalige Präsident der Fist Fighter sagte stundenlang aus.

Mehr als drei Jahre ist es her, dass der damalige Präsident des Boxclubs Fist Fighter, Konstantin S., genannt Costa, am 27. März 2015 bei einer Auseinandersetzung mit Mitgliedern des Clubs United Tribuns in der Bonner City vor der Bar Take Two angeschossen wurde. Seit Dienstag müssen sich zwei Brüder als die mutmaßlichen Täter vor dem Bonner Schwurgericht verantworten in einem Prozess, der unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen und Personenkontrollen stattfindet. Und: Das Gericht hat Besuchern das Tragen von Kutten und Abzeichen von Rockergruppen oder rockerähnlichen Gruppierungen verboten. Die wenigen Besucher, die unschwer als Mitglieder solcher Gruppen zu erkennen sind, halten sich dran.

Den 35 und 30 Jahre alten Brüdern wirft die Anklage versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Doch die beiden ziehen es vor zu schweigen, der ältere Bruder, der auf Costa S. geschossen und ihn am Bein getroffen haben soll, hat die Tat bisher bestritten. So ist Costa S. als Zeuge gefragt und muss stundenlang Rede und Antwort stehen. In der ihm eigenen lässigen und selbstbewussten Art betritt er um 11.30 Uhr den Gerichtssaal, schlendert erst einmal in den Zuschauerraum und lächelt ins Publikum, bis Kammervorsitzender Josef Janßen ihn auffordert: „Nicht herumlaufen, setzen Sie sich hin.“

Die beiden Angeklagten zeigen keine Regung, als Costa S., der im Prozess als Nebenkläger fungiert, im Beistand seines Anwalts in den Zeugenstand tritt. Ein eher ungewöhnlicher Platz für den 39-Jährigen, der selbst schon mehrfach auf der Anklagebank sitzen musste und demnächst auch wieder sitzen muss wegen angeblich tätlicher Angriffe. Zuletzt wurde Costa S. vom Bonner Amtsgericht wegen Waffenbesitzes zu sechs Monaten Bewährungsstrafe verurteilt, gegen die er jedoch Rechtsmittel eingelegt hat. Schließlich bestätigt der 39-Jährige die Anklage gegen die beiden Brüder, die er sein Leben lang kennt, wie er sagt.

Vor den Schüssen war es laut Anklage vor der Bar zu einem Massentreffen der beiden von der Polizei als rockerähnlich eingestuften Gruppen gekommen. Auslöser war laut Anklage ein Streit zwischen den beiden Angeklagten und Costa S., der vor der Bar geklärt werden sollte. Plötzlich soll der 35-jährige Bruder mit einer Pistole Kaliber 7,65 Browning auf Costa S. gezielt, abgedrückt und gerufen haben: „Stirb doch endlich.“ Sein 30-jähriger Bruder soll mit gezogener Pistole in der Gruppe gestanden haben. Die beiden Brüder wurden verhaftet, später jedoch wieder entlassen. Sie sind auch jetzt auf freiem Fuß.

Amt als Präsident der Fist Fighter niedergelegt

Die Aufklärung des Falles gestaltete sich nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil Costa S. sich weigerte, die Täter zu benennen – trotz angedrohter Zwangsmaßnahmen und verhängter Ordnungsgelder. Erst als ihm Beugehaft angedroht wurde, sagte er aus, legte jedoch zuvor sein Amt als Präsident der Fist Fighter nieder. Und erklärt nun dem Gericht: „Es verstößt gegen die Rockerehre, in dem Milieu sagt man nicht vor Gericht aus.“ Deshalb habe er erst sein Amt aufgeben müssen. Dennoch werde er seitdem als Aussätziger angesehen.

Nun schildert er, wie er an jenem Abend einen Anruf erhielt von einem anderen Mitglied der Fist Fighter, der ihm aufgelöst schilderte, er sei von Mitgliedern der United Tribuns zusammengeschlagen worden. Das habe geklärt werden müssen, und deshalb habe man sich in der City verabredet. Und dort sei dann plötzlich der Schuss gefallen. Er habe einen Bistrotisch als Schutzschild vor sich gehalten und gespürt, dass etwas draufknallte, als ein zweiter Schuss fiel. Er habe den Tisch runtergenommen, um zu sehen, was da los war.

Da habe der 35-jährige Angeklagte vor ihm gestanden und mit der Waffe auf ihn gezielt. Er habe ihn angeschrien: „Bist du behindert? Schießt du auf mich?“ Da sei auch schon der zweite Schuss gefallen, der ihn ins Bein traf. Den jüngeren Bruder habe er mit einer Waffe in der Hand etwas weiter weg stehen sehen. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund, als er erklärt, was er von den Brüdern hält, die einmal wie seine eigenen Brüder gewesen seien.

Zusammen mit drei weiteren Brüdern habe seine Familie sie vor 30 Jahren als syrische Flüchtlinge nach Bonn geholt: „Die beiden haben meine Socken und Unterhosen getragen und in meinem Kinderzimmer geschlafen.“ Doch damit sei es vorbei gewesen, als er 2008 nach sechs Jahren und acht Monaten Haft aus dem Gefängnis gekommen sei. Dort war er gelandet, weil er junge Mädchen mit Gewalt und auch Vergewaltigung zur Prostitution gezwungen hatte. In der Haftzeit, so wirft er den Brüdern vor, hätten sie zu seiner Mutter gesagt, er sei kein guter Sohn, sie seien die besseren Söhne. Die Schüsse auf ihn erklärt er mit „Neid“: Die Brüder seien sauer auf ihn gewesen, weil er verhindert haben soll, dass sich die United Tribuns auch in Bonn niederlassen, und die Brüder hier eine große Nummer werden.

Im Verlauf seiner Aussage zeigt das Gericht Videoaufnahmen des Geschehens an der Ecke Belderberg/Rathausgasse, die von Zeugen gemacht worden waren. Trotz wiederholten Abspielens können die unscharfen Handyaufnahmen jedoch nicht erhellen, wer genau geschossen hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort