Der Fall Niklas P. am Landgericht Bonn Die wichtigsten Fragen zum Prozessbeginn

Bonn · Am Freitag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Haupttäter Walid S. und seinen Mitangeklagten Roman W. Der General-Anzeiger beleuchtet vorab die wichtigsten Fragen.

Der gewaltsame Tod des 17-jährigen Niklas P. am 7. Mai vergangenen Jahres erschütterte die Menschen weit über den Tatort Bad Godesberg hinaus.

Ab Freitag müssen sich der zur Tatzeit 20-jährige mutmaßliche Haupttäter Walid S. und der laut Anklage an dem Angriff beteiligte Roman W. (21) vor dem Jugendschwurgericht des Bonner Landgerichts verantworten, und selten war das Interesse an einem Strafverfahren so groß wie in diesem Fall.

Der General-Anzeiger beleuchtet vor Beginn der Hauptverhandlung die wichtigsten Fragen zu dem Strafverfahren.

Wie lautet der Anklagevorwurf im Fall Niklas P.?

Walid S. wird Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei vorgeworfen, dem Mitangeklagten Roman W. vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei.

Walid S. soll Niklas P. einen Faustschlag gegen die Schläfe versetzt haben. Bereits dieser Schlag soll in Verbindung mit einer Vorschädigung von Blutgefäßen im Gehirn sechs Tage später zum Tod von Niklas P. geführt haben. Anschließend soll er Niklas P. gegen den Kopf getreten haben, wobei nach den Ergebnissen der Ermittlungen nicht nachweisbar ist, dass der Tritt todesursächlich war.

Das war das Ergebnis eines von der Staatsanwaltschaft beauftragten rechtsmedizinischen Gutachtens. Roman W. soll einer Begleiterin von Niklas P. mit der Faust gegen den Kopf geschlagen und außerdem versucht haben, Niklas P. zu treten, wurde davon jedoch abgehalten.

Warum gab es keine Anklage wegen Totschlags?

Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens davon aus, dass Walid S. kein Tötungsvorsatz nachzuweisen ist, denn Totschlag setzt unter anderem voraus, dass der Täter mit Tötungsvorsatz handelt. Laut Anklage liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der tödliche Faustschlag gegen die Schläfe mit dem Vorsatz geführt wurde, Niklas P. zu töten.

So gibt es laut rechtsmedizinischer Untersuchung keine Anhaltspunkte für einen so wuchtigen Schlag, der die Annahme rechtfertigen würde: Wer so hart zuschlägt, der will auch töten oder nimmt zumindest den Tod des Opfers billigend in Kauf. Auch gibt es laut Staatsanwaltschaft keinen anderen Anhaltspunkt für einen Tötungsvorsatz, auch nicht im Hinblick auf den anschließenden Tritt. Falls Walid S. sich im Prozess als Täter herausstellen sollte, werde allerdings noch einmal zu prüfen sein, ob er mit Tötungs- oder Körperverletzungsvorsatz handelte.

Wie kam man den Angeklagten auf die Spur?

Ein Zeuge soll Walid S. als Täter wiedererkannt haben. Auch wurde seine Behauptung, er sei zum Tatzeitpunkt an einem anderen Ort gewesen, laut Anklage nicht bestätigt. Und: An einer Jacke, die Walid S. in der Tatnacht getragen haben soll, wurde Blut von Niklas P. gefunden. Roman W. soll von zwei Zeugen als zweiter Täter wiedererkannt worden sein.

Was sagen die Angeklagten zu den Vorwürfen? Beide haben bisher jede Tatbeteiligung bestritten. Beide sitzen in U-Haft. Walid S. wurde Mitte Mai verhaftet, Roman W. kam im September hinter Gitter, nachdem er einen Tatzeugen bedroht und schwer misshandelt haben soll. Auch dieser Fall wird im Prozess verhandelt.

Wie Walid S. im Fall einer Verurteilung bestraft?

Da Walid S. zur Tatzeit noch Heranwachsender im Sinne des Gesetzes war, muss das Gericht im Fall eines Schuldspruchs prüfen, ob die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit und der Tat ergibt, dass er als Erwachsener zu behandeln ist oder aufgrund seiner Entwicklung zur Tatzeit noch einem Jugendlichen gleichstand.

Kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass Walid S. zur Tatzeit erhebliche Reifedefizite aufwies, würde Jugendstrafe verhängt – bei schweren Verbrechen bis zehn Jahre. Roman W. war zur Tatzeit erwachsen.

Was passiert am ersten Prozesstag?

Die Anklage soll verlesen werden. Anschließend haben die Angeklagten die Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Ob sie davon Gebrauch machen oder schweigen, ist unbekannt.

Wie wird die Hauptverhandlung ablaufen?

Für den Prozessauftakt wechselt die Strafkammer in einen größeren Saal. Denn, so Gerichtssprecher Bastian Sczech: „Das Interesse der Medien an diesem Verfahren ist außergewöhnlich groß.“ Außerdem geht das Gericht von einem großen Interesse der Bevölkerung aus.

Nach dem Prozessauftakt sollen an den beiden weiteren Tagen fünf Zeugen zu den Taten gehört werden, die neben dem Fall Niklas P. angeklagt sind. Erst anschließend soll der Fall Niklas P. verhandelt werden. Ein Grund dafür: Der Anwalt von Niklas' Mutter, die als Nebenklägerin an dem Prozess teilnimmt, ist vorher verhindert. Ab dem vierten Tag sollen an drei Tagen sieben Tatortzeugen zum Fall Niklas vernommen werden und eventuell der Rechtsmediziner sein Gutachten erstatten. Anschließend will die Kammer 30 bis 40 weitere Zeugen hören, die sich entweder in Tatortnähe aufhielten oder wichtige Beobachtungen machten oder etwas zu Walid S.' möglichem Alibi sagen können.

Das Jugendschwurgericht hat bisher insgesamt 17 Verhandlungstage bis zum 31. März geplant.

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