Kommentar zum Bonner Theater Die Zeit läuft

Meinung · Bonn wird im nächsten Jahrzehnt eine dreistellige Millionensumme für seine Theatergebäude ausgeben müssen. Steckt die Stadt das Geld besser in die Instandsetzung von Oper und Schauspielhaus oder in einen Neubau mit allen Vorzügen eines modernen Gebäudes?

Die größte Überraschung des jetzt vorgelegten Actori-Gutachtens dürfte sein, dass die Kostenprognosen für beide Varianten gar nicht so weit auseinanderliegen. Glaubt man den Experten, wäre ein Neubau je nach Standort einschließlich technischer Ausstattung für 149 bis 161 Millionen Euro zu haben.

Das macht die Neubauvarianten interessant, weil sie nicht nur funktionaler und attraktiver als die Altbauten sind, sondern auch besser planbar. Spätestens seit dem finanziellen Desaster um die Sanierung der Beethovenhalle weiß jeder Bonner, welche Risiken beim Umbau eines alten Gebäudes lauern: Schadstoffbelastungen, Baupläne, die nicht stimmen, Bausubstanz, die schlechter ist als erwartet. Für Oper und Schauspiel existiert aber gar keine gründliche Untersuchung der Bausubstanz, mithin auch keine halbwegs verlässliche Kostenschätzung. Und solange das so ist, kann der Stadtrat die Instandsetzung nicht seriös gegen einen Neubau abwägen – zumindest, was das Finanzielle angeht.

Das ist aber längst nicht der einzige Aspekt dieser komplexen Entscheidung. Auch die Befindlichkeiten der Bürger zählen. Würden Opernbesucher den Standort Bad Godesberg akzeptieren? Kann man den Godesbergern zumuten, das Schauspiel in die Stadtmitte ziehen zu lassen? Wie wichtig ist den Menschen das markante Opernhaus am Rheinufer?

Der Vorschlag der Stadtverwaltung, die Bürger in die Entscheidung einzubeziehen, ist richtig – schon, um nicht das nächste Bürgerbegehren zu provozieren. Dafür sollte die Stadt aber so schnell wie möglich weitere Fakten liefern. Die Variante, ein Zweispartenhaus vor der Beethovenhalle zu bauen, sollte zum Beispiel nicht voreilig wegen zu hoher Risiken vom Tisch gewischt werden. Ob Denkmalschützer und Urheberrechtsinhaber mitspielen würden, ließe sich durch zügige Gespräche klären. Genau wie in der Bäderfrage – ebenfalls für eine Bürgerbeteiligung vorgesehen – gilt bei den Theaterbauten: Die Uhr läuft, weil die Altbauten marode sind.

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