Täterberatung bei häuslicher Gewalt Darum berät der ASB gewalttätige Männer

Die Fälle von häuslicher Gewalt werden stetig mehr, auch in Bonn und der Region. Mehr als 80 Prozent der Täter sind männlich. Mit ihnen arbeiten Alena Grimm und Karim Kerbache im Auftrag des Arbeiter-Samariter-Bundes.

Seit wann bietet der ASB die Täterberatung an?

Alena Grimm: Seit Ende 2016. Im November hatten wir begonnen, das Konzept mit Inhalten zu füllen, im Dezember gab es erste Gespräche mit Klienten, die erste Gruppensitzung fand dann im Februar statt.

Wie kam es dazu?

Grimm: Das Angebot gibt es deutschlandweit. In NRW wird es vom Justizministerium finanziert. Dort hat man gesehen, dass es Regionen in NRW gibt, in denen es keine Täterberatung gibt. Deshalb wurde gefragt, wer so etwas in Bonn und der Region anbieten möchte und der ASB hat sich dazu bereit erklärt.

Somit ist es das einzige Angebot in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis?

Karim Kerbache: Ja, das nächste ist in Köln. Wir haben ein Einzugsgebiet von einer Million Menschen.

Was ist das Ziel der Täterberatung?

Grimm: Wir möchten mit den Klienten Strategien entwickeln, dass sie künftig in Konfliktsituationen gewaltfrei agieren. Dafür geben wir ihnen eine Art Werkzeugkoffer mit, den sie weiter füllen.

Wie muss man sich einen solchen Werkzeugkoffer vorstellen?

Grimm: Wir vermitteln zunächst Theorie. Da geht es darum, wie es zu Gewalt kommen kann. Außerdem lernen die Klienten bei uns, Wut und Gewalt zu unterscheiden. Sie erfahren, dass der Körper Signale sendet, bevor man gewalttätig wird. Sie lernen, sich selbst wieder zu spüren und auf den eigenen Körper zu hören. Wir erarbeiten auch Handlungsalternativen, entwickeln einen Notfallplan.

Wie könnte der aussehen?

Grimm: Das ist sehr individuell. Für manche ist es hilfreich, wenn sie Stress reduzieren, indem sie zum Beispiel Sport treiben. Gespräche mit Freunden oder der Partnerin, in denen Probleme frühzeitig angesprochen werden, können ebenfalls hilfreich sein. Wir üben solche Konfliktgespräche. Für Notfallsituationen gibt es bewährte Verhaltensregeln, zum Beispiel sollten zwei Armlängen Abstand gehalten werden. Außerdem sollte man in einer Streitsituation nichts in die Hand nehmen. Denn damit könnte man werfen. Eigentlich logische Sachen, aber manchmal fällt einem so etwas nicht ein.

Was sind körperliche Signale?

Grimm: Es gibt Klienten, die sagen, dass es sich anfühlt, als sei das Blut wie Mineralwasser, als würde es sprudeln. Andere beschreiben es als einen heißen Stein in der Brust. Viele Signale kennen wir alle, denn der Körper reagiert in Bedrohungssituationen automatisch. Es ist wichtig, diese Signale früh zu erkennen und den steigenden Pegel frühzeitig anzuhalten. Dann kann man die Situation verlassen, bevor es zu Gewalt kommt.

Kann jeder zum Schläger werden?

Grimm: Es ist kein bestimmter Typ und keine bestimmte Situation. Es ist meist ein Prozess. Oft geht verbale Gewalt der körperlichen voraus. Dazu gehören zum Beispiel Unterdrucksetzen und Bedrohung. Wir haben noch nie erlebt, dass ein Klient für alle unverständlich aus dem Nichts heraus zugeschlagen hat. Deshalb gehen wir mit jedem seine Geschichte durch, zeigen auf, wo es welche Alternativen gegeben hätte. So können die Männer aus eigenen Fehlern lernen.

Brechen einige Männer die Teilnahme ab?

Grimm: Es gibt Abbrecher und Situationen, wo wir abbrechen. Wenn zum Beispiel keine Einsicht vorhanden ist. Und: Wir können nur mit denjenigen arbeiten, die kommen wollen. Außerdem arbeiten wir konfrontativ. Wenn jemand psychisch nicht stabil ist, wird es schwierig. Dann empfehlen wir erst eine Psychotherapie.

Kerbache: Das gilt auch, wenn wir während der Sitzungen feststellen, dass eine Suchtproblematik vorliegt.

Zeigen sich Erfolge?

Kerbache: Im Konzept ist vorgesehen, dass wir uns nach sechs Monaten bei den Klienten melden, um nachzufragen, wie es ihnen geht. Bisher haben wir keine Rückmeldungen bekommen, dass es wieder vorgekommen wäre.

Was geschieht, wenn die Teilnahme doch irgendwann einmal keine Wirkung zeigt?

Kerbache: Wenn der Klient für seine Taten nicht die Verantwortung übernimmt, ist die Chance groß, dass sich die Gewalt wiederholt. Dann geht es wieder von vorne los: Konflikte werden nicht besprochen, die Spannung wächst, die sich in Gewalt entlädt. Es ist ja auch ein erlerntes Verhalten. Dass man Konflikte mit Gewalt löst.

Was kann das Opfer tun?

Grimm: Das ist schwierig zu sagen. Die richtige Entscheidung gibt es nicht, weil der Prozess sehr individuell ist. Es gibt viele Hilfsangebote. Die zu nutzen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Häusliche Gewalt ist ein Tabuthema. Solange das so ist, ist es auch für die Betroffenen schwierig, sich Hilfe zu holen. Dennoch gilt beim Opferschutz genau wie in der Täterberatung, dass Veränderungsbereitschaft da sein muss. Wenn sie fehlt, ist es auch für die Helfersysteme schwierig, etwas zu bewirken.

Kerbache: Es wäre gut, sich zu erkennen zu geben und sich Hilfe zu holen. Noch gibt es eine große Dunkelziffer. Man geht davon aus, dass nur zehn Prozent aller Fälle gemeldet werden.

Trägt ein Angebot wie Ihres zur Enttabuisierung bei?

Grimm: Wir hoffen, dass durch uns ein Licht auf die Täter fällt und ihnen ganz klar die Verantwortung gegeben wird. Es ist problematisch, wenn sich bei den Tätern nichts ändert. Dann ist die Chance groß, dass der Mann wieder gewalttätig wird.

Warum wenden Sie sich an Täter und nicht an Opfer?

Kerbache: Ich habe ein Bild vor mir: Die Frau wurde geschlagen, sucht sich Hilfe, geht vielleicht ins Frauenhaus. Und der Mann bleibt zu Hause, geht weiter arbeiten. Dann geht die Frau zurück – und bei ihm ist nichts passiert. Aber er war derjenige, der geschlagen hat. Er muss die Verantwortung übernehmen. Täterarbeit ist somit Opferschutz.

Wie sehen Sie Ihre Klienten?

Grimm: Wir sind Menschen, sie sind Menschen. Wir arbeiten wertschätzend miteinander. Aber wir haben eine klare Haltung zu Gewalt: Sie geht nicht, sie schadet immer. Aber wir sehen auch, dass die Gewalt nicht alles ist, was sie ausmacht. Wenn wir nicht denken würden, dass sie bereit sind, sich zu ändern, wäre unsere Arbeit sinnlos.

Kerbache: Es gibt Männer, die wirken sympathischer, andere wirken unsympathischer. Das leugnen wir nicht. Außerdem ist die professionelle Distanz wichtig, wir gehen nicht auf eine persönliche Ebene.

Wie kommen die Männer zu ihnen?

Grimm: Teilweise bekommen sie die Auflage vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft. Oder das Jugendamt schickt sie, wenn die Teilnahme eine Auflage für das Umgangsrecht ist. Es gibt aber auch Selbstmelder.

Wieso richtet sich das Angebot an Männer? Gibt es keine gewalttätigen Frauen?

Grimm: Doch, es gibt sie. Wir arbeiten aktuell ausschließlich mit Männern, haben aber vor, das Angebot auszuweiten. Zum Beispiel auf gewalttätige Frauen. Oder auch Väter oder Mütter, die Gewalt gegenüber ihren Kindern ausüben. Um weitere Angebote zu schaffen, brauchen wir aber Finanzmittel. Die Förderung des Landesjustizministeriums ist auf gewalttätige Männer beschränkt.

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