Einkaufen in Bonn City-Marketing kritisiert Uniformität der Innenstadt

Bonn · Der Kaufleute-Verein City-Marketing beschwert sich über die zunehmend schlechte Erreichbarkeit der Bonner Fußgängerzone. Außerdem unterscheide sich die Innenstadt wenig von anderen Städten.

Im Gespräch: Mit Biss für die Belange der Bonner Innenstadt sind Karina Kröber und Maike Reinhardt unterwegs: Der von ihnen geführte Kaufleute-Verein City-Marketing beklagt eine zunehmend schlechte Erreichbarkeit der Fußgängerzone und fordert kreative Verkehrslösungen – vor allem, wenn die Großbaustelle am Tausendfüßler startet. Als der Bundestag den Hauptstadtumzug nach Berlin beschloss, machten sich auch die Bonner Kaufleute Sorgen. 1996 gründeten sie deshalb den Verein City-Marketing, der seitdem das Ziel verfolgt, das Gedeihen der Innenstadt zu fördern. Mit den Vorstandsmitgliedern Karina Kröber und Maike Reinhardt sprach Lisa Inhoffen.

Wenn Sie die Attraktivität der Innenstadt auf einer Skala von 0 (ganz schlecht) bis zehn (super gut) bewerten müssten, was geben Sie?

Karina Kröber: Ich gebe eine gehobene 6.

Maike Reinhardt: Oh, da liege ich drüber – eine 7.

Warum?

Kröber: Einerseits unterscheidet sich die Innenstadt in vielen Teilen nicht sehr von anderen Innenstädten. Da haben wir viel Uniformität. Andererseits gibt es auch Straßen mit vielen individuellen Geschäften, wie in der Friedrich- oder Acherstraße, die den Reiz der City ausmachen. Sehr gut ist, dass wir mit Kaufhof Galeria und Karstadt zwei große Warenhäuser haben. Wir hoffen, dass das auch so bleibt.

Reinhardt: Für mich überwiegt, dass man in Bonn in einer wunderbaren Fußgängerzone flanieren kann. Ich finde, trotz der Ketten haben wir viele schöne Läden. Das hören wir immer wieder von auswärtigen Besuchern. Es sind meistens Einheimische, die schlecht über ihre Innenstadt reden.

Was fehlt Ihnen in der City?

Kröber: Eigentlich nichts. Mich stört nur, dass wir so viele Ketten haben, außerdem machen die bei City-Marketing nicht mit, was ich sehr bedauere. Wir haben aber gegenüber vielen anderen Städten den Vorteil, dass die Großen wie Kaufhof Galeria und Karstadt Mitglieder bei uns sind.

Reinhardt: Eigentlich könnten die Ketten Mitglied werden. Wenn diese zum Beispiel in eine Einkaufsmall ziehen, müssen sie sogar unterschreiben, dass sie Mitglied der Gewerbegemeinschaft werden.

City-Marketing hat 100 Mitglieder. Ist das nicht eine beachtliche Zahl?

Kröber: Nein, denn darunter sind auch Banken, Immobilienmakler oder der Festausschuss Bonner Karneval. Wir sind dankbar, dass wir sie haben. Aber wir wünschten uns, der Einzelhandel wäre selbst stärker vertreten.

Reinhardt: Es sind 420 Einzelhändler und Gastronomen in der Innenstadt registriert. Wenn mehr mitmachen würden, wären wir schlagkräftiger. Wir könnten Veranstaltungen wie das Bonn-Fest, oder „Bonn leuchtet“ noch attraktiver gestalten. Wir arbeiten ja alle ehrenamtlich im Verein.

Das könnte aber auch eine Agentur übernehmen. Warum braucht Bonn einen City-Marketing-Verein?

Kröber: Die Stadt braucht uns, weil wir die Stimme der Innenstadt sind. Es geht ja nicht nur um die Veranstaltungen. Wir machen noch viele andere Dinge. Unter anderem gerade einen Rundgang mit Bonnorange. Gemeinsam haben wir überlegt, wo noch Mülltonnen fehlen. Zurzeit überlegen wir, wo zusätzliche Aschenbecher aufgestellt werden können. Weil alle draußen rauchen, liegen viele Kippen auf dem Boden. Außerdem machen wir mit bei der Gestaltungssatzung, ich könnte noch vieles nennen...

Aber es gibt auch den Einzelhandelsverband...

Kröber: Ja, natürlich, aber der ist für den Einzelhandel in ganz Bonn sowie im Rhein-Sieg-Kreis- und in Euskirchen zuständig. Der sieht also das große Ganze. Wir können uns allein auf die City kaprizieren.

Reinhardt: Wir sind quasi der Pitbull in der City. Wir kämpfen um Erhalt und Verbesserungen der Attraktivität und Urbanität. Wir sind stolz, dass Politiker und Verwaltung uns inzwischen ernst nehmen. Das war nicht immer so.

Kröber: Wir haben auch viele gemeinsame Themen mit dem EHV: Das sind die Erreichbarkeit der Stadt, die Sauberkeit, die Sicherheit, der Tourismus. Da ziehen wir an einem Strang. Wir würden uns freuen, wenn alle Gewerbevereine, auch außerhalb Bonns, bei unserer Veranstaltung „Bonn leuchtet“ mitmachten. Bonn leuchtet bis Königswinter: Das wäre doch was.

Bonn galt immer als Oberzentrum der Region. Ist das noch so?

Reinhardt: Ja, das ist Bonn nach wie vor. Wobei wir sehr aufpassen müssen, diese Rolle nicht zu verlieren. Es ist zurzeit kein Händler in der City wirklich glücklich. Viele fürchten, abgehängt zu werden, weil die Erreichbarkeit immer problematischer wird. Die jüngste IHK-Studie hat gezeigt, dass viele Städte unter dem Onlinehandel leiden, auch Bonn, aber Bonn hat wie kaum eine andere Stadt zusätzlich ein Riesenproblem mit der Erreichbarkeit.Kröber: Die Studie letztes Jahr wurde erhoben, als die Maximilianstraße wegen der Baustelle gesperrt war und die Diskussion um die Kappung des Cityrings lief. Bonn hat weit hinter den anderen Städten in NRW gelegen. Der Onlinehandel und das schlechte Wetter Anfang 2018 waren in allen Städten vergleichbar.

In Bonn kam die Kappung des Cityrings dazu. Deswegen auch die schlechteren Ergebnisse in der Studie. Das hat uns alarmiert. Wir kämpfen deshalb darum, dass die verkehrliche Situation in der City nicht weiter verschlechtert wird. Das geschieht aber, wenn Pläne für die Erweiterung des Cityrings am Hofgarten vorbei und die Sperrung der Rathausgasse für den Individualverkehr umgesetzt werden.Reinhardt: Dazu kommt das Problem mit dem Parken. Es muss nur ein Parkhaus, wie zuletzt die Marktgarage dicht sein. Prompt bleiben viele Kunden weg, obwohl es in anderen Garagen, etwa in der Beethovengarage noch genug freie Plätze gibt. Das müsste irgendwie besser publik gemacht werden. Kröber: Bonn hat auch das Problem der vielen Baustellen in und rund um die Innenstadt. Man hat zudem den Eindruck, dass auch lange nichts auf diesen Baustellen passiert. Beispiel Viktoriabrücke. Das hält mittlerweile viele Kunden davon ab, in die City zu fahren.

Was kann die Stadt tun?

Kröber: Das ist nicht nur Sache der Stadt. Das ist auch Sache von Straßen NRW und der privaten Investoren. Die Baustellen müssten im digitalen Zeitalter viel besser koordiniert werden, als es bisher geschieht. Wir erleben oft Situationen, dass die Stadt, private Unternehmen und Straßen NRW auf parallel laufenden Straßen gleichzeitig Baustellen einrichten. Das führt zu Staus. Uns graut schon, wenn auf der Reuterstraße nächstes Jahr gebaut wird und dann auch noch der Tausendfüßler kommt...

Was schlagen Sie vor?

Kröber: Es muss mehr miteinander geredet werden, was dringend gemacht werden muss, und was vielleicht warten kann. Und wie man bei Problemen agieren kann. Ich nenne das Beispiel Kreisel am Alten Friedhof. Dort ist es in der Vorweihnachtszeit zu massiven Rückstaus gekommen. Die Autofahrer, die in die Stadt wollten, standen im Stau bis in den Kreisel hinein. Dadurch staute es sich in der Gegenrichtung bis in die Karstadt- und Münsterplatzgarage zurück. Verkehrlich eine Fehlplanung. Als wir Stadt und Polizei um Abhilfe baten, hieß es, da könne man nichts machen. Die Folge ist, dass die Leute beim nächsten Mal nicht mehr nach Bonn kommen. Aber wir lassen in dem konkreten Fall nicht locker. Im Großen und Ganzen sind wir mit der Unterstützung der Stadt sehr zufrieden.

Am Neubau des Tausendfüßlers führt kein Weg vorbei...

Reinhardt: Das stimmt, aber wir wünschten uns, die Behörden ließen sich kreativere Lösungen einfallen. Dann muss man mal in der Zeit ausnahmsweise Straßen in Wohngebieten öffnen oder Einbahnstraße umdrehen.Kröber: Es muss auch ein vernünftiges Bus- und Bahnangebot geben. Und bessere Radwege. Auch da muss deutlich mehr passieren.

Gerade erst haben Sie wieder die Vereinbarung für die verkaufsoffenen Sonntage in Bonn unterschrieben. Verdi geht mit härteren Bandagen als früher dagegen vor. Wie wappnet sich der Handel für 2019?

Kröber: Wir sind positiv gestimmt, da wir mit unseren Konzepten die Auflagen erfüllen. Wir wollen darüber noch mit Verdi reden. Die Gewerkschaften müssen sich überlegen, ob sie nicht den Ast absägen, auf dem ihre Mitglieder sitzen. Die Teilnahme am verkaufsoffenen Sonntag ist freiwillig, und wir wissen, dass gerade in den großen Kaufhäusern das Personal sich um diese Dienste reißt, weil sie gut bezahlt werden. Mit nur drei verkaufsoffenen Sonntagen in der City schöpfen wir die Möglichkeit, die der Gesetzgeber offen lässt, sehr moderat aus. Das müssen auch die Gewerkschaften anerkennen.

Warum sind verkaufsoffene Sonntage denn so wichtig?

Reinhardt: Der Onlinehandel hat sieben Tage rund um die Uhr geöffnet. Das kann und will der Standorthandel nicht. Aber die verkaufsoffenen Sonntage bieten den Menschen die Chance, außerhalb des Alltags mit der Familie gemütlich durch die Stadt zu schlendern, sie näher kennenzulernen. Es geht nicht darum, hohen Umsatz zu machen, sondern den Bekanntheitsgrad und die Attraktivität der City zu erhöhen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb organisieren wir die großen Veranstaltungen an den verkaufsoffenen Sonntagen.

Im Viktoriakarree herrscht Stillstand. Müssen dort mit Blick auf die neuen Geschäftshäuser am Hauptbahnhof überhaupt noch Geschäfte angesiedelt werden?

Kröber: Auf jeden Fall. Nach einer Einzelhandelsstudie fehlen in Bonn große Einzelhandelsflächen. Empfohlen wurde das Einzelhandelsdreieck Friedensplatz, Bahnhof und Viktoriakarree auszubauen, um die City lebendig zu halten. Bisher liegen uns keine anderen Erkenntnisse vor. Wir hätten gerne gesehen, wenn Signa das Einkaufszentrum verwirklicht hätte. Diese Pläne sind leider gescheitert. Aber es muss im Viktoriakarree etwas passieren. So, wie es jetzt dort aussieht, kann es nicht bleiben. Wir sind für alles, was dort Leben hineinbringt.

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