Interview mit Kornelia Hülter Bonnorange-Chefin kündigt Sauberkeits-Offensive an

Bonn · Kornelia Hülter, Chefin von Bonnorange, kündigt im GA-Interview eine Sauberkeits-Offensive für die Stadt an. Zudem ist ein Pilotprojekt für Sperrmüllabfuhr auf Abruf geplant.

 Mit Hochdruck bei der Arbeit: Kornelia Hülter ließ sich von GA-Fotograf Benjamin Westhoff zu diesem Foto in der Bonnorange-Zentrale überreden.

Mit Hochdruck bei der Arbeit: Kornelia Hülter ließ sich von GA-Fotograf Benjamin Westhoff zu diesem Foto in der Bonnorange-Zentrale überreden.

Foto: Benjamin Westhoff

Sie erleben gerade einen Sturm der Entrüstung in Beuel. Warum wollen Sie ausgerechnet in der Markthalle an der Röhfeldstraße einen Wertstoffhof bauen?

Hülter: Zwei Wertstoffhöfe im Stadtgebiet sind zu wenig. Rechtsrheinisch haben die Leute bisher keine Möglichkeit, ihre Wertstoffe abzugeben. Es geht aber nicht nur um eine verbesserte Erfassungsquote für Wertstoffe, sondern auch um den Winterdienst und die Stadtreinigung in Beuel. Ich muss ja auch dann streuen und räumen können, wenn demnächst die Rheinbrücken saniert werden. Wenn wir keinen Standort in Beuel haben, kommen unsere Fahrzeuge nicht mehr durch, sobald es Staus an den Brücken gibt.

Aber ein Wertstoffhof so nah am Pantheon?

Hülter: Die alte Markthalle wird umgebaut. Teile des Grundstücks werden wir begrünen; das wird schöner, als es heute ist. Ich habe auch mit dem Pantheon gesprochen. Klar, in Beuel hätte man lieber ein Kulturquartier, aber zum einen wird die Betriebsstätte mit Wertstoffhof den Kulturbetrieb nicht stören, zum anderen gab es keine anderen belastbaren Kaufinteressenten. Ein Wertstoffhof riecht nicht. Wir dürfen keinen Müll lagern, da fängt nichts an zu gammeln. Wir sammeln Grünschnitt, Papier und Wertstoffe wie Schrott in Containern, die nach spätestens 24 Stunden abgefahren werden. Der Standort ist gut erreichbar für ganz Beuel.

Im Stadtbezirk muss es doch noch andere geben...

Hülter: Wir suchen seit Jahren und haben keine Alternative gefunden. Entweder war das Grundstück zu klein oder der Wertstoffhof wegen der Nähe zur Wohnbebauung nicht genehmigungsfähig. Wir hatten einen anderen Standort, aber der war viermal so teuer und hatte Sanierungsbedarf. Diese Kosten schlagen sich auf die Gebühr nieder, die vom Bürger getragen werden muss. Dieser Standort ist aus verschiedenen Gründen für den Bürger optimal.

Bonnorange ist Anstalt öffentlichen Rechts. Kritiker sagen, dass eine AÖR vom Rat schlechter zu kontrollieren sei als etwa ein Amt...

Hülter: Sehe ich anders. Wir haben einen Verwaltungsrat, der vom Rat besetzt ist. Der hat mir auch Handlungsvollmacht erteilt, uns den Standort Markthalle zu sichern. Der Rat muss nun entscheiden, ob das Projekt so umgesetzt werden soll. Auch andere Beschlüsse, etwa zu Gebühren, gehen in den Ausschuss oder den Rat. Ich glaube, wenn Kommunen transparent sind, haben sie Vorteile. Und so machen wir das auch. Hier kann jeder alles wissen.

Wie lange haben Sie gebraucht, um sich an den kuriosen Namen Bonnorange zu gewöhnen?

Hülter: Den fand ich schon genial, als ich mich beworben habe.

Wie haben Sie den Betrieb 2015 vorgefunden, was haben Sie geändert?

Hülter: Das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung ist 2013 aus der Stadtverwaltung ausgegliedert worden. Da habe ich Nachwehen gespürt. Die Identifikation der Mitarbeiter mit Bonnorange war noch Thema. Sie hatten Fragen: Werden wir privatisiert, können wir entlassen werden? Inzwischen rudern wir alle in die gleiche Richtung. Ein Indiz ist, wie viele Leute auf ein Betriebsfest kommen. Diesmal waren fast alle da, einige kamen trotz Urlaub.

Warum war die Umwandlung eines Amtes in eine AÖR sinnvoll?

Hülter: Meiner Meinung nach ist es zielführend, dass das operative Geschäft nicht in einem Netzwerk wie dem einer Stadtverwaltung hängt. Operative Tätigkeiten brauchen schnelle Entscheidungswege. Wir haben einen eigenen Wirtschaftsplan, eine enge Führungsstruktur, eigene Personalhoheit. Es geht schneller, wir sind viel näher dran am Bedarf.

Konkretes Beispiel?

Hülter: Wir haben viele Änderungen angeschoben. Zunächst aber die Hausaufgaben der letzten 15 Jahre erledigt: In dieser Zeit war es in Bonn nicht gelungen, neu gebaute Straßen in Wohngebieten ins Straßenreinigungsverzeichnis aufzunehmen. Die Kraft hatte der Betrieb nicht.

Wie bitte? Heißt das, diese Straßen werden nicht gereinigt?

Hülter: Inzwischen ja. Letztes Jahr haben wir 168 Straßen neu ins Verzeichnis aufgenommen, also mit Reinigungsklassen hinterlegt. Vorher haben entweder die Anlieger sauber gemacht – oder gar keiner.

Und was steht jetzt an?

Hülter: Unser größtes Projekt ist die Qualitätsmessung in der Stadtreinigung. Da messen wir demnächst, wie sauber es wirklich ist. Dann kann der Rat entscheiden, wie sauber es denn sein soll. Und dann gucken wir, ob wir mehr oder weniger Ressourcen auf der Straße brauchen. Die Bürger wünschen als Ergebnis unserer Kundenumfrage eine Verbesserung des Stadtbilds, daher sollten wir die Messungen innerhalb von zwei Jahren schaffen. Das ist selbst bei kurzen Entscheidungswegen schnell.

Wie zufrieden sind Sie mit der Sauberkeit auf Straßen und Plätzen, wenn Sie durch die Stadt gehen?

Hülter: Ich drücke es mal so aus: Ich finde schön, dass wir gebraucht werden (lacht). Wir sind nicht so gut aufgestellt, wie wir es könnten. Da sind wir uns mit dem Verwaltungsrat und der Stadtverwaltung einig. Wir reinigen in Bonn nur halb so viel wie im NRW-Schnitt: 1,2 Mal pro Woche jeden Straßenmeter. Der Schnitt in NRW ist 2,5, als Mittelwert über alle Reinigungsklassen. Das heißt, wir reinigen zu wenig. Dafür tun wir das fleißig und gut. Übertragen auf eine Ampel,wären wir im gelben Bereich, was die Qualität angeht – genau wie der größte Teil der deutschen Großstädte, obwohl die meisten mehr Geld aufwenden. Ich bin froh, engagierte Mitarbeiter zu haben. Aber draußen auf der Straße besteht Handlungsbedarf.

Woran liegt es , dass in Bonn im Vergleich so wenig gereinigt wird?

Hülter: Daran, dass Bonn spart. Das ist ein Vorteil der AÖR: Wir können ergebnisorientiert arbeiten und müssen nicht nur auf die Kosten schauen. Wir dürfen investieren, wenn es für den Bürger etwas bringt. Wir wollen uns verbessern bei der Straßenreinigung. Man könnte jetzt einfach von allem ein bisschen mehr machen. Das wäre aber zu teuer. Wir wollen lieber schauen, wo man wirklich mehr tun muss. Wir starten 2018 eine Qualitätssicherung und stellen zwei Menschen ein, die Bonn begehen. Das werden die den ganzen Tag lang machen und die Sauberkeit kontrollieren: Straßen, Gehwege, Bewuchs an den Pollern. Mit dieser Messung können wir gezielt nachlegen und unsere Reinigungstouren verdichten.

Das heißt, die Reinigungsklassen vor Ort könnten sich ändern?

Hülter: Wir prüfen die. Überall da, wo es Handlungsbedarf gibt, werden wir Ressourcen anpassen. Wir wollen im Internet veröffentlichen, wie die jeweilige Reinigungsklasse ist. Dann kann man auf einer Stadtkarte nachschauen.

Glauben Sie, dass die Bonner bereit sind, für mehr Sauberkeit zu zahlen? Es gab ja vor einigen Monaten in diversen Straßen schon Proteste, als die Gebühren steigen sollten...

Hülter: Gleichzeitig konnten wir die Gebühren für die Abfallentsorgung senken, was aufgrund der Kritik zur Straßenreinigungsgebühr leider in den Hintergrund gerückt ist. Ja, es gab kritische Stimmen, aber das waren auch große Schritte, die wir machen mussten. Die nächste Anpassung, das werden kleine Schritte. Die Summen, um die es für den Einzelnen pro Jahr geht, sind niedrig. Ich glaube, die Bonner sind bereit, die Kosten zu tragen, wenn es sauberer wird.

Und die Kämmerin überzeugen Sie auch? Der tut doch jeder Euro weh...

Hülter: Die Stadt zahlt elf Prozent der Stadtreinigungsgebühr an Bonnorange. Ja, ich glaube, ich kriege auch die Kämmerin überzeugt. Wir können der Stadt außerdem zusätzliche Leistungen anbieten und die Gehwege vor den städtischen Grundstücken reinigen. Dadurch könnte die Stadt sparen. Wenn wir eine einheitliche Tourenplanung haben, können wir Synergien heben. Wir selbst hatten die Reinigung von Spielplätzen und Parks fremd vergeben. Das machen wir ab Februar selber.

Brauchen Sie dafür mehr Personal?

Hülter: Ja. Das bedeutet aber keine Gebührenerhöhung, weil unser Overhead kleiner ist als bei privaten Firmen, und wir Synergien bei unseren Fahrzeugen heben. Wir haben eine neue Flotte für den Winterdienst auf Gehwegen, sogenannte ATVs, die setzen wir im Sommer in den Parkanlagen ein.

Wie viel Personal hat die AÖR?

Hülter: Es sind 383 Mitarbeiter.

Wie viel Zuwachs gab es in letzten zwei, drei Jahren?

Hülter: Etwas über drei Dutzend, so wie es wirtschaftlich ist. Jetzt stellen wir 15 Leute ein, zunächst befristet. Sobald feststeht, in welchem Maß unsere Angebote angenommen werden, können wir die Verträge entfristen.

Sie haben eine Kundenzufriedenheitsbefragung gemacht. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Hülter: Die Bürger sind mit unseren Dienstleistungen zufrieden; es gibt aber auch Punkte, die wir verbessern können. Die Leute bemängeln zum Beispiel, dass wir Mülltonnen nicht so gut an ihre Plätze zurückstellen, wie wir es könnten. Da schauen wir jetzt genauer hin. Es gab bei der Befragung auch die Kritik, dass die Wertstoff- und Schadstoffsammelstellen nicht so gut erreichbar sind. Da verlängern wir 2018 die Öffnungszeiten. Wir werden an einem Tag länger offen haben, statt 17 Uhr schließen wir zwischen 18 und 19 Uhr. Samstags verlängern wir um zwei Stunden auf 14 Uhr. Außerdem sollen samstags beide Wertstoffhöfe offen sein.

Und sonst?

Hülter: Wir werden in der Stadt mehr Abfalleimer oder ein höheres Abfallvolumen bei einzelnen Eimern bereitstellen. Wir schauen uns das bedarfsgerecht an und fangen an den Brennpunkten am Rhein und in der Innenstadt an. Außerdem wollen wir den Bürgern nächstes Jahr einen Vollservice bieten, den wir im Moment nur für die Restmülltonne haben – also Tonne vom Grundstück holen, leeren und zurückstellen. Das soll für Bio- und Papiertonnen kostenpflichtig zubuchbar sein.

Das Bonner Sperrmüllsystem mit festen Abholzeiten einmal im Quartal finden viele Bürger nicht so toll. Da entsteht oft ein ziemliches Chaos vor den Häusern...

Hülter: In einem Fünftel der Stadt werden wir ab nächstem Jahr Sperrmüll auf Abruf anbieten, als Pilotprojekt für zwei Jahre. Die Bürger können sich telefonisch, schriftlich oder über Internet binnen 14 Tagen einen Termin holen. Dann holen wir ihren Sperrmüll. Das wollen wir durch einen Entrümpelungsservice vom Dachboden bis zum Keller flankieren. Wir informieren die Leute vorher über ihre individuellen Abfallplaner, welche Ortsteile wir auswählen.

Haben sich die festen Sperrmülltermine nicht bewährt?

Hülter: Mit dem neuen Angebot können die Leute ihren Bedarf punktgenauer abdecken. Problematisch am bisherigen System ist die illegale Beistellung. Es wird viel rausgestellt, was kein Sperrmüll ist. Das lassen wir stehen, weil wir hoffen, dass die Leute es wieder reinholen. Denn wir wollen nicht, dass der illegale Müll den Gebührenhaushalt aller Bürger belastet. Das führt aber teilweise dazu, dass der Müll über die Straße fliegt. Drei Tage später holen wir die Reste. Bei dem Pilotprojekt können wir schon am Telefon fragen, was die Leute in welchen Mengen abtransportieren lassen wollen und können sie beraten. Sperrmüll bleibt kostenfrei, sonst landet er in der Natur.

Sie planen auch Änderungen beim Grünschnitt?

Hülter: Müllvermeidung ist unser oberstes Ziel. Wenn wir es schaffen, die Bürger zu motivieren, ihren Grünschnitt nicht in die Biotonne zu werfen, sondern auf ihrem Grundstück zu kompostieren, ist das gut für Umwelt und Gebührenhaushalt. Die Bürger können Grünschnitt aber auch kostenfrei in die Annahmestellen bringen. Der Verwertungsweg von Grünschnitt ist günstiger als die Biomüll-Kompostierung, weil die einen höheren technischen Standard erfordert. Unsere 14 Grünannahmestellen werden aufgehübscht. Die Ordnung um diese Plätze muss dringend verbessert werden. Deswegen wollen wir dort Personal bereitstellen, das Bürger berät. Der Ausbau ist ab 2018 geplant. Bauanträge sind gestellt, fast alle Bauvoranfragen positiv beschieden.

Kompostieren geht aber nur, wenn man einen Garten hat...

Hülter: Ja, der Garten muss auch groß genug sein. Wenn Sie zu viel Kompost ausbringen, dann gehen die Nährstoffe ins Grundwasser. Wir beraten gerne.

Müssen die Bonner mit steigenden Gebühren rechnen?

Hülter: In den vergangenen Jahren sind sie kontinuierlich gesunken. Ich sehe in nächster Zeit keine Erhöhungen. Ich möchte lieber erst alle Synergien im Betrieb ausnutzen und Optimierungsmaßnahmen ergreifen.

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