Angehende Abiturienten Bonner Schüler feiern letzte Schulwoche

BONN · Wer in diesen Tagen merkwürdige Jugendliche in der Bahn oder auf der Straße trifft, muss sich nicht wundern: Es sind Abiturienten.

Mit Musik aus tragbaren Lautsprechern ziehen die Abiturientinnen durch das Treppenhaus. Beim „Asi-Tag“ stecken ihre Füße in weißen Tennissocken und Adiletten, die Plastikeinkaufstüten stoßen fast rhythmisch gegen das verzierte Holzgeländer der Liebfrauenschule. Vor dem Klassenraum kehrt Stille ein. „Alle fertig? Ok? Dann los!“, flüstert die Erste der Gruppe zu. Ab dann weiß weder der Chemielehrer, noch wissen die Schülerinnen der Unterstufe, was passiert. Die Mädchen tanzen und springen durch den Klassenraum. Dem Lehrer bleibt nichts anderes übrig, als das Spiel über sich ergehen zu lassen. Nach fünf Minuten ist der Spuk vorbei. Geblieben ist nur der Schriftzug „Abitur 2018“ auf der Tafel.

In dieser Woche haben 2250 Bonner Abiturienten an den 19 Gymnasien und fünf Gesamtschulen ihre letzten Schultage. Auf der Zielgeraden vor den Prüfungen herrscht Ausnahmezustand. Mit der Mottowoche werden die letzten Tage heruntergezählt, die meisten verabschieden sich mit einem Abistreich von Lehrern und Mitschülern.

Die Vorbereitungen für alles, was noch bis zur Überreichung der Zeugnisse kommt, laufen schon lange. Komitees haben sich seit Monaten mit der Planung des Abiballs, der Stufenkasse und dem Abiturmotto beschäftigt. Um die Abschlussfeiern zu finanzieren, die schnell mehrere Tausend Euro kosten, werden schulinterne Konzertabende und öffentliche Partys organisiert oder Waffeln in den Schulpausen verkauft.

Wettbewerb der Abi-Jahrgänge entstand

„Das alles ist in den vergangenen Jahren immer professioneller geworden, die Gags dagegen artiger und unpolitischer“, sagt Gabriele Dafft, die am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte arbeitet und Abimottos genauer untersucht hat. Demnach kamen sie in den 1980er Jahren auf und waren zunächst mit Streichen am letzten Schultag verbunden. „Das sind die Geschichten, als noch Mist auf den Schulhof gekippt wurde“, erzählt sie.

In den 90er und 2000er Jahren wurden daraus richtige Bühnenshows, bei denen zunehmend die ganze Schülerschaft unterhalten wurde. „Wie in einem Wetteifer versuchen sich die Jahrgänge zu übertreffen.“ Als neueste Entwicklung kamen dann die Mottowochen hinzu. Statt auf Konfrontationskurs mit Lehrerschaft und Schulleitung zu gehen, sei man heutzutage mehr um Kooperation bemüht. „Auflagen, wie der Abistreich aussehen darf, werden vorher ausgehandelt“, sagt Dafft.

"Abicolada" wird verboten

Insgesamt wirken die Bonner Abistreiche eher wie ein sanftes Aufbäumen gegen die Obrigkeit. An vielen Schulen machte die Leitung den Abiturienten bei der Wahl der Mottos einen Strich durch die Rechnung. An der Liebfrauenschule, einem erzbischöflichen Gymnasium, wurden beispielsweise der Spruch „Abicolada“ verboten: Angeblich werde damit Alkoholismus verharmlost. Stattdessen einigte man sich auf „Abidancing – Time of our lifes“. Das Hardtberg-Gymnasium entschied sich beispielsweise für „Abiós Amigos – 12 Jahre Siesta, endlich Ferien“, die Beueler Gesamtschule für „The Abi᠆games – District 13 stürmt das Capitol“.

„Blickt man auf die vergangenen Jahre zurück, sind Mottos und auch die Mottowoche doch sehr ähnlich“, sagt Liebfrauen-Stufenleiterin Alexandra Benner. „Aber sie sind auch lustig.“ Ihre Schützlinge verkleideten sich als Kindheitshelden wie am ersten Schultag und kamen im Schlafanzug in die Schule. Einige verliehen dem „Asi-Tag“ unverhofften Tiefgang: Statt Jogginghose trugen sie Anzug und Schlips, um die Chefs umstrittener und ausbeuterischer Großkonzerne als die wirklich Un-Sozialen zu brandmarken. Die Lehrer erleben diese Ausgelassenheit jedes Jahr.

Am Ende wieder Abi-Korsos durch die Innenstadt

Wie die Mottos auch aussehen mögen: Die letzten Schultage sind fast immer emotional. „Irgendwie ist es traurig zu gehen, weil man so viel Zeit miteinander verbracht hat“, erzählt eine Abiturientin. Es gebe die Angst davor, dass Freundschaften zerbrechen, weil man in unterschiedlichen Städten studieren wird. „Die behütete Zeit, in der man sich um nichts sorgen musste, ist vorbei.“

Das wirft auch Fragen für die Zukunft auf. „Die Wenigsten haben einen Plan, was nach dem Abi kommt“, sagt ein Schüler. Zwar gebe es grobe Richtungen wie Zahnmedizin, Eventmanagement oder „irgendwas mit Medien“. Letztendlich hängt es aber vom Numerus clausus ab.

Und der ärgert so gut wie alle. Gerade in begehrten Fächern wie Medizin hätten viele kaum ein Chance, wegen des hohen NC einen Studienplatz zu erhalten. Einen letzten Einfluss haben die Abiturienten allerdings noch: Die Prüfungen, die die meisten Punkte geben, stehen schließlich noch aus.

Diesen Freitag werden wieder Abikorsos durch die Innenstadt fahren. Sie mussten bei der Polizei angemeldet werden. Für viele ist der Treffpunkt das Abifestival auf der Rigal'schen Wiese.

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