Kriminalität Bonner Polizei verzeichnet mehr Messerattacken

Bonn · Insbesondere bei Straßenkriminalität kommt es laut der Bonner Polizei immer häufiger zu Messerattacken. Entsprechende Szenarien werden jetzt gezielt trainiert.

Kriminelle Clans, Hochzeitsfeiern auf Autobahnen oder Angriffe auf Staatsbedienstete: Die nordrhein-westfälische Landesregierung scheint derzeit gewillt zu sein, gegenüber Rechtsbrechern die polizeilichen Zügel anzuziehen. Dazu passt, dass die Sicherheitsbehörden damit begonnen haben, Messerangriffe statistisch gesondert zu erfassen. Bislang aber liegt noch kein Datenmaterial vor.

Vor einigen Tagen sorgte in Bonn ein 25-jähriger Mann für Aufregung, als er in einer Straßenbahn mit einem Messer hantierte und Drohungen aussprach. Die Polizei konnte ihn kurz darauf festnehmen. Am Freitagabend kam es auf der Oppelner Straße in Tannenbusch zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen drei Männern, bei der auch ein scharfkantiger Fensterschaber im Spiel war.

Beide Fälle dürften sich auch in der nächsten polizeilichen Kriminalstatistik niederschlagen. Denn dort fließt seit Januar der Einsatz von Messern oder anderen Stichwerkzeugen bei Straftaten in einer gesonderten Rubrik ein. Bislang war das nur bei Schusswaffen der Fall.

Die ersten Daten stehen nach Auskunft der Bonner Polizei erst im Juli zur Verfügung. Zur Methodik erläutert Wolfgang Beus, Sprecher im nordrhein-westfälischen Innenministerium: „Erfasst wird nicht nur der Gebrauch eines Messers bei einem Angriff, sondern auch das Mitführen während einer Straftat. Beides wird in der Statistik gesondert erfasst werden.“

Auch wenn laut Beus allgemein das Gefühl vorherrschend sei, dass die Zahl der Messerangriffe steige, gebe es bislang noch keine valide Datengrundlage. Zudem würden die ersten Daten naturgemäß noch keine Vergleichsmöglichkeit gegenüber vorausgegangenen Jahren bieten.

Gibt es bald „Messerverbotszonen“?

Damit bleibt vorerst der diffuse Eindruck steigender Fallzahlen, in dem sich allerdings verschiedenste Akteure einig zu sein scheinen. So warnen etwa die beiden großen Polizeigewerkschaften seit einiger Zeit vor immer mehr Messerattacken durch junge Männer und Jugendliche.

Mehrere Landesregierungen fordern Gesetze, mit denen sich bestimmte Viertel und Veranstaltungen zu „Messerverbotszonen“ bestimmen lassen – wobei sich die schwarz-gelbe Koalition in NRW bislang zurückhaltend zeigt und die Bonner Polizei sich eines Kommentars enthält.

Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag machte sich die Mühe und ließ – gewissermaßen als Ersatz für die fehlenden statistischen Werte – die Pressemitteilungen der Polizei nach dem Suchbegriff „Messer“ auswerten. Demnach gab es in Bonn allein im halben Jahr zwischen September 2017 und März 2018 insgesamt 33 Messerattacken – und damit genau so viele wie in ungleich größeren Städten wie Köln, Dortmund, Essen oder Düsseldorf.

„Nach Einschätzung meiner Kollegen sind es insbesondere Tatverdächtige von Straßenkriminalität – also Körperverletzungsdelikte, Raub oder Drogenkriminalität –, die immer häufiger Messer mitführen und gegebenenfalls auch einsetzen“, sagt Frank Piontek von der Pressestelle der Bonner Polizei und bestätigt indirekt den Trend.

Allein die Bonner Mordkommission (zuständig auch für die Kreise Euskirchen und Rhein-Sieg) zählte 2018 acht Fälle, bei denen Messer eingesetzt wurden und ein Tötungsdelikt im Raume stand.

Messerattacken sind schwierig abzuwehren

Dafür, dass die Messer im öffentlichen Straßenraum lockerer sitzen, spricht auch der interne Umgang der Sicherheitsbehörde mit dem Thema. So werden entsprechende Szenarien offenbar in jüngster Zeit intensiver geübt.

„Das ist ein verstärkter Bestandteil der internen Fortbildung“, sagt Piontek. Denn selbst bei vermeintlich einfachen Einsätzen oder Kontrollen könne inzwischen unvermittelt ein Messer ins Spiel kommen. Entsprechend würden die Beamten geschult und mit Stichschutzwesten gerüstet.

Greife ein Verdächtiger zum Messer, werde es für Einsatzkräfte besonders gefährlich, berichtete Norbert Tannert, Leiter der Wache Innenstadt, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seiner Wache am vergangenen Freitag einen Besuch abstattete. Die Waffe werde am Körper getragen, sei somit häufig nicht sichtbar „und eine Attacke ist schwierig abzuwehren“.

Politisches Reizthema

Zuweilen mussten Beamte der Bonner Polizei in jüngster Vergangenheit wegen solcher Situationen zum letzten Mittel greifen: dem Schuss aus der Dienstwaffe. In Erinnerung sind etwa der Fall eines Asylbewerbers, der 2015 in Endenich mit einem Messer auf Polizisten losgegangen war.

Drei Mal machten Bonner Polizisten im Jahr 2016 von der Waffe Gebrauch. Zuletzt eskalierte im März die Abschiebung eines Senegalesen in Bad Honnef. Auch er griff Polizisten mit einem Messer an, ein Beamter setzte ihn mit Schüssen außer Gefecht.

Bürgern, die nicht mit Schusswaffen ausgestattet sind, gibt die Polizei gewöhnlich den Rat zu „deeskalieren“, die Flucht zu ergreifen und Hilfe zu rufen. In jenen Bundesländern, in denen sowohl Messerangriffe als auch die Nationalität der Tatverdächtigen bereits statistisch ausgewiesen werden, waren zuletzt sowohl unter den mutmaßlichen Tätern als auch unter den Opfern Migranten überproportional vertreten.

Das politische Reizthema führt immer wieder zu ideologisch geführten Grundsatzdebatten über Ausländerkriminalität und Flüchtlingspolitik.

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