Bunten Kreises Rheinland Bonner Initiative „Boofe“ hilft Familien

Bonn · Die Mitarbeiter der Initiative "Boofe" begleiten Familien mit einem chronisch kranken, schwerstkranken oder frühgeborenen Kind und helfen ihnen, ihren Alltag zu meistern.

Kacper strahlt über das ganze Gesicht. Er reicht Sophia eine Eisenbahnschiene und macht ihr klar, dass sie diese einbauen soll. Ohne Worte, nur mit Gesten macht er sich verständlich. Kacper kann nicht sprechen. Auch das Laufen fällt ihm schwer. Er bewegt sich staksig, stolpert, aber richtet sich mit einem Lächeln sofort wieder auf. „Es tut gut, ihn so glücklich zu sehen. Wenn es Kacper gut geht, dann bin ich auch glücklich“, sagt seine Mutter Bernadeta Wilde-Kawa, während sie die Szene im Familiencafé des Bunten Kreises Rheinland in der Kinderklinik an der Adenauerallee beobachtet.

Wie viele Schicksalsschläge kann ein Mensch aushalten? „Ich weiß es nicht“, erwidert die 32-Jährige. „Ich muss das Leben so akzeptieren, wie es ist. Ich habe kein anderes.“ Wie lange ihr siebenjähriger Sohn noch leben wird, das weiß sie nicht. Erst im Sommer hat sie ein Kind in der Schwangerschaft verloren. „Wir schmieden keine Zukunftspläne mehr. Wir haben gelernt, dass wir jeden Tag bewusst leben müssen“, sagt sie. Denn seit sieben Jahren durchlebt sie gemeinsam mit ihrem Mann einen wahren Albtraum.

2010 kamen Kacper und sein Bruder Kuba als Frühchen zur Welt. Zwei Monate lang kämpften sich die eineiigen Zwillinge ins Leben. Aber das Familienglück währte nicht lange. Schon im Alter von acht Monaten traten bei beiden die ersten Krampfanfälle auf. „In unserer Heimat Polen bekamen wir keine Diagnose. Wir wurden von einem Arzt zum anderen geschickt“, erzählt die 32-Jährige. Wie grausam das Schicksal zuschlagen kann, das erlebte Wilde-Kawa dann kurze Zeit später. „Als ich die beiden morgens wecken wollte, fand ich Kuba tot in seinem Bettchen. Er war nachts an einem Krampfanfall gestorben. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen“, flüstert sie. „Da wussten wir, dass wir Polen verlassen müssen, um wenigstens Kacper zu behalten.“

Kacper leidet unter dem Dravet-Syndrom

In Deutschland bekamen sie dann die Hilfe, auf die sie gehofft hatten. Nach mehreren neurologischen Untersuchungen stand fest: Kacper leidet unter dem Dravet-Syndrom, einer schweren Form der Epilepsie. „Endlich wussten wir Bescheid“, erinnert sich die 32-Jährige. „Nach Monaten.“ Nicht nur eine optimale medizinische Betreuung fanden sie und ihr Mann in Bonn. Mit Corinna Bell trat jemand in ihr Leben, der sich um die ganze Familie kümmert.

Seit August diesen Jahres bietet die Pflegeberaterin und Koordinatorin beim Projekt „Boofe“ vom „Bunten Kreis Rheinland“ einen bisher in Deutschland einzigartigen Beratungsservice für Familien mit einem chronisch erkrankten, beeinträchtigten oder zu früh geborenen Kind an. „Wir kümmern uns um alles, was abseits einer Behandlung belastet“, erklärt Corinna Bell. „Beispielsweise bei der Pflegeversicherung. Denn alle Richtlinien sind an Senioren ausgerichtet. Für die Pflege von behinderten Kindern muss man andere Maßstäbe ansetzen.“

Die gelernte Kinderkrankenschwester informiert Betroffene über staatliche oder private Hilfeleistungen und unterstützt Familien bei den oft sehr komplizierten Anträgen. Gibt es Fragen zur Wahl eines geeigneten Kindergartens oder treten Probleme bei der schulischen Integration auf, ist sie zur Stelle und führt gegebenenfalls auch schon mal Gespräche mit den Lehrern. „Bei allem schaue ich aber auf die gesamte Familie, besonders auf die Geschwister“, erklärt sie. „,Boofe' steht für Beraten, Ordnen, Organisieren, Filtern und Evaluieren – also für eine verbindliche und nachhaltige soziale Hilfestellung in Krisensituationen“, so Bell. Gerade in Verhandlungen mit Kostenträgern sei es oft hilfreich, wenn die Gespräche von einer neutralen Person geführt würden. „Wir sind mit dem Verstand bei der Sache, nicht mit dem Herzen wie die Eltern“, sagt sie.

Mütter sind einfach Profis

Dennoch sei gerade das Herz einer Mutter immer der wichtigste Indikator. „Eine Mutter weiß genau, was ihr Kind braucht, und sie spürt, wenn es ihm schlecht geht. Mütter sind einfach Profis, wenn es um das Wohlbefinden ihrer Kinder geht. Deshalb müssen wir eng mit ihnen zusammenarbeiten,“ ergänzt die Beraterin. Dabei profitieren die Betroffenen auch von dem Netzwerk, über das Corinna Bell nach vielen Jahren in ihrem Beruf verfügt.

Denn Kacpers Einschulung in der Christophorusschule im Tannenbusch im Sommer wäre fast gescheitert, weil Familie Wilde-Kawa keinen Begleiter für den Schulweg gefunden hatte. „Als ich Frau Bell um Hilfe bat, hat es gerade einmal einen Tag gedauert, bis wir jemanden hatten. Kacper ist so stolz, wenn er morgens in den Schulbus einsteigt. Ich freue mich täglich darüber, dass er trotz allem ein glückliches Leben führt“, sagt sie. „Ohne ,Boofe' würde unser Leben anders verlaufen.“

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