Großprojekt der Stadt Baulandmodell soll in Bonn günstigen Wohnraum schaffen

Bonn · Die Politik in Bonn will Investoren stärker in die Pflicht nehmen, günstigen Wohnraum zu schaffen. Helfen soll das sogenannte Baulandmodell.

Bezahlbarer Wohnraum ist ein rares Gut in Bonn. Das Baulandmodell soll diesen Mangelzustand ändern und den Anteil an preisgünstigen und sozial geförderten Wohnungen steigern. Die Lücke, die sich jährlich auftut, kann das Modell allerdings laut Expertenmeinungen nur schwer schließen: Hintergrund sind auslaufende Belegungsrechte zwischen Stadt und Wohnungseigentümern für Sozialwohnungen.

Im Auftrag der Stadt arbeitet das Bonner Forschungs- und Planungsbüro „Quaestio“ derzeit an der Umsetzung eines solchen Modells, das der Rat im März vergangenen Jahres beschlossen hatte.

Im Rahmen des 44. Städtebauseminars der Uni Bonn stellte Bernd Faller, Geschäftsführer von Quaestio, kürzlich mit dem Vortrag „Bezahlbarer Wohnungsbau und qualitätsvoller Städtebau – was leistet das Bonner Baulandmodell?“ die Möglichkeiten und Grenzen des Modells für den Bonner Markt vor. Wie im Ratsbeschluss vorgesehen, soll das Modell nur bei nicht-öffentlichen Liegenschaften und Neubauten mit mindestens 25 Wohneinheiten zum Tragen kommen. Weitere Voraussetzung: Auf dem Grundstück darf bisher kein Planungsrecht bestehen.

Nach Schätzungen des Planungsamtes und des Planungsbüros machen derartige Großprojekte nur rund ein Fünftel der gesamten Bauvorhaben aus. Schätzungsweise werden 60 bis 80 Prozent der Bauvorhaben auf Flächen geplant, die auf altem Baurecht beruhen – das Baulandmodell greift hier nicht. Von jährlich 1000 Neubauwohnungen in Bonn fielen somit nur 200 unter die Neuregelung. Davon sollen 30 Prozent per Vorgabe zu Sozialwohnungen werden, weitere 20 Prozent zu preisgedämpften Wohnungen.

Investoren werden so verpflichtet, einen Teil ihrer Neubauten dem angespannten, sozialen Wohnungsmarkt zuzusteuern. Zusätzlich müssen sich Investoren anteilig an Kindergartenplätzen und Schulen beteiligen oder Flächen dafür bereitstellen. „Ein Baulandmodell ist der Versuch, politischen Zielen bei der Entwicklung von Baugrundstücken wieder stärker Geltung zu verschaffen“, erklärte Faller. Nach dieser Beispielrechnung könnte das Baulandmodell in Bonn pro Jahr etwa 60 bis 65 sozial geförderte Wohnungen generieren.

Demgegenüber steht ein weitaus höherer Bedarf. Laut Auskunft der Stadt haben allein im vergangenen Jahr rund 3000 Menschen einen Wohnberechtigungsschein (WBS) in Bonn beantragt. Die Verwaltung geht davon aus, dass jeder zweite Bonner Haushalt die Voraussetzungen für einen WBS – und damit das Anrecht auf eine Sozialwohnung – erfüllen würde. „Diese Zahlen verdeutlichen, dass einer großen Nachfrage ein kleines Angebot gegenübersteht. Dieses Ungleichgewicht wird sich durch den zunehmenden Wegfall von Bindungen, der durch Neubautätigkeit nicht auszugleichen ist, in den kommenden Jahren noch vergrößern“, heißt es aus dem Sozialamt. Derzeit verfügt Bonn über etwa 12 000 Sozialwohnungen – rund sieben Prozent des Gesamtbestandes, erforderlich seien zwölf bis 14 Prozent, meint die Stadt.

Orientierung an Kölner Erfahrungen

Vorreiter in Sachen Baulandmodell war 1994 die Stadt München, mittlerweile wird das Modell auch in anderen Städten angewandt, seit 2014 in Köln. Im vergangenen Jahr wurde an dem „Kooperativen Baulandmodell“, wie es in Köln heißt, noch einmal nachgebessert. Die Prüfung auf Angemessenheit mittels der Bodenwertmethode, also ob das Projekt für den Investor wirtschaftlich ist, ist in diesem Zug abgeschafft worden, weil es viele Bauvorhaben blockierte. „Die Berechnung der Bodenwertsteigerung wird nicht mehr gemacht, sondern vorausgesetzt“, erklärt Anne Luise Müller, Leiterin des Planungsamtes der Stadt Köln. Unter dem alten Modell wurden in Köln 35 Verfahren angemeldet, fünf davon sind mittlerweile beschlossen worden. Bis 2017 sind insgesamt 465 Neubauwohnungen und 125 öffentlich geförderte Wohnungen entstanden. Seit der Überarbeitung im Mai 2017 wurden zwölf neue Vorhaben mit insgesamt rund 2350 Wohnungen mit bis zu 720 Sozialwohnungen beantragt.

„Die Kölner Erfahrungen sind auch für Bonn wichtig“, erklärt Faller. Die Planer versuchen jedoch, eine Alternative zur Bodenwertmethode zu ermitteln. „Wir haben in Bonn nicht so hohe planungsbedingte Wertsteigerungen“, sagt Colin Beyer, Mitarbeiter von Quaestio.

„Wir wissen, dass das, was wir im Augenblick tun, nicht reichen wird“, sagt Henriette Reinsberg, stellvertretende planungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Um die Projekte voranzutreiben, sei vor allem genügend Personal entscheidend. Der Rat hat zu diesem Zweck den Weg für zusätzliche Stellen im Planungsamt freigemacht. Im Rahmen des Baulandmodells will die Stadt bis Ende 2019 potenzielles Wohnbauland erfassen und konkrete Strategien für die Aktivierung erarbeiten. Auch eine Beratung für Bauherren ist angedacht sowie die Einbeziehung von Bürgern und Politik.

Wichtig sei zudem, so Reinsberg, einen Regionalplan aufzustellen, um mit dem Umland zu kooperieren und alternative Wohnbauflächen zu entwickeln. „Wir werden unser Wohnungsproblem nicht alleine in den Griff bekommen. Man muss auch Kooperationen mit Nachbarkommunen eingehen“, sagt auch Peter Kox (SPD), Vorsitzender des Bonner Sozialausschusses und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Eine Möglichkeit, die auch Faller sieht. „Der Leistungsdruck lastet sehr stark auf den Stadtzentren“, so der Experte. Alternativ könnten Entlastungsstandorte wie Siegburg gestärkt werden. Aber auch innerhalb Bonns gibt es Lösungsmöglichkeiten: „Bonn hat viele Verdichtungspotenziale, aber wir haben keinen Zugriff auf die Flächen.“ Die Suche nach potenziellem Wohnraum wirft auch gesellschaftliche Fragen auf: Inwieweit kann man in die Eigentumsrechte eingreifen? Das Baulandmodell könne zwar nur auf einen Ausschnitt angewandt werden. Dennoch: „Ohne Baulandmodelle hätten wir noch weniger sozial geförderten Wohnungsbau“, betont Theo Kötter, Professor für Städtebau an der Uni Bonn.

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