20 Jahre Regierungsumzug nach Berlin Aus dem Bundesdorf wird das internationale Bonn

Bonn · Bonn ist immer dann gut gefahren, wenn es nicht an Vergangenem festgehalten hat. Für die Zeit vor und nach dem Regierungsumzug gilt auch heute noch: Die Stadt wandelte und wandelte sich. Und er bekam ihr gut – dieser Wandel.

Es war einmal eine kleine Stadt am Rhein. Die tat sich schwer mit ihrer Geschichte. Je später, je mehr. Erst kamen die Römer, dann lange nichts, dann die Kurfürsten. Sie brachten Bonn prunkvolle Paläste. Dann die Preußen. Sie brachten der Stadt die Uni. Dann kamen die Weltkriege, dazwischen und danach Kanadier, Briten, Franzosen. Ja – und dann kam der Bund. Die kleine Stadt am Rhein wurde Bundeshauptstadt. Provisorisch. Groß geschrieben.

Weshalb es so kam, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Gab Konrad Adenauer, der Kölner mit Haus in Rhöndorf, den Ausschlag? Entschieden die Bonner Organisatoren, die die Stadt perfekt vorbereiteten, das Rennen gegen Frankfurt – wo der OB schon eine Dankesrede aufgenommen hatte?

Jedenfalls: Die damaligen Bonner trauten sich was und sie schufen etwas: In die Villa des Textilmillionärs Rudolf Hammerschmidt zog der Bundespräsident, nachdem zuvor im Haus des Zuckerfabrikanten Leopold Koenig – das er seinem Sohn Alexander zu Hochzeit und Promotion schenkte – der Parlamentarische Rat getagt hatte. Und Konrad Adenauer zog gegenüber ins Palais des Prinzen Adolf zu Schaumburg-Lippe.

Der kurze Abriss zeigt: Wenn eines in Bonn beständig war, dann war es der Wandel. Man wurde als Bundesdorf verspottet und trieb gleichzeitig die Entwicklung zügig voran. Aus dem Provisorium wurde Ende der 1960er/Anfang der 1970er immer mehr eine in Beton gegossene Hauptstadt. Mit neuen Ministeriumsbauten zwischen liebevoll gepflegtem Understatement: etwa der SPD-„Baracke“. Von Hauptstadtprunk war jedenfalls nichts zu sehen. Das sollte so bleiben. Kommunale Neuordnung, neue Rheinbrücken, Bundesgartenschau und U-Bahn-Bau. Die Stadt wandelte und wandelte sich. Und er bekam ihr gut – dieser Wandel.

Bonner mussten mit Verlust leben

Bis 1989. Bonn feierte 2000 Jahre und Berlin den Mauerfall. Und plötzlich sollte alles schon wieder anders werden am Rhein? Der Bonner konnte es nicht fassen. Ja, natürlich, er wusste: Bonn hatte vier Jahrzehnte stellvertretend für Berlin gehandelt. Gemäß dem Bundestagsbeschluss von 1949, nach dem die „leitenden Bundesorgane“ ihren Sitz nach Berlin verlegen würden, wenn die Stadt frei sein würde. Aber daran geglaubt hatte man eben nicht. Nicht an die Einheit, nicht an den Verlust.

Die Bonner packten wieder an. Wie vor 40 Jahren. Sie planten vom Alten Rathaus aus das nächste neue Bonn: das internationale Bonn. Und es wurde wieder eine Erfolgsgeschichte: Bonn ist heute die UN-Stadt Deutschlands (und niemand rüttelt dran), das zweite bundespolitische Zentrum (und niemand stellt es infrage) und eine Boomtown, was die Arbeitsplätze angeht. Davon gibt es im alten Regierungsviertel heute mehr als damals. Aber irgendwie war dennoch der Wurm drin. Das WCCB ist dafür das Beispiel – aber heute wenigstens fertig. Was man von Hauptbahnhof und Beethovenhalle, Münster und Universität, von Festspielhaus und Hallenbad schon gar nicht sagen kann. Kurzum: Bonn gelingt derzeit nicht mehr viel.

Millionen über Millionen flossen in die Stadt am Rhein. Der Bund schickte neue Bundesbehörden, um der jungen Bundesstadt den Verlust des „Hauptes“ erträglich zu machen. Bis heute. Zugegeben: Die Ministerialbeamten entschwanden – anders als das Gesetz es vorsieht – in Scharen nach Berlin. Aber einen Wortbruch – das Gegenteil des Mantras von „Wort halten“ – kann man dem Bund alles in allem nicht vorwerfen.

Und so wird das auch sein, wenn zusätzlich zum Berlin/Bonn-Gesetz demnächst ein Bonn-Vertrag ausgehandelt ist – mit neuen Millionen für Bonn, und ja: mit weniger Ministerialen in der Stadt. Der Bund steht zu Bonn – trotz manch konkreter Enttäuschung. Die Stadt muss allerdings sehen, dass sie selbst wieder mehr auf die Reihe bekommt. Siehe oben.

„Denk ich an Bo-onn in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht?“ Heinrich Heines abgewandeltes Wort hat gewiss keine Gültigkeit. Hoffentlich auch nicht dies: „Und wenn sie nicht zufrieden sind, dann jammern sie noch heut.“

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