Zeitgeschichte 45.000 Flugblätter, 65.000 Plakate und 150.000 Fotos

Bonn · Die Friedrich-Ebert-Stiftung baut in Bonn ein neues Zwischenarchiv auf. Dort werden Bestände gelagert, die noch nicht erfasst sind.

Bald wissen sie nicht mehr, wohin damit. 53 Kilometer Akten über die Sozialdemokratie, die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, Europa und Nordamerika hat die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) gesammelt. Dazu gehören unter anderem 45.000 Flugblätter, 65.000 Plakate und schätzungsweise 150.000 Fotos. „Und jedes Jahr kommt viel Neues dazu, das dann katalogisiert werden muss“, sagt FES-Geschäftsführer Roland Schmidt. Das Archiv der sozialen Demokratie in Bonn ist eines der größten seiner Art weltweit und eine wichtige Forschungsstätte zur deutschen Sozial- und Zeitgeschichte.

Um der stetig wachsenden Bestände zumindest mittelfristig Herr zu werden, hat sich die Stiftung zu einem deutlichen Schritt entschieden. Nachdem 2009 die beiden großen Abteilungen für internationale Bildungsarbeit nach Berlin gewechselt sind, wird seit Mitte März bis voraussichtlich Oktober der frei gewordene Mittelteil der Stiftungszentrale an der Godesberger Allee zum Zwischenarchiv umgebaut. „Dort werden wir alle Bestände unterbringen, die noch nicht erfasst worden sind“, erklärt Schmidt. Endgültig werden sie dann wie die übrigen Archivalien unterirdisch eingelagert. So hofft Schmidt, zumindest bis um das Jahr 2025 mit dem Platz hinzukommen. „Danach müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.“

Zu den Archivalien gehören dabei keineswegs nur Akten und Unterlagen der SPD und ihrer Vorläuferparteien. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG Metall oder die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) haben Teile ihrer Aktenbestände an das Archiv übergeben. Als Tarifgedächtnis müssen vor allem die Tarifverträge früherer Jahrzehnte jederzeit abrufbar sein.

Dazu kommen Unterlagen etwa der Friedensbewegung oder des Sozialistischen Studentenbundes (SDS). Ein eigenes Referat beschäftigt sich mit den Nachlässen wichtiger Persönlichkeiten vor allem aus dem 20. Jahrhundert. In Bonn lagern die persönlichen Aufzeichnungen von Willy Brandt, Gustav Heinemann, Helmut Schmidt, Herbert Wehner und Hans-Jochen Vogel. Diese Praxis ist umstritten. Das Bundesarchiv in Berlin erhebt Anspruch auf „regierungsamtliche Unterlagen“.

Zuletzt forderte die Behörde vergangenen Sommer die Herausgabe entsprechender Unterlagen aus dem Nachlass von Helmut Kohl. Dessen Witwe Maike Kohl-Richter kündigte indessen die Gründung einer eigenen Stiftung zum Erhalt der 400 Aktenordner an. „Die Grenze zwischen amtlichen Akten und privaten Notizen ist naturgemäß fließend“, erklärt Historiker Meik Woyke, der das Archiv-Referat Public History leitet. Jedenfalls seien sämtliche Akten in Bonn für Forschungs- und Bildungszwecke frei zugänglich.

Bei Interesse können Bestände montags bis donnerstags von 9 bis 17 und freitags von 9 bis 16 Uhr im Lesesaal des Archivs eingesehen werden. Auch die benachbarte Präsenzbibliothek mit rund 750.000 Bänden ist öffentlich. Kontakt mit einer E-Mail an archiv.auskunft@fes.de und unter 0228/8839046.

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