Mit 34 Messerstichen getötet 32-jähriger Angeklagter nach Blutbad in Euskirchen schuldunfähig

Bonn/Euskirchen · Den kleinen Sohn retten, das war seine Mission. Deswegen war der Vater am 27. Februar 2017 mit dem Zug von Aachen, wo er damals lebte, eigens nach Euskirchen gefahren. Die Begegnung mit der Mutter und ihrem neuen Freund endet in einem Blutbad.

Der Angeklagte wollte mal nach dem Rechten sehen: Denn der achtjährige Jakob (Name geändert), so glaubte der 32-Jährige, werde von seiner Mutter, aber auch von ihrem neuen Freund misshandelt, vergewaltigt. Also klingelte er bei seiner Ex-Freundin in einem Mehrfamilienhaus in Euskirchen. Beim ersten Mal verließ er die Wohnung bald wieder. Als er am späten Abend wiederkehrte, endete die Begegnung mit einem furchtbaren Blutbad. Mit 34 Messerstichen tötete Jakobs Vater die 33-Jährige Mutter des gemeinsamen Kindes, auch ihren neuen Freund, der den Angriff abwehren wollte, attackierte er mit 13 Messerstichen. In der Nacht noch starb Jakobs Mutter, der Freund überlebte die schweren Verletzungen. Es war, so hieß es am Donnerstag im Urteil, "ein Gemetzel".

Dennoch hat das Bonner Schwurgericht den 32-jährigen Täter vom Vorwurf des Totschlags und versuchten Totschlags freigesprochen. Wegen Schuldunfähigkeit. Alles was der Angeklagte getan habe, so der Kammervorsitzende Josef Janßen in der Begründung, sei Ausdruck seiner Wahnwelt gewesen. Denn nichts von dem stimmte, was ihm seine krankhafte Wahrnehmung suggeriert hatte: dass Jakob geschlagen und missbraucht wurde, auch nicht, dass er selbst von seinen Opfern zuvor verfolgt, bedroht und sogar vergewaltigt wurde.

Ein psychiatrischer Gutachter hatte bestätigt, dass der Angeklagte seit Langem schon unter einer krankhaften seelischen Störung leidet. "Alle Symptome einer Psychose haben wir hier live erlebt", so Janßen. Deswegen hat die Kammer darüber hinaus die Unterbringung des 32-Jährigen in eine Psychiatrische Klinik angeordnet. Bis der Mann seine Krankheit im Griff hat, werde er die Klinik nicht verlassen dürfen.

Der Freispruch, so ahnte am Donnerstag Kammervorsitzender Janßen, werde Wellen schlagen. "In den sozialen Medien wird es sicher rumoren." Denn die Nebenkläger - der schwer verletzte Freund und die Mutter der Getöteten - sind davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Gericht nur etwas vorgespielt hat. Auch dass er die Tat minutiös geplant, heimtücksch umgesetzt und dabei besonders grausam vorgegangen sei. Jedenfalls hatten die Anwälte der Nebenklage in ihren Plädoyers überraschend wegen Mordes und Mordversuchs eine lebenslange Haft gefordert. "Aber Mord", so Janßen deutlich, "ist das - im rechtlichem Sinne - weit und breit nicht. Das mag den Leuten nicht gefallen, aber das ist das Gesetz."

Im Publikum - vor allem bei den Angehörigen der Opfer - hatte es während des gesamten Prozesses immer wieder rumort, weil so ein Mann - Türke, Drogensüchtiger, Straftäter, Mörder - kein lebenslang bekommt. Aber Janßen hielt mit deutlicher Schärfe dagegen: "Nicht an Stammtischen und in sozialen Medien wird entschieden, was Recht ist." Sondern von Berufs- und Schöffenrichtern, die sich an den Gesetzen entlanghangeln - und danach urteilen, was wirklich passiert ist.

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