Traditionsgeschäfte in Bonn 1877 waren die Schuhe weniger bequem - Schuhhaus Schwaeppe

BONN · Die moderne Fassade und die geschwungene Schaufensterfront weisen das Schuhhaus Schwaeppe an der Sternstraße auf den ersten Blick nicht als Traditionsgeschäft aus. Doch seit 1877 ist es im Familienbesitz.

Die Tradition spiegelt sich beim Blick ins Archiv wider, in der jahrzehntelangen Erfahrung mit bequemen Schuhen und in der Art und Weise, wie das Unternehmen heute noch geführt wird.

Die kinderlose Urgroßtante Margaretha Schwaeppe hatte als "Ladengehülfin" bei Peter Brohl gearbeitet, der an der Sternstraße Mineralwasser und Schuhe verkaufte - eine auch für die damalige Zeit ungewöhnliche Kombination. 1877 übernahm sie für 2538 Taler das Schuh-Warenlager ihres Chefs und eröffnete ihren ersten Laden an der Sternstraße 53, direkt neben dem "Weißen Haus".

Senior Helmut Schwaeppe (86) hat die Firmengründerin als ganz kleines Kind noch erlebt. "Neben ihrem Sofa stand der Pappkarton mit meinem Spielzeug." Sein Sohn Harald Schwaeppe (55) und sein Neffe Heiner Schwaeppe (47) führen heute die Geschäfte. Neben dem Traditionsstandort Sternstraße, seit 1969 im Haus Nummer 29-31, gibt es seit 1951 die Filiale an der Alten Bahnhofstraße in Bad Godesberg. In Köln hat Schwaeppe 1997 das traditionsreiche Schuhhaus Jacobshagen an der Apostelkirche übernommen. Marion Schwaeppe leitet seit 25 Jahren die Filiale "Gut zu Fuß" am Bonner Dreieck.

Wegen verschiedener Ortswechsel ist die Tradition nicht an an ein konkretes Haus gebunden. Nach den Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs wurde das Schuhhaus am 9. Mai 1945 an der Bornheimer Straße, wo heute das Stadthaus steht, wiedereröffnet. In Ermangelung von Schuhen begann Maria Schwaeppe zunächst mit Fußpflege, zu ihren Kunden gehörte Theodor Heuss. "Unsere Großmutter hat in wirtschaftlich schwieriger Zeit für das Fundament gesorgt", sagt Harald Schwaeppe rückblickend.

Greifbar wird die Geschichte im heutigen Büro, wo Stühle und Fußhocker für die Schuhanprobe aus verschiedenen Dekaden stehen. Im Archiv liegt noch das kleine Büchlein, in dem Margaretha Schwaeppe genau die Beträge festgehalten hat, mit denen sie bis 1880 die übernommene Ware abgezahlt hat. Geschäftsbriefe wurden mit Kopiertinte geschrieben und auf Seidenpapier übertragen. Hiervon zeugt ein dickes Buch mit hauchfeinen Seiten. 1908 gab es im Betrieb die erste Schreibmaschine.

Ein echtes Schätzchen ist auch der Musterkoffer aus dem Jahr 1939 mit "orthopädischen Spitzenfabrikaten für 14,50 bis 18,50 Reichsmark". Die eleganten Damenschuhe und klassischen Schnürmodelle wären heute noch tragbar, gäbe es nicht nur Einzelexemplare Größe 37. Paarweise Schuhe für den rechten und linken Fuß kannte das Schusterhandwerk lange Zeit nicht. "Es gab gradleistige Schuhe, beide waren gleich. Wenn man die Absätze an der einen Seite abgelaufen hatte, wurden die Schuhe einfach getauscht", berichtet Helmut Schwaeppe. Männer wie Frauen trugen einfache Schnürschuhe, ein neues Paar "Sonntagsschuhe" gab es höchstens einmal im Jahr. 1890 warb Schwaeppe im General-Anzeiger für "Reformschuhe", die der Fußform angepasst waren.

Bequemlichkeit spielt heute bei Schwaeppe die Hauptrolle. Wer Probleme mit den Füßen hat oder Einlagen tragen muss, wird im Fachgeschäft fündig. Die Inhaber setzen auf dieses Spezialsegment und auf persönliche Beratung, um sich von Ketten und Onlineplattformen abzuheben. "Wir haben auch einen Generationswechsel bei der Kundschaft", sagt Heiner Schwaeppe. "Die Herausforderung in Familienunternehmen ist, sich solchen Veränderungen anzupassen", so Harald Schwaeppe. Der Rückzug der inhabergeführten Läden aus der Innenstadt sei nicht umkehrbar. "Letztlich entscheiden die Verbraucher über einen ganz langen Zeitraum, wie sich eine Stadt entwickelt."

Die Schwaeppes fühlen sich der Tradition der Vor-Generationen, die bis ins hohe Alter selbst täglich im Laden standen, verpflichtet. Für den 86-jährigen Helmut Schwaeppe ist die Bonner Innenstadt, die er nach wie vor schön findet, auch Heimat: "Das empfinde ich in der Sternstraße, auf dem Markt, am Rhein und am Hofgarten."

GA-Leser schreiben über Geschäfte in der Innenstadt:

"Ich habe vieles einfach vergessen, so zum Beispiel Fendel-Fix: Das war der feststehende Begriff für Wursteinkauf in der Stadt, später war es dann die Metzgerei Casserole in der Remigiusstraße. Oder Café Krimmling: Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wenn ich mit meinem Opa in der Stadt war, und nach dem absoluten Muss - einmal die Schaufenster bei Puppenkönig rauf und runter anschauen, wenn möglich durch die geheiligten Ladenräume wandeln - ging es dann anschließend in besagtes Café in der Poststraße. Puppenkönig war das Größte für uns Kinder damals und ich glaube der Laden hat auch heute noch etwas Magisches. Mein Vater hatte sein Lieblingsgeschäft auch in der Remigiusstraße: Most, das Pralinengeschäft (am Blumenmarkt) schlechthin. Dort hat er sich immer mit seinen besonderen Lieblingspralinen versorgt und zu Ostern die leckersten Ostereier gekauft." Bärbel Scharfstädt

"Als Teenie der 70er Jahre kann ich mich gut an Nanu Nana (Poststraße) erinnern. Nach der Schule zogen wir dorthin, um Kerzen zu kaufen. Nachmittags trafen wir uns zu unterhaltsamen Teerunden in den jeweiligen Jugendzimmern. Diesen Tee (bevorzugt exotische Früchtesorten!) erstanden wir im Teeladen (Kaiserpassage), direkt neben dem Hansa-Kino. Wenn meine Großmutter in der Stadt Besorgungen machte, dann führte das unweigerlich zu Kastenholz (gibt es Gott sei Dank heute noch). Diverse Haushaltssachen fand man bei "Haack Gebr. Bonn", früher Sternstraße 14-16. Direkt rechts neben dem Eingang wurden in kleinen Schubladen Schrauben und Nägel angeboten. Jahre später habe ich im Porzellangeschäft Haack Geschirr für meine erste Wohnung erworben. Wenn der Tag besonders enden sollte, dann ging man in den Wienerwald, Friedensplatz/Sterntorbrücke. An den Duft der Erfrischungstücher (Zitrone) erinnere ich mich heute noch." Patrizia Robaldo

"Da gab es eine Bude auf dem damaligen Römerplatz, das war Der kleine Laden von Herrn Bauer. In diesem Laden setzten mich meine Eltern ab, sobald ich lesen konnte. Während ich mich der Kinder- oder Jugendliteratur widmete, konnten meine Eltern ungestört einkaufen und mich anschließend wieder mit nach Hause nehmen. Leider wurde ich dort nie vergessen, so dass der Umfang der Lesestunde entsprechend dem kindlichen Lesetempo überschaubar blieb. Aber es führte sehr bald zu einem Abonnement der Zeitschrift "Buchfink" und war der Anfang meiner Begeisterung für Bücher und Zeitschriften, die ungebrochen ist." Horst Richels

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