Zeugenaussagen im Niklas-Prozess „Ich war total traumatisiert“

Bonn · Im Prozess um den Tod von Niklas Pöhler haben sein bester Freund und eine Freundin am Mittwoch als Tatzeugen ausgesagt. Sie erkannten die Täter wieder und schilderten dem Gericht ihre Erlebnisse in der verhängnisvollen Nacht.

Sie waren dabei in jener Nacht zum 7. Mai und mussten hilflos mit ansehen, wie ihr Freund Niklas so geschlagen wurde, dass er bewusstlos zusammenbrach und nicht mehr aufwachte. An diesem fünften Verhandlungstag vor dem Jugendschwurgericht sind Niklas' bester Freund und eine Freundin als Zeugen gefragt. Und es wird deutlich, wie sehr sie unter der Tat leiden.

Zum ersten Mal sehen die beiden Zeugen die jungen Männer leibhaftig wieder, von denen sie angegriffen wurden. Denn Niklas' Freund hat nicht den geringsten Zweifel: Walid S. ist es, der Niklas mit der Faust gegen die Schläfe schlug und dem Bewusstlosen anschließend gegen den Kopf trat. Auch Roman W. erkennt er wieder als den damals ganz in Weiß gekleideten Täter, der zuerst ihn schlug, dann auch ihrer Freundin und Begleiterin einen Faustschlag ins Gesicht verpasste.

Nach einem Blick zur Anklagebank, den er erst auf Bitte des Kammervorsitzenden Volker Kunkel wagt, ist er sicher – zu „100 Prozent“. Einem Bekannten, der bereits am vergangenen Prozesstag als Tatzeuge vor Gericht aussagte, hatte er vor einigen Tagen im Hinblick auf seinen eigenen Zeugenauftritt erklärt: „Meine größte Sorge ist, dass ich den Verstand verliere, wenn ich die beiden sehe.“

Doch er steht die Vernehmung, die vier Stunden dauert, durch. Und schildert, wie er, Niklas und die beiden Mädchen sich in der Nähe des Rondells von Niklas' Schwester nach einem schönen gemeinsamen Abend in der Rheinaue mit Rhein in Flammen verabschiedeten, um mit dem Zug zurück nach Bad Breisig zu fahren. Niklas' Schwester blieb zurück in Bad Godesberg, wo sie wohnte. Der Zeuge beschreibt, wie sie am Rondell die Gruppe Jugendlicher sitzen sahen und Niklas die Mädchen bat, außen herumzugehen, weil die Leute ihm nicht geheuer waren und er Anpöbeleien verhindern wollte. Genau die seien dann gekommen.

Erst sei er von Roman W. geschlagen worden, und, ja, er habe zurückgeschlagen. Und dann sei plötzlich Walid langsam auf Niklas zugegangen, der habe gefragt, was er wolle, und da habe Walid Niklas mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Niklas sei in sich zusammengesackt und reglos liegen geblieben. Er sei sofort zu seinem Freund geeilt, habe ihn hochnehmen wollen, doch da habe Walid noch einmal zugetreten, mit voller Wucht.

Und dann habe er gesehen, wie Roman W. auf sie zugestürmt kam, und er habe gedacht, der wolle auch noch auf sie los. Doch dann sei dieser mit den anderen geflüchtet. Wieder und wieder habe er Niklas angesprochen, sagt der Freund, doch der habe nicht mehr reagiert. Dann sei der Krankenwagen gekommen, Niklas sei in den Wagen gebracht worden, und der Notarzt habe gesagt, Niklas habe keinen Herzschlag mehr und müsse wiederbelebt werden. „Da war absolut Schluss, ich war total traumatisiert.“

Damit erklärt er auch auf die anschließenden bohrenden Fragen der Verteidigung, was in der Vernehmung bei der Polizei noch in derselben Nacht geschah: Als die Beamten ihm um die 700 Fotos von möglichen Tätern zeigte, erkannte er Walid S. nicht, obwohl dessen Foto mehrfach dabei war. „Ich war völlig neben mir“, sagte der Zeuge. Tags darauf wurde er erneut vernommen, da hatte er gerade erfahren, dass Niklas hirntot war. Von morgens bis abends saß er bei seinem Freund, bis er selbst zusammenbrach. Nach ihm tritt die damals von Roman W. geschlagene Freundin in den Zeugenstand und müht sich sichtlich um Fassung.

Doch nach einer innigen Umarmung mit Niklas' Mutter, die als Nebenklägerin am Prozess teilnimmt, bricht die 19-Jährige in Tränen aus. Sie fängt sich wieder, steht die Befragung durch das Gericht durch, schildert mit erstickter Stimme, jedoch präzise, was sie gesehen hat, was sie sicher weiß und was nicht. Und in einem Punkt ist sie ganz sicher: Roman W. war derjenige, der sie geschlagen hat. Sie hat ihn schon auf einem Foto bei der Polizei erkannt: Als sie es sah, begann sie zu zittern, notierten die Beamten damals. Walid S. erkennt sie nicht, sie habe ihn damals nicht richtig sehen können, erklärt sie.

Sie hält durch, bis Roman W.s Verteidiger ihr vermeintliche Widersprüche in ihren verschiedenen Aussagen vorhält und ihr zusetzt. Da bricht die 19-Jährige, die seit damals an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, weinend zusammen. Am Freitag wird die zweite Freundin aus der Tatnacht gehört.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort