Vortrag im Haus der Bildung „Das Smartphone fragmentiert den Alltag“

BONN · Alexander Markowetz sprach im Bonner Haus der Bildung darüber, wie portable Minicomputer unser Leben verändern. Facebook, Snapchat & Co. tragen laut des Wissenschaftlers dazu bei, dass die Konzentration immer wieder unterbrochen wird.

 Alexander Markowetz während seines Vortrages.

Alexander Markowetz während seines Vortrages.

Foto: Benjamin Westhoff

Um aus gegebenem Anlass mit einem englischen Fachterminus zu beginnen: Ich bin gerade im „Flow“. Und wenn der anhält, müsste ich, bis ich diesen Artikel zu Ende geschrieben habe, glücklich und zufrieden bleiben. Jedenfalls, wenn man dem Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi glaubt, der den Begriff in den 70er-Jahren für das beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit prägte.

Unser fragmentierter Alltag hingegen sei das glatte Gegenteil dieses „Flows“, postulierte Alexander Markowetz, ehemaliger Juniorprofessor für Informatik an der Uni Bonn und Autor eines Buches über digitalen Burn-out, am Dienstagabend in seinem Vortrag im großen Saal im Haus der Bildung.

Und das eingangs erwähnte Bild eines Journalisten, der nach Markowetz' Vortrag einen Artikel über ebendiesen verfassen wolle, verwendete der Wissenschaftler als Beispiel, wie zunehmende Unterbrechung durch moderne Kommunikationstechnik den Flow stören könne: „Im Schnitt alle 18 Minuten aktivieren Menschen ihr Smartphone und werden so aus ihrem Tun und Denken gerissen“, erläuterte Markowetz seinen Zuhörern.

App wird ein voller Erfolg

Den Anlass, sich tiefer mit der Thematik auseinanderzusetzen und sogar ein Buch darüber zu schreiben, habe der unerwartete Erfolg einer App gegeben, die er und sein Team im Jahr 2014 auf dem Universitätsserver veröffentlicht hatten: Das kleine Tool, mit dem die Wissenschaftler das Verhalten der Handynutzer erforschen wollten, sei innerhalb der ersten beiden Tage so oft heruntergeladen worden, dass der Server wegen der Nachfrage schnell in die Knie gegangen sei.

Und auch die Medien standen sofort mit Anfragen Schlange: „Obwohl wir als Uni wohl einen der unbedeutendsten Presseverteiler Deutschlands haben, waren wir noch am selben Abend in den Nachrichten von RTL II präsent, und in den nächsten Tagen meldete sich alle wichtigen Medien, um über unser Projekt zu berichten“, erinnerte er sich. Das habe ihm gezeigt, wie virulent das Thema offenkundig schon damals in der Bevölkerung gewesen sei.

„Zweieinhalb Stunden beschäftigen sich die Menschen in Deutschland im Schnitt mit ihrem Smartphone“, weiß Markowetz. Davon telefonierten sie ganze sieben Minuten. Das Wort Smartphone führe also in die Irre: Es handele sich um einen Kleincomputer, den man ab und an eben auch zum Telefonieren nutze. Neben Whatsapp stünden Facebook, Spiele, Snapchat oder Instagram ganz oben auf der Prioritätenliste der Nutzer: „Und zwar mit dem absolut überwiegenden Anteil“, so der Wissenschaftler. Das was er als „den ganzen Rest“ bezeichne, trage gerade noch mit zehn Prozent zur Nutzung bei. Und nicht das Gerät sei ein Problem, sondern unser Nutzungsverhalten: „Wir fragmentieren unseren Alltag selber“, so Markowetz abschließend.

Übrigens bin ich tatsächlich noch immer zufrieden: Nicht etwa bloß, weil ich den Artikel nun zu Ende geschrieben habe, sondern weil kein Klingeln oder Piepsen meines Handys meine Arbeit unterbrochen hat. Und vielleicht auch, weil ich immerhin soviel Selbstdisziplin aufgebracht habe, nicht von mir aus auf das Gerät zu schielen, um zu schauen, ob mir mal wieder jemand etwas mehr oder minder Wichtiges mitgeteilt hat.

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