Podiumsdiskussion Sozial-liberale Koalition der Europapolitiker

bonn · Trotz aller Krisen: Genscher und Gabriel werben in Bonn gleichermaßen begeistert und begeisternd für das europäische Projekt.

 Von links: Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, GA-Chefredakteur Andreas Tyrock und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Nicht im Bild: Universitätsrektor Jürgen Fohrmann.

Von links: Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, GA-Chefredakteur Andreas Tyrock und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Nicht im Bild: Universitätsrektor Jürgen Fohrmann.

Foto: Roland Kohls

Erst Allerheiligen hatten der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher und SPD-Chef Sigmar Gabriel gemeinsam an einer Veranstaltung in Berlin teilgenommen, am Montagabend dann trafen sie sich wieder: diesmal in Bonn bei einer Podiumsdiskussion der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP).

Alles nur reiner Zufall, beteuerten beide mit Blick auf mögliche Koalitions-Spekulationen, die Gabriel dann aber doch mit Wonne befeuerte: "Ich habe nichts dagegen, wenn das Gerücht entsteht." Genscher nickte leise.

Auch sonst herrschte verdächtige Einigkeit - obwohl das beim Thema des Abends, "Europas Demokratie im Wandel", so erstaunlich dann doch wieder nicht war. Denn Europa ist seit Jahrzehnten eine Konstante in der deutschen Außenpolitik, wenn man nicht gerade bayerischer Finanzminister ist. "Ein solches Griechenland-Mobbing hätte Helmut Kohl niemals zugelassen", stichelte Gabriel Richtung München. Genscher sekundierte, wenn auch feiner: "Jede Nation hat ihre Würde."

Gabriel sprach von einem "Fatalismusüberschuss", der die demokratische Weiterentwicklung Europas gefährde. "Geht das schief, dann verliert die Welt ein Vorbild für demokratische Organisation." Genscher ging noch einen Schritt weiter. Nicht nur Europa erlebe Umwälzungen historischen Ausmaßes. Wenn ein US-Präsident nach China fahre, dann besuche ein Kreditnehmer seinen Banker. Es handele sich nicht nur um eine Eurokrise, sondern um eine Weltfinanzkrise, die die Gewichte nachhaltig verschiebe.

Entscheidend sei, dass Europa mit einer Stimme spreche, so Genscher. Oder war es Gabriel? Auch hier gab es keine Dissonanzen. Im Gegenteil: Als Genscher in einem flammenden Plädoyer darauf hinwies, dass Europa die meisten Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen geholt habe, mehr als China und die USA zusammen ("Wir waren bei den Siegern"!), da applaudierten die gut 200 Zuhörer inklusive BAPP-Präsident Bodo Hombach heftig - und Gabriel geriet ins Schwärmen: "Diese Begeisterung brauchen wir jeden Tag, im Bundestag und anderswo."

Eine Begeisterung, die laut Bonns Universitätsrektor Jürgen Fohrmann auch Studenten und andere junge Leute wieder ein bisschen politisieren könnte: "Die sehen in den Vorzügen Europas nur Selbstverständlichkeiten, für die sie nicht kämpfen müssen."

Bei so viel Konsens ließ der Moderator, GA-Chefredakteur Andreas Tyrock, am Ende noch einmal die Ampel blinken: "Das war nicht der Beginn einer neuen Koalition", sagte er halb fragend, halb feststellend. Gabriels Antwort: "Das wissen wir erst später."

Also doch.

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