Selbst kleinste Schritte sind ein Riesenerfolg

Im Haus am Stadtwald können weitere acht schwerstpflegebedürftige junge Erwachsene ein Zuhause finden

Selbst kleinste Schritte sind ein Riesenerfolg
Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg-Schweinheim. Der junge Mann im Rollstuhl sitzt im Begegnungsraum des Hauses am Stadtwald. Pflegerin Anna Lena Schmitz drückt ihn im Vorbeigehen liebevoll am Arm. "Na, wie geht's, Maciej?"

Sein Junge habe vor einem Jahr nach einer völlig unerwarteten Hirnblutung, nach Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalt nur noch reglos dagelegen, kommt Maciejs Vater Lucjan Karolak gleich auf den Punkt. "Das war immer ein Prachtjunge, auf dem Weg zum Automobilkaufmann, Basketballspieler. Und dann das", seufzt der Vater und nimmt seinen 22-jährigen Sohn in den Arm.

Da rinnt auch Maciej eine Träne über die Wange. Und dann führt er, wie um es dem Vater zu beweisen, zitternd einen Trinkbecher an die Lippen. "Sehen Sie, das sind die kleinen Schritte, die Maciej hier geschafft hat. Das ist die Super-Entwicklung, die wir diesem Haus verdanken", erklärt der Vater. Plötzlich hält Maciej der Reporterin seinen Plüschhund hin und lächelt glücklich, als die ihn streichelt.

Haus am Stadtwald Das Haus am Stadtwald, Waldstraße 23, ist ein in der Region einzigartiges Versorgungszentrum für schwerstpflegebedürftige jüngere Erwachsene mit neurologischen Schäden bzw. im Wachkoma. Es vereint altersadäquat Betreuung, Pflege, Versorgung und Therapie unter einem Dach. Von den 40 stationären Plätzen sind derzeit 32 belegt. Auch Kurzzeit- und Tagespflegeangebote können gebucht werden - unter der Telefonnummer (02 28) 3 89 19 00 oder unter www.haus-am-stadtwald.de."Es hat sich uns das Herz umgedreht, als wir diesen Jungen aufnahmen", erklärt hernach Cornelia Klatt, die sich mit Bernd Kayser die Geschäftsführung des Hauses am Stadtwald teilt. Seit seiner Eröffnung im Dezember 2008 ist das Versorgungszentrum für schwerstpflegebedürftige jüngere Erwachsene in der Region einzigartig.

Andererseits müsse man den Lauf der Dinge hinnehmen und wolle auch den Menschen, die nicht einmal die Pupillen bewegen können, per Förderpflege eine Chance geben.

Wobei die meisten der bundesweit wohl 5000 Betroffenen zu Hause versorgt werden oder, letztlich sicher fehlplaziert, in Altenheimen unterschlüpfen. Nur rund 1500 jungen Schwerstpflegebedürftigen stehen bundesweit stationäre Plätze zur Verfügung.

Dabei ist der Bedarf sicher viel größer. Aber natürlich sei es ein Riesenschritt, wenn Eltern ihre eigenen Kinder hierher brächten, kennt Bernd Kayser, der jedem Interessierten in der Finanzierungsfrage hilft, die Bedenken. "Trotz allem gibt's in unserem Haus eine Fröhlichkeit." Etwa im hübsch eingerichteten Zimmer bei Veronika Doll.

"Lächeln ist mein zweiter Vorname. Ich bin hier längst zu Hause", erklärt die 32-jährige gelernte Bürokauffrau. Ihr Tag sei voll mit Therapie, aber auch mit Begegnungen mit netten Menschen und Arbeit im Heimbeirat, erzählt Doll. "Und wenn ich Zeit habe, dann schreibe ich an meinem Tiergeschichtenbuch weiter", sagt sie und zeigt auf ihren Computer.

Auf dem Gang wird sie von Zimmernachbar Jochen Milobenski begrüßt, der sich zum Plausch mit anderen getroffen hat und über sein neues Rollstuhlmodell schwärmt. "Fast Formel 1", lacht der Mann.

Andererseits gebe es im Haus natürlich immer Momente der Verzweiflung, wenn Bewohner sich in Depressionen flüchteten, sich nur noch einigelten, weiß Cornelia Klatt. Dann sei auch Klinikseelsorger Dietrich Jeltzsch gefordert. Oder der Ratschlag von Mitbewohner Oliver Lubbers. Der Mann hat trotz lebenslanger Behinderung Schule und Psychologiestudium gestemmt.

Den Wechsel von der elterlichen Pflege ins Haus am Stadtwald sieht auch er als goldrichtig an. Er könne so die Mutter, die ja älter werde, entlasten und gleichzeitig ein selbstbestimmtes Leben führen. Er teile sich seinen Tag individuell ein, aber benötige diesen Rückzugsraum für seine Studien.

"Ich brauche zwischendurch absolute Ruhe", zeigt er "das Zimmer mit dem schönsten Blick im Haus." Wenn Lubbers nämlich wieder Kraft getankt hat, dann arbeitet er vis-à-vis im Seniorenzentrum Kolfhaus als Ehrenamtlicher. Vier Tage die Woche jeweils vier Stunden im psychosozialen Dienst.

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