Rentner verprügelte Raucher - Opfer zeigt Verständnis

69-jähriger Ex-Soldat kommt mit Geldbuße davon

Bonn. An eine verkehrte Welt glaubten Polizisten am 5. Mai, als sie erkannten, was in der Bahn in Beuel wirklich vor sich gegangen war: Ein 69-jähriger Oberstabsfeldwebel a.D. war wütend auf einen rauchenden 21-jährigen Fahrgast mit dem Schirm losgegangen und hatte ihm auch noch ein Paar Fausthiebe ins Gesicht verpasst. Nun sitzt der Ex-Soldat wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Strafrichter und sieht nicht ein, dass er der Böse ist.

Er habe, so beteuert der bisher unbescholtene ehemalige Staatsdiener, an jenem Abend doch nur helfen wollen. Er sei mit seiner Frau und einem befreundeten Paar nach dem Besuch des Hunnenfestes in Sankt Augustin und dem Genuss einiger weniger Biere auf dem Heimweg in der Linie 66 Ohrenzeuge geworden, wie jemand gerufen habe: "Aber hier ist doch Rauchverbot."

Da habe er sich spontan zur Hilfe entschlossen, sei zu dem Raucher gegangen und habe couragiert gesagt: "Das stimmt." Doch der habe nur an seiner Zigarette gezogen, sich komisch bewegt, und da habe er seinen Schirm vor dem Raucher in den Boden gestemmt. Auf keinen Fall habe er mit dem Schirm zugeschlagen.

Erst als der Raucher den Schirm zertrümmert habe, habe er reflexartig zugeschlagen: "Das ging ratzfatz." Richter Frank Liegat verschlägt es fast die Sprache. Aber nur fast. "Machen Sie das öfter, dass Sie sich wie ein Hilfssheriff in Sachen einmischen, die Sie nichts angehen?" fragt er den Angeklagten. Der verneint vehement und erklärt beleidigt: "Beim nächsten Mal frage ich erst, bevor ich helfe." Da macht ihn der Richter darauf aufmerksam, dass Zivilcourage anders aussieht.

Der 69-Jährige bleibt auch dabei, dass er den Schirm nicht als Waffe benutzt hat, als ein Polizist als Zeuge klarstellt: Er sei mit seiner Kollegin im Streifenwagen nur auf das Geschehen in der neben ihnen fahrenden Bahn aufmerksam geworden, weil da jemand mit einem Gegenstand auf einen anderen einschlug. Deshalb hätten sie die Bahn angehalten und kaum glauben können, dass nicht der Junge, sondern der Ältere der Schläger war.

Dass der Angeklagte am Ende doch mit einem blauen Auge davonkommt, hat er seinem Opfer zu verdanken. Denn dem 21-Jährigen, der sich aufgrund damals genossenen Alkohols so richtig nicht erinnern kann, liegt nichts an einer Bestrafung. Ja, er äußert sogar Verständnis: "Er hatte ja Recht, man darf da ja auch nicht rauchen." Der Richter regt eine Verfahrenseinstellung an gegen 2 000 Euro Buße - 500 an die Staatskasse, 1 500 an die Hannah-Stiftung.

Nach längerem Sträuben - vor allem seine Frau ist empört, dass ihr Mann etwas falsch gemacht haben soll - nimmt der Soldat das "Sonderangebot", so der Richter, an.

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