Landgericht Bonn Prozess um ein "verschwundenes" Gebiss

BONN · Ein auf mysteriöse Weise verschwundenes Gebiss eines 77-Jährigen beschäftigt das Landgericht: Vor der 1. Zivilkammer hat der Mann die Stadt Bonn auf die Zahlung von Schadensersatz von gut 6000 Euro verklagt.

Für das Verschwinden der Zahnprothese macht der Kläger den städtischen Rettungsdienst verantwortlich, der ihn im Februar 2013 behandelt hatte. Damals hielt sich der 77-Jährige in der Wohnung seiner Ex-Frau auf, die ihn wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustands betreute.

Am 15. Februar 2013 erlitt der Mann plötzlich einen Schwächeanfall. Daher rief die 74-Jährige den Rettungsdienst, und Rettungsassistenten brachten den Patienten ins Krankenhaus. Als die Frau ihren Ex-Mann am nächsten Tag besuchte, war ihr Schrecken groß: Der 77-Jährige trug nicht nur ein Krankenhaushemd, sondern auch sein Gebiss war verschwunden. Im Zeugenstand berichtete die Rentnerin, dass sie einem der Rettungsassistenten eine Tüte mit Wechselkleidung und dem in einer kleinen Tasche verpackten Gebiss überreicht habe.

"Ich habe ihm die Tüte in die Hand gegeben", war sich die Zeugin ganz sicher. Auf der Suche nach der verschwundenen Tüte hätten sowohl eine Krankenschwester als auch sie selbst mit dem Rettungsdienst telefoniert. Dabei sei mitgeteilt worden, dass die Tüte in einer Ecke neben dem Aufzug im Erdgeschoss des Wohnhauses stehen gelassen worden sei, so die Zeugin.

Tatsächlich sei die Tüte einige Zeit später bei einem Nachbarn aufgetaucht. Der habe sie der 74-Jährigen auch übergeben - allerdings waren nur noch die Kleidungsstücke drin. Daher musste sich der Kläger ein neues Gebiss machen lassen. Von einer Annahme der Tüte wollen die Rettungsassistenten nun allerdings nichts mehr wissen.

Der 25-Jährige, dem die Rentnerin die Tüte in die Hand gedrückt haben will, war sich nach eigenen Angaben "relativ sicher", dass er nichts entgegengenommen habe. Sein Kollege war vorrangig mit der Betreuung des Patienten befasst und erinnerte sich daran, dass er zu Beginn der Behandlung gefragt worden sei, ob er "persönliche Gegenstände" mitnehmen könne. Dies habe er zu diesem Zeitpunkt jedoch mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass er sich erst einmal um den Patienten kümmern müsse.

Die Richter kamen nach der Vernehmung der Zeugen zu dem Schluss, dass die Schilderung der Ex-Frau des nicht persönlich vor Gericht erschienenen Klägers "sehr stimmig, plausibel und nachvollziehbar" war. Dass hingegen bei den Rettungsassistenten "Erinnerungslücken" bestehen, sei ebenfalls nachvollziehbar, da deren Fokus im Einsatz nicht auf der Tüte gelegen habe. Daher schlug die Kammer den Abschluss eines Vergleichs vor. Demnach solle die Stadt 4800 Euro an den Kläger zahlen. Die Parteien haben nun vier Wochen Zeit, um darüber nachzudenken, ob sie dem Vorschlag zustimmen oder nicht.

AZ: LG Bonn 1 O 361/13

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