Zusammenhang zwischen Wetter und Gemüt Professor Thomas Schläpfer: Sonne setzt Glückshormon frei

Die Pflanzenwelt bereitet sich seit Wochen auf den Frühling vor. Krokus, Bittermandel und Schneeglöckchen blühen bereits in den Botanischen Gärten. Bei den Bonnern kommt erst langsam die Vorfreude auf die kommenden warmen Tage, der "Winterblues" steckt ihnen aber noch tief in den Knochen. Was das Wetter mit den Menschen macht, erklärt Professor Dr. Thomas Schläpfer im Gespräch mit Nicolas Ottersbach.

Herr Professor Doktor Schläpfer, wie wirkt sich das diesige Winterwetter auf das Gemüt der Menschen aus?
Schläpfer: Zunächst einmal muss man sagen, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt. Der Mensch ist während der Evolution unglaublich anpassungsfähig geworden und so auch für längere Dunkelperioden gewappnet. Aber wie die Tiere haben wir eine Art Winterruhe. Der Körper fährt herunter, speichert Kalorien und wir ziehen uns zurück. Das ist ein uraltes Verhalten, dass wir so schnell nicht ablegen können.

Also gibt es so etwas wie einen "Winterblues" gar nicht?
Schläpfer: Doch, den gibt es. Ich würde es aber eher als natürliche Melancholie bezeichnen. Jedoch klagen ganz viele, dass es keine Sonne gibt - daraus resultiert dann das Unwohlsein.

Macht uns denn der fehlende Sonnenschein nichts aus?
Schläpfer: Die wärmenden Sonnenstrahlen setzen bei uns Serotonin frei, das Glückshormon. Diese biochemischen Reaktionen im Körper machen uns aktiv. Wenn dann die Sonne fehlt, obwohl sie schon längst da sein sollte, merken wir das natürlich. Die Temperatur spielt da eher eine untergeordnete Rolle.

Sind die Engländer deshalb immer schlecht gelaunt?
Schläpfer: Verallgemeinerungen sind immer gefährlich. Auch auf der Insel gibt es gut gelaunte Menschen. Tatsächlich ist es aber so, dass je weiter man vom Äquator entfernt lebt, also weniger Sonne abbekommt, die Depressionen in der Bevölkerung zunehmen. Jedoch sind die Unterschiede so minimal, dass sie kaum der Rede wert sind. Jedes Individuum passt sich an seine Umgebung an. Die Engländer können mit den vielen Wolken gut leben.

Wir anscheinend nicht. Wie kriegen wir unsere Melancholie in den Griff?
Schläpfer: Unternehmen Sie etwas, wenn sie in ein Gefühlsloch fallen. Rausgehen an die frische Luft, mit Freunden weggehen, Sport treiben oder verreisen. Es muss nicht immer warm sein, auch ein Skiurlaub tut gut. Ich fahre oft in die Schweiz, beruflich komme ich auch mal nach Florida. Da ist der Unterschied zu unserem Wetter recht groß. Kurz gesagt: Alles ist besser, als zu Hause in der molligen Wohnhöhle zu bleiben.

Und wenn man partout nicht weg will?
Schläpfer: Schokolade essen. Im Kakao sind Theobromine enthalten, die opiatähnlich stimmungsaufhellend wirken. In schweren Fällen hilft auch eine Lichttherapie, bei der man sich jeden morgen für eine halbe Stunde einer speziellen Lampe aussetzt.

Muss man denn wirklich so dagegen ankämpfen?
Schläpfer: Ganz und gar nicht. Ich kann beispielsweise jeder Jahreszeit etwas Positives abgewinnen. Auch dem Winter: Unser Körper kann zur Ruhe kommen und sich regenerieren. Es ist ganz wichtig, dass wir uns diese Melancholie und Zeit zum Nachdenken gönnen. Kleine Durchhänger sollten wir aushalten und darauf achten, was sie uns über uns selbst sagen.

Zur Person:
Professor Dr. Thomas Schläpfer (54) ist stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik. Nach Stationen in der Schweiz und den USA kam der gebürtige Berner vor zehn Jahren nach Bonn.

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