Rückenschmerzen Patientenforum des Universitätsklinikums Bonn

Bonn · Die tragende Säule. Beim Patientenforum des Universitätsklinikums Bonn am Donnerstag, 21. März geht es um eine Volkskrankheit: Rückenschmerzen.

Ich hab' Rücken! Der Spruch von Horst Schlämmer, dem journalistischen Alter Ego von Hape Kerkeling ( "Immer janz discht dran und knallhart nachjefracht"), ist Kult und trifft genau den Kern. Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nummer eins. Statistiken gibt es viele dazu. Eine besagt, dass jeder Deutsche einmal im Leben wegen starker Kreuzschmerzen zum Arzt geht.

Die Apotheken-Umschau hat im vergangenen Jahr eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben und herausgefunden, dass zwei Drittel der Bevölkerung 2012 zumindest einmal von entsprechenden Schmerzen geplagt (65,2 Prozent) wurden. Fast jeder Zehnte (9,5 Prozent) hat dabei Dauerbeschwerden und leidet unter chronischen Problemen.

Rückenschmerzen dürfen nicht verharmlost werden - schon aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht: Sie bedingen die größte Anzahl von vorzeitigen Verrentungen durch die Rentenversicherungen und sind eine der Hauptursachen für Krankschreibungen in der Bundesrepublik. Gleichzeitig registrierte die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) auf ihrem Kongress im vergangenen Jahr in Berlin, dass die Anzahl an Bandscheibenoperationen in Deutschland innerhalb von fünf Jahren um 43 Prozent gestiegen sei.

Doch ist eine Operation auch immer sinnvoll? Wie geht man richtig mit dem Rückenschmerz um? Genau darum geht es beim nächsten Patientenkolloquium "Uni-Medizin für Sie - Mitten im Leben", zu dem das Universitätsklinikum Bonn regelmäßig einlädt. Unter dem Motto "Geben Sie Ihrem Rücken die richtige Deckung" gibt es Vorträge über Ursachen von Rückenschmerzen und deren Therapiemöglichkeiten - sowohl konservativ als auch operativ.

Patientenkolloquium "Uni-Medizin für Sie - Mitten im Leben"

Die öffentliche Veranstaltung findet am Donnerstag, 21. März, ab 18 Uhr im Hörsaal des Biomedizinischen Zentrums (BMZ), Sigmund-Freud-Straße 25, auf dem Venusberg statt. Aus ihrer Praxis referieren Professor Dieter C. Wirtz, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Bonn, und der niedergelassene Bonner Orthopäde Dr. Jürgen Römer, dessen Praxis in Bad Godesberg den Schwerpunkt auf konservative Orthopädie und Sportmedizin legt. Nach ihren Vorträgen stehen sie und andere Ärzte des Uniklinikums wieder für Fragen zur Verfügung.

"Die rote Flagge geht definitiv dann hoch, wenn etwa die Blasen- und Mastdarmfunktion gestört ist oder hochgradige Lähmungen in den Beinen auftreten oder aber ein Verdacht auf eine Infektion an der Wirbelsäule besteht. Richtig ist auch der Ausschluss anderer schwerwiegender orthopädischer Erkrankungen, wie etwa Tumorbildungen, dann überweise ich einen Patienten natürlich schnell in die Uniklinik", so Römer. "Und auch dann kommt der Patient bei uns ja nicht gleich auf den OP-Tisch - es sei denn, die Symptome sind so eindeutig, dass ein schneller Eingriff vonnöten ist", erklärt Klinikdirektor Wirtz.

Aber der Regelfall ist ein anderer - wenn man überhaupt vom Regelfall sprechen kann. "Der Rückenschmerz ist ein sehr individueller", so Wirtz. Es gebe Fälle, bei denen der Patient geradezu angstbelastete Schmerzen habe, aber praktisch kein medizinischer Befund vorliege. Und dann wiederum Patienten, die jahrelang mit einem Bandscheibenvorfall lebten - und das praktisch schmerzfrei.

"Rückenschmerzen können viele Ursachen auf körperlicher und psychischer Ebene haben", ist auch Römers Erfahrung. Häufig handele es sich um die Kombination von mehreren Ursachen: Überlastung des Rückens, schlechte Statik, Bewegungsmangel. Nicht selten fehle es an stabilisierender Rückenmuskulatur, weil zu wenig Sport betrieben werde.

Oder es liege an ungünstigen Arbeitsbedingungen. Da helfe manchmal sogar einfach mal ein besserer Bürostuhl, oder die Höhe des Schreibtisches müsse der Körpergröße und Körperhaltung angepasst werden. Schmerzursachen könnten aber auch vorzeitiger Verschleiß von Bandscheiben mit Vorwölbungen und Vorfällen sowie Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke sein, oder schlicht Übergewicht.

Und was den beiden Medizinern auch immer mehr auffällt: die wachsende Zahl von Osteoporosefällen. Etwa sieben Millionen Deutsche leiden unter Osteoporose, ein Viertel davon Frauen, hat der Berufsverband der Orthopäden festgestellt. Insbesondere im Alter nimmt die Erkrankungshäufigkeit zu. Osteoporose, wegen der Abnahme der Knochendichte auch Knochenschwund genannt, ist die häufigste Stoffwechselerkrankung des menschlichen Stützapparates. Durch die allmähliche Abnahme der Knochendichte wird die Knochenstruktur instabil, und das Risiko für Knochenbrüche steigt. Die geriatrische Orthopädie wird aufgrund des demografischen Wandels immer wichtiger werden, sind sich Wirtz und Römer einig.

Auch hormonelle Umstellungen können bei Frauen beispielsweise zu starken Rückenschmerzen führen. Ein häufiger Grund für Rückenschmerzen bei älteren Menschen kann auch eine lumbale Spinalkanalstenose sein, also ein verengter Wirbelkanal auf Höhe der Lendenwirbelsäule. Die Enge entsteht, weil der Knochen am Wirbelkörper den Kanal überwuchert. Der Knochen drückt die Nervenstränge im Kanal, was bei den Betroffenen starke Rücken- und Beinschmerzen verursacht. Das kommt bei jedem fünften Patienten über 60 vor.

Muss es immer eine OP sein?

Bei dem Eingriff trägt der Orthopädische Chirurg das in den Kanal gewachsene knöcherne Material und die Bandstrukturen ab, befreit die Nerven so von dem Druck. "Bei einem 85-Jährigen hat man das vor zehn Jahren gar nicht mehr operiert", so Wirtz. "Aber heute ist das gar keine Frage mehr, denn der Patient will zu recht ja eine gewisse Lebensqualität haben. Außerdem lässt sich dieser Eingriff auch bei älteren Menschen mit einem vertretbaren Risiko durchführen."

Doch eine Spinalkanalstenose in seinem Anfangsstadium lasse sich in der Regel sehr gut konservativ, das heißt ohne Operation, behandeln. Mit physiotherapeutischen Übungen oder einem Korsett kann man die Wirbelsäule stabilisieren und entlasten.

Beschwerden lassen sich aber auch mit Wärmeanwendungen, Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten lindern. Erst wenn diese Maßnahmen überhaupt keine Besserung bringen, soll man über eine Operation nachdenken, so der Rat der Ärzte. Aber dennoch gelte es, einen operativen Eingriff nicht zu lange hinauszuzögern.

Dass eine OP an der Bandscheibe nötig ist, komme in seiner Praxis relativ selten vor, so Römer: "Von rund 7000 Patienten im Jahr, die wir in unserer Praxis behandeln, überweise ich zwei bis drei mit der Empfehlung für eine Operation in die Klinik." Doch dann hat der Orthopäde bei seinem Patienten auch schon alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft: von der gerätegestützten Trainingstherapie und Rehabilitation bis hin zum interventionellen Injektionsverfahren. Da wird CT-kontrolliert, also unter der Computertomographie, eine spezielle Injektionsnadel zielgenau im betroffenen Bereich der Wirbelsäule platziert, um entsprechende Medikamente lokal zu verabreichen.

"Wir verfolgen am Uniklinikum ein mehrstufiges Verfahren", erklärt Professor Wirtz. "Unsere Philosophie lautet: Erst wenn sich nach einer sehr differenzierten Betrachtung und interdisziplinären Anamnese eine OP als medizinisch richtig erweist, wird operiert." Am Bonner Uniklinikum heißt das in der Regel, dass der Patient erst eine Woche lang sehr gründlich untersucht und konservativ behandelt wird, bevor ein operativer Eingriff in Betracht gezogen wird.

Nach der Aufnahme eines Patienten, der bei den Fällen auf dem Venusberg oft eine sehr lange, von Schmerz geprägte Krankengeschichte hat, wird er auf Rücken- und Beinschmerzen hin untersucht. Dabei wird geprüft, ob Gefühlsstörungen oder Lähmungen vorliegen und wie weit diese Veränderungen fortgeschritten sind. "Wir bekommen ja, wie in vielen anderen medizinischen Fachabteilungen am Uniklinikum auch, häufig eher schwere Fälle", so Wirtz.

Im Jahr 2012 etwa wurden in seiner Klinik rund 900 Eingriffe an der Wirbelsäule, darunter etwa 80 spinale Dekompressionen, 190 Versteifungsoperationen und 120 Nukleotomien, also Entfernung hervorgetretener Bandscheibenanteile aus dem Rückenmarks- oder Spinalnervenkanal, vorgenommen. Zur Anamnese der Patienten gehört auch die Begutachtung von CT- oder MRT-Bildern, um zu klären, ob etwa ein Bandscheibenvorfall die Ursache dieser Beschwerden ist. Erst in einem dritten Schritt leitet der Arzt ein Therapiekonzept ab.

Ursachen lassen sich nicht immer klar eingrenzen

Die Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie arbeitet auch eng mit der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie zusammen. Was das Problem des Rückenschmerzes nämlich insgesamt schwierig macht, ist die Tatsache, dass sich die Ursache für das Krankheitsbild nicht immer klar eingrenzen lässt. Häufig ist es eine Ansammlung von Symptomen, die durch unterschiedliche Mechanismen hervorgerufen werden können.

In manchen Fällen handelt es um einen sogenannten nicht spezifischen Rückenschmerz. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht minder belastend ist, sondern weist lediglich darauf hin, dass ernsthafte körperliche Erkrankungen als medizinische Ursache ausgeschlossen sind.

In einem aktuellen Bericht über "Die großen Volkskrankheiten" weist der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen darauf hin: "Rückenschmerzen sind ein komplexes Phänomen, in das psychologische Faktoren eingebettet sind. Insbesondere chronische Schmerzen können durch kognitive Einflüsse, die emotionale Situation, das Verhalten der Betroffenen wie durch psychischen Distress im weitesten Sinn stark beeinflusst sein."

Dr. Römer bestätigt das: "Häufig nehmen wir als Orthopäden auch Rücksprache mit unseren Zuweisern und den Hausärzten, damit wir immer ein Gesamtbild des Patienten vor uns haben. Denn die ?Karriere? beginnt ja häufig nicht erst beim Rückenschmerz, und Orthopäden sind weit davon entfernt, gleich mit der Spritze auf den Patienten loszugehen."

Ein Teil seiner Arbeit bestehe auch darin, die Betroffenen über ihr Rückenleiden aufzuklären und ihnen konkrete Handlungsanweisungen für den Alltag zu geben, wie sie beispielsweise eine Last richtig heben, so Römer, der auch studierter Sportlehrer ist. "Die Menschen bewegen sich zu wenig und in der Arbeitswelt auch häufig falsch. Der Patient muss lernen, sich zukünftig rückengerechter zu verhalten. Er muss etwas für ihren Rücken tun."

Es reicht eben nicht, sechs Mal Krankengymnastik zu machen und dann wieder in alte Verhaltensmuster zu fallen. Letztlich muss man sein Training lebenslang durchhalten. Was würde Horst Schlämmer jetzt sagen? "Weißte Bescheid, Schätzelein!"

Termine: Patientenforum

Donnerstag, 21. März, 18 Uhr

  • "Geben Sie Ihrem Rücken die richtige Deckung - Wann und wie operativ?" Prof. Dr. Dieter C. Wirtz - Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie UKB
  • "Wann und wie konservativ?" Diplomsportlehrer Dr. med. Jürgen Römer - Facharzt für Orthopädie, Orthopädische Praxis Bonn-Bad Godesberg.

Donnerstag, 18. April, 18 Uhr

  • "Maßgeschneiderte Medizin - Personalisierte Krebstherapie. Wo sind wir, wo möchten wir sein" Professor Dr. Peter Brossart, Medizinische Klinik III (Onkologie) und Prof. Dr. Glen Kristiansen, Institut für Pathologie.

Veranstaltungsort:

Alle Vorträge finden auf dem Campus Venusberg des Universitätsklinikums Bonn im Gebäude "Biomedizinisches Zentrum" (Gebäude 344, gegenüber dem Notfallzentrum) statt.

Leser-Service:

Fragen, die beim Patientenkolloquium behandelt werden sollen, können auch vorab per E-Mail an den General-Anzeiger geschickt werden unter: uni@ga.de.

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