Paradies der Noblesse und Nostalgie

Ab und an lieben die Godesberger den Blick zurück und genießen Kurkonzerte und Botschaftstouren

 Mit Stuck, Balkon und großen Fenstern: Eine der bevorzugten Wohngegenden von Bad Godesberg ist das Villenviertel. Stattliche Gebäude und die Nähe zum Rhein ermöglichen ein angenehmes Wohnen in großbürgerlicher Atmosphäre.

Mit Stuck, Balkon und großen Fenstern: Eine der bevorzugten Wohngegenden von Bad Godesberg ist das Villenviertel. Stattliche Gebäude und die Nähe zum Rhein ermöglichen ein angenehmes Wohnen in großbürgerlicher Atmosphäre.

Foto: Rüdiger Franz

Bad Godesberg. Die Godesberger lieben ihren Ort. Auch wenn er sich mit den Jahren verändert hat - die Erinnerungen an alte Zeiten kann ihnen keiner nehmen. Christel Zachert zum Beispiel liebt diese Sonntage an der Rheinpromenade.

Familien spazieren am Ufer entlang, Radfahrer klingeln sie zur Seite. Am Anlegesteg ziehen die Ruderer vom Godesberger Wassersportverein ihre Boote an Land. Lastkähne schippern den Rhein auf und ab. In den Wellen glitzern die Sonnenstrahlen, ein lauer Wind weht vom Wasser her. Der Blick auf das Siebengebirge, auf den Petersberg und Burg Drachenfels: Was kann es Schöneres geben?

Fast jedes Wochenende geht Zachert hier spazieren, seit Jahren. 1968 zog die gebürtige Berlinerin das erste Mal nach Godesberg. Nach einem zehnjährigen Intermezzo in Wiesbaden, wo ihr Mann Präsident des Bundeskriminalamts war, zog die Familie 1996 zurück ins Godesberger Villenviertel. Christel Zachert bereut das bis heute nicht - obwohl sich einiges verändert hat, seit die Diplomaten und viele Beamten vom Rhein an die Spree gezogen sind.

Heute gibt es zum Beispiel mehr Kriminalität in Bad Godesberg. Aufgebrochene Autos, abgerissene Seitenspiegel, verkratzter Lack: Ein Fünftel aller Sachbeschädigungen, die die Beamten auf Bonner Straßen und Plätzen registrieren, finden in Bad Godesberg statt. 408 Fälle waren es allein in 2010, etwa 150 mehr als im Jahr zuvor. Zachert sagt: "Früher hat es so etwas nicht gegeben."

Früher - für die Godesberger steckt dieses Wort voller Nostalgie. Ob früher vor dem Umzug der Diplomaten nach Berlin, oder früher vor der Eingemeindung, oder gar früher, als Kurgäste aus ganz Europa hierher strömten. Der Ort unterhalb der Godesburg steckt voller Geschichte - und dafür lieben ihn seine Bewohner.

Das zeigt schon ein simples Experiment. Wer in das Suchfeld bei Google "Bad Godesberg" eingibt, findet allein unter den ersten fünf Treffern zwei Internetseiten, die von Hobby-Historikern betrieben werden. Thomas von Pfetten-Arnbach beschreibt auf www.godesberg.de alle Viertel und ihre Geschichte. Auf www.bad-godesberg.info weist Walter Voigt auf Veranstaltungen hin. Veranstaltungen, die oft selbst mit der Geschichte des Ortes zu tun haben.

Zum Beispiel die Kurkonzerte. Schon zu Zeiten von Kurfürst Max Franz spielte mehrmals täglich ein Orchester für die Kurgesellschaft auf. Auch heute noch geben jeden Sonntagnachmittag im Sommer Blaskapellen und Musikvereine aus der Region auf der Stadthallen-Terrasse ihre Stücke zum Besten.

Bis zu 400 Besucher kommen zu den Konzerten. "Die wollen hier die Musik hören, mit der sie selbst groß geworden sind", sagt Gastgeber Thomas Weiermann. Auch aus dem Bonner Umland reisen die Leute an, um bei einem Stück Torte und einer Tasse Kaffee Musik zu hören.

Ähnlich nostalgisch geht es bei den Botschaftstouren zu. An den Wochenenden im Sommer führt Michael Wenzel durch das ehemalige Diplomatenviertel. Viele der alten Villen beherbergten früher Residenzen und Botschaften. Groß war die Angst, die Häuser könnten leer stehen, wenn alle Botschafter nach Berlin ziehen. Das Gegenteil war der Fall. "Das Viertel wurde richtig aufgewertet", sagt Wenzel.

Wer in Bonn etwas auf sich hält, zieht auch heute noch nach Bad Godesberg. Die Vorstände der Bonner DAX-Unternehmen trifft man hier auf der Straße, ebenso Politiker wie Wolfgang Clement oder Peer Steinbrück. Nach und nach finden auch die letzten Villen ihre Käufer. Botschaftstouren, Kurkonzerte, Hobby-Historiker: Die Bad Godesberger lieben den Blick zurück - jedenfalls ab und zu.

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