GA-Serie: Sicher leben Organisierte Autoknacker: Sie kommen nachts, wenn alle schlafen

Bonn · Organisierte Autoknacker haben es vor allem auf Airbags und Navigationsgeräte abgesehen. Sie schlagen meistenszwischen 1 und 4 Uhr in Wohngebieten zu. Die Unsicherheit in der Bevölkerung wächst. Sich zu schützen, ist sehr schwierig.

 Im Schutz der Dunkelheit machen sich Autoknacker an den Fahrzeugen zu schaffen. Organisierte Banden aus Osteuropa haben es hauptsächlich auf Airbags und Navigationsgeräte abgesehen.

Im Schutz der Dunkelheit machen sich Autoknacker an den Fahrzeugen zu schaffen. Organisierte Banden aus Osteuropa haben es hauptsächlich auf Airbags und Navigationsgeräte abgesehen.

Foto: dpa

Autoaufbrüche in Plittersdorf. Airbagdiebe in Brenig unterwegs. Navigationsgeräte aus mehreren Wagen in Bonn gestohlen. Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen und Monate zeigen es: Immer wieder schlagen Diebe in Bonn und der Region zu und räumen Autos leer. Laut Polizei sind Airbags und Navis die Beute, auf die es die Täter hauptsächlich abgesehen haben. Bevorzugt werden Mercedes und BMW aufgebrochen. Und das meistens in Wohngebieten.

"Zurzeit haben wir zwei große Themenbereiche", sagt Dirk Schlobinski, der im Kriminalkommissariat 35 unter der Leitung von Peter Linden gegen die Autoknacker vorgeht. Zum einen sind da die Täter, die relativ ungeplant vorgehen. "Sie suchen nach der passenden Gelegenheit und schlagen dann zu", erklärt der 52-Jährige. Wo und wann sie unterwegs sind, können die Beamten nicht vorhersagen. Auch auf bestimmte Marken sind sie nicht festgelegt.

Allerdings weiß man, welcher Tätertyp sich dahinter verbirgt: Meist sind es in Bonn ansässige Drogenabhängige, die sich durch den Diebstahl ihre Sucht finanzieren. Je nachdem wie groß ihre Not ist, werden sie auch unvorsichtig und damit teilweise auf frischer Tat ertappt. Ihr Ziel sind lose Gegenstände, die in den Autos herumliegen. Handtaschen, Handys und Sporttaschen sind einige davon. Hauptsache, sie bekommen Bares oder können ihre Beute zu Geld machen. Deswegen ist vor allem eins wichtig: "Man sollte niemals, auch nicht nur kurz, seine Sachen im Auto liegen lassen", warnt Schlobinski. Das gilt für den Supermarktparkplatz genauso wie für den Stellplatz vor dem Kindergarten. "Es ist eine Sache von Sekunden - ein Schlag, ein Griff. Ein Auto ist nie ein sicheres Behältnis."

Inspektion am Tag, Autoaufbruch in der Nacht

Zum anderen gibt es die Profis. "Dabei handelt es sich zum größten Teil um internationale organisierte Kriminalität", sagt Schlobinski. Dies sei durch ein großes Verfahren in Essen dokumentiert, bei dem sechs Banden gesprengt worden sind (siehe Artikel unten). Aus Osteuropa - hauptsächlich aus Litauen - kommen junge Männer, die 20 Jahre oder jünger sind, nach Deutschland. Sie als Kriminelle zu identifizieren, ist fast unmöglich. "Es sind smarte Jungs, die einen höflichen Eindruck machen und ganz normal aussehen." Sie sind zu zweit oder dritt unterwegs, und zwar entweder zu Fuß oder mit Bus und Bahn, erläutert der Kriminalhauptkommissar die Vorgehensweise der Banden.

Tagsüber nehmen sie die potenziellen Objekte unter die Lupe, nachts kommen sie wieder und schlagen zu, meist in der dunklen Jahreszeit. Die Haupttatzeit liegt mittwochs, donnerstags und freitags zwischen 1 und 4 Uhr, wenn Opfer und Nachbarn im Bett liegen. Am Wochenende besteht nämlich die Gefahr, von spät heimkehrenden Partygästen überrascht zu werden.

Das Ziel der Banden: eingebaute Navigationsgeräte und die Airbags an der Fahrerseite. "Häufig begnügen sie sich mit dem Steuermodul der Navis. Ansonsten müssten sie die Mittelkonsole komplett ausbauen." So kommt es, dass auch die Bildschirme in den Autos bleiben. Die Autoknacker arbeiten schnell. Selbst wenn sie langsam sind, "dauert der eigentliche Diebstahl ungefähr zwei Minuten", sagt Schlobinski.

Vor Ort sind sie allerdings länger. Da sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen und somit Bus und Bahn auch für die Rückfahrt nutzen, verstecken sie ihr Diebesgut teilweise - zum Beispiel in Müllsäcke verpackt - im Gebüsch. "Teilweise holen sie es noch am selben Tag, teilweise aber auch später." Dass sie oft in Wohngebieten wie Rüngsdorf oder Limperich unterwegs sind, hat auch seine Gründe. Dort schlafen alle in der Nacht. Außerdem gibt es viele Autos der Top-Marken. "In einer Nacht liegt der Durchschnitt bei fünf Aufbrüchen", sagt Schlobinski.

Signifikanter Anstieg der Aufbrüche

Eine Tatsache, die die Sorge in der Bevölkerung wachsen lässt. "Die Beklemmung entsteht dadurch, dass auch die Nachbarn betroffen sind. Man fühlt sich in seinem Bereich nicht mehr sicher", sagt der 52-Jährige. Die Häufigkeit der Taten tut ihr übriges. So gab es in Hoholz und Holzlar einmal zehn Autoaufbrüche in einer Nacht. "Seit Anfang dieses Jahres haben wir im Fünf-Jahres-Vergleich einen signifikanten Anstieg beim Diebstahl von Navis und Airbags." Das sei aber ein bundesweites Phänomen. Auch wenn es schwierig ist, Täter zu erkennen, ist Aufmerksamkeit gefragt. Denn wenn Anwohnern nur irgendeine Kleinigkeit verdächtig vorkomme, sollten sie die Polizei informieren, sagt Schlobinski. Autokennzeichen sollten notiert, mögliche Täter beschrieben werden. "Es ist besser, einmal zu viel anzurufen."

Stelle sich eine Situation oder eine Person als harmlos heraus, habe das keine negativen Folgen für den Anrufer oder den Angesprochenen. Im Gegenteil: "Viele Leute sind froh, wenn sie merken, dass wir kontrollieren." Vor allem aber gilt: Wer einen Autoknacker inflagranti erwischt, soll ihn nicht ansprechen. Denn dann verschwindet er. "Besser ist es, die 110 zu wählen. Das steigert die Möglichkeit, ihn zu erwischen", so der Ermittler. Darüber hinaus sei es schwierig, sich vor Automardern zu schützen. Er rät, den Wagen an beleuchteten Stellen zu parken. Oder eine Lenkradkralle zu nutzen. "Der Markt für zusätzliche Sicherungen wird zurzeit erschlossen."

Zusammenfassend müsse man aber sagen, dass die Prävention schwierig sei. Betroffene würden häufig mehrfach zum Opfer der Banden. "Es ist leider so: Wenn man einen BMW oder Mercedes ohne zusätzliche Sicherung fährt und er draußen geparkt wird, muss man damit rechnen, dass er aufgebrochen wird", sagt Schlobinski.

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