Norbert Röttgen neuer CDU-Chef in NRW

Röttgen ist am Samstag im ehemaligen Plenarsaal in Bonn mit 92,5 Prozent der Delegiertenstimmen zum Nachfolger von Jürgen Rüttgers gewählt worden. Neuer Generalsekretär ist auf Vorschlag Röttgens Oliver Wittke, der mit 70,3 Prozent gewählt wurde.

Bonn. Norbert Röttgen weiß, was sich gehört. Also sitzt er an diesem Morgen im alten Plenarsaal in Bonn nicht in der ersten, sondern in der zweiten Reihe. Seine Wahl zum CDU-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen ist nur eine Formsache.

Aber Röttgen will sie ernst nehmen. Deshalb stellt er sich erst mal den Delegierten ausführlich vor. Denn er weiß: Der eine oder andere steht ihm reserviert gegenüber. Fast alle Bezirksfürsten haben für Armin Laschet votiert. Er wirbt mit Sätzen wie diesem: "Die Wahl findet heute statt." Er lobt die Befragung: "Da war Engagement, da war Veränderung." Und er warnt vor dem Verlust der Volksparteien, so wie ihn die SPD schon erlebe: "Hochmut kommt vor dem Fall."

Interview Lesen Sie dazu auch das Interview " Norbert Röttgen: "Unser Gewicht ist sicher nicht kleiner geworden" "Die Delegierten horchen auf. Der künftige Landesvorsitzende spricht von der Rente mit 67, von solider Finanzpolitik und neuen Energiekonzepten, attackiert pflichtgemäß Hannelore Kraft: "Politik ist nicht das Erringen von Ämtern, Politik hat eine dienende Funktion".

Irgendwie haben viele Röttgen-Sätze auch eine zweite Bedeutung, lassen sich auf ihn beziehen. Und weil er weiß, dass er "nur" Rheinländer ist, vergisst er am Ende seiner langen Rede nicht zu erwähnen, dass ihm ein Delegierter aus dem Sauerland einen Apfelbaum geschenkt habe und Karl-Josef Laumann, der Fraktionsvorsitzende, eine Eiche. Und beide stünden jetzt im heimischen Vorgarten in Stieldorf. Die Delegierten stehen auch, Applaus, Applaus. Der neue Vorsitzende hat überzeugt: 92,5 Prozent werden wenig später für ihn stimmen.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Ein Vorschuss - nicht mehr"Kurz vorher haben sie schon einmal gestanden: Als sie Jürgen Rüttgers nach dessen leiser Abschiedsrede applaudieren. Der scheidende Vorsitzende wünscht dem künftigen "viel Fortune", vor allem aber dankt er Andreas Krautscheid, dem scheidenden Generalsekretär. Ein "Vorbild an Loyalität" nennt er ihn und setzt hinzu: "Wenn alle so loyal gewesen wären, wären wir heute vielleicht woanders." Die Niederlage schmerzt noch immer.

Rüttgers spricht von der Krise der Parteien, dem wachsenden Nichtwählerstamm, den Werten, aus denen Politik sich herleiten müsse. Die Delegierten erheben sich, lang anhaltender Beifall. Die Parteizentrale hat eine Erfolgsvideo über ihren Chef gedreht - ein modernes Abschiedsgeschenk. Dann beginnt wie Rüttgers sagt, eine "neue Ära".

Noch nicht ganz. Erst erhält Angela Merkel das Wort. Die Kanzlerin lobt ihren Landesfürsten: "Jürgen, Du hast Historisches geleistet, für NRW, für die CDU, für Deutschland". Sein Sieg erst habe die Berliner Koalition möglich gemacht. Kein Wort zur Niederlage, kein Wort auch dazu, dass Rüttgers ihr einen gerüttelt Maß an Mitschuld zuweist: Ihr Misserfolg im ersten Jahr hat die Niederlage im Land erst ermöglicht. Auch Merkel lobt Krautscheid über den grünen Klee: "Lieber Andreas, die Partei weiß, was sie an Dir hat." Das klingt nicht nach Abschied.

Der so Gelobte, der gerade dabei ist, alle Parteiämter aufzugeben, revanchiert sich auf seine Art. Der Rechenschaftsbericht wird zum Abrechnungsbericht. Mit der Parteiführung zum Beispiel. Er habe "manche sehr einsame Tage in der Wasserstraße verbracht", berichtet er über die Monate in der Parteizentrale,: "Als so nach und nach aus der Wasserstraße die Unterwasserstraße wurde, uns die Brocken um die Ohren flogen, habe ich vom Landesvorstand so gut wie keinen bei uns gesehen." Der Rüffel sitzt. Auch Röttgen bekommt etwas ab: "Selbst wenn die Provinz nur Durchgangsstation sein sollte, muss man die Provinz lieben."

Und, Rüffel drei: "Wer in einem Ministerium, in der Staatskanzlei oder in der Partei schon mal durch Illoyalität oder Unseriosität aufgefallen ist, der hat keinen Platz in unserer Parteigeschäftsstelle."

Damit muss er seinen Nachfolger Oliver Wittke gemeint haben, der vom Parteitag gerade mal 70 Prozent der Stimmen erhält. Wittke, der Mann aus dem Ruhrgebiet, ist der einzige Bezirksfürst, der Röttgen unterstützt hat. Er hat, wie sein neuer Chef, kein Landtagsmandat - und er saß wie Christa Thoben, die zur Schatzmeisterin gewählt wird, und wie Armin Laschet, der Röttgen-Vize wird, im Kabinett Rüttgers. Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg, auch aus Rüttgers´ Kabinett, verweigern die Delegierten die Anerkennung: Er fällt bei der Vize-Wahl durch.

Die Delegierten werfen sich noch mit einem Rest an Energie auf die Beratungen einer neuen Schulpolitik, doch die soll noch in weiteren Konferenzen diskutiert werden. Wie sagte Norbert Röttgen, als er das Apfelbäumchen erwähnte? "Es wäre schön, wenn es bald Früchte zeigte." Eine Parallele zur Partei - an diesem Tag des Neubeginns.

Die neue CDU-SpitzeVorsitzender: Norbert Röttgen (92,5 Prozent)

Generalsekretär: Oliver Wittke (70,3 Prozent)
Schatzmeisterin: Christa Thoben (76,6 Prozent)

Stellvertretende Vorsitzende: Karl-Josef Laumann (77,9 Prozent), Armin Laschet (76,6), Michaela Noll (58,1), Sven Volmering (48,3) Ursula Heinen (47,4).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort