Neunjähriger verdurstete in Bad Münstereifel: Schwester und Mutter verurteilt

"Die Leiden des Jungen müssen massiv gewesen sein - Austrocknung ist ein schlimmer Tod." Der Vorsitzende Richter des Bonner Jugendschwurgerichts schilderte am Mittwoch in der Urteilsbegründung noch einmal im Detail das schreckliche Geschehen, das am Ostersonntag 2009 in Bad Münstereifel zum Tod des neunjährigen Justin geführt hatte.

Neunjähriger verdurstete in Bad Münstereifel: Schwester und Mutter verurteilt
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Bonn. "Die Leiden des Jungen müssen massiv gewesen sein - Austrocknung ist ein schlimmer Tod." Der Vorsitzende Richter des Bonner Jugendschwurgerichts schilderte am Mittwoch in der Urteilsbegründung noch einmal im Detail das schreckliche Geschehen, das am Ostersonntag 2009 in Bad Münstereifel zum Tod des neunjährigen Justin geführt hatte - und für das die Mutter und die älteste Schwester des geistig und körperlich behinderten Jungen nun verurteilt wurden.

Wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen erhielt die 35 Jahre alte Evelyn H. (Name geändert) eine zweijährige Bewährungsstrafe. Ihre heute 18 Jahre alte Tochter wurde wegen Aussetzung mit Todesfolge und Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von 22 Monaten verurteilt - ebenfalls auf Bewährung.

Laut Urteil fuhr die Mutter am 3. April 2009 mit einem zehnjährigen Sohn nach Spanien in Urlaub. Die Versorgung der restlichen vier Kinder, der Tiere und des Haushalts hätte das Au-Pair übernehmen sollen - eine Woche vor der Urlaubsfahrt war es jedoch zum Streit und der anschließenden Kündigung der Frau gekommen.

Der Ersatzplan sah vor, dass der Vater der sechsjährigen Tochter einspringt. Doch kurz nach dem Start der Busreise informierte der ehemalige Lebensgefährte die 35-Jährige telefonisch darüber, dass er in der Woche arbeiten müsse und deshalb nur am Wochenende aufpassen könne. Zu diesem Zeitpunkt hätte die esoterische Lebensberaterin "die Notbremse ziehen" und die Reise abbrechen müssen, so der Kammervorsitzende.

Stattdessen fuhr sie weiter nach Spanien und bekam bei ihren Anrufen von der damals 17-Jährigen stets zu hören, dass alles in Ordnung sei. In Wahrheit hatte sich die Jugendliche spätestens ab Mittwoch überhaupt nicht mehr um den in seinem Gitterbett liegenden Justin gekümmert.

Der Junge, dessen Entwicklungsstand einem etwa anderthalbjährigen Kind entsprach, erhielt weder Essen noch Trinken, auch wurden ihm die Windeln nicht gewechselt. Ein ab Gründonnerstag hinzugekommener Erwachsener - der damalige Lebensgefährte von Evelyn H., gegen den wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird - unternahm mit den Kindern Ausflüge und Grillabende. Währenddessen lag Justin stets allein gelassen in seinem Bett.

Erst der Vater der Sechsjährigen erkannte am Vormittag des 12. April die bedrohliche Lage des nur mit einer Windel bekleidet unter dem offenen Fenster liegenden Jungen. Doch die Versuche, den bewusstlosen Neunjährigen zu reanimieren, blieben erfolglos. Er verstarb an den Folgen der Austrocknung, des Nahrungsmangels, einer Unterkühlung und einer beginnenden Lungenentzündung.

Der Mutter warf das Gericht vor, sich auf die Tochter verlassen zu haben: "Einer solchen Person durfte sie diese Aufgabe nicht übertragen." Die 18-Jährige war erst wenige Tage zuvor von einem dreimonatigen Aufenthalt in einer Jugendhilfeeinrichtung in die Familie zurückgekehrt. Das Gericht ordnete an, dass die Tochter als Bewährungsauflage einen sozialen Trainingskurs belegen und drei Jahre lang jeden Monat 30 Sozialstunden ableisten muss.

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