Babysitter aus Bornheim Mütter der missbrauchten Kinder weinen vor Gericht

BONN/BORNHEIM · Es ist ein schwerer Gang, den die 32-jährige Zeugin an diesem Tag gehen muss: Der Mann auf der Anklagebank, den sie seit Kindesbeinen kennt, mit dem sie aufwuchs und dem sie ihre Kinder anvertraute, hat als Babysitter ihre kleine Tochter missbraucht. Jahrelang.

Nun muss sie ihm als Zeugin gegenübertreten, und wie sehr dieser Auftritt sie belastet, zeigt sich sofort: Schon beim Betreten des Gerichtssaals ringt sie so nach Luft, dass Kammervorsitzender Volker Kunkel ihr beruhigend rät: "Atmen Sie erst einmal tief durch."

Der 28-jährige Bornheimer auf der Anklagebank traut sich nicht, seine alte Freundin anzusehen, er hält den Kopf tief gesenkt, als die 32-Jährige berichtet, wie gut man sich kannte und welcher Schock es für sie war, als sie am 25. Januar 2013 in die Schule ging, um verärgert nachzufragen, warum man ihre damals neunjährige Tochter dort festhalte.

Auch eine Mitarbeiterin des Jugendamtes war anwesend, und sie erfuhr: Ihre Tochter habe der Lehrerin anvertraut, dass sie sexuell missbraucht und vergewaltigt werde. Dann der zweite Schock für die Mutter: Der Täter war ihr guter Freund.

Die Jugendamtsmitarbeiterin habe sogar den Plan gehabt, ihr die Kinder wegzunehmen, wenn sie sie nicht schützen könne, sagt die Mutter, aber sie habe ihr erklärt, natürlich werde sie ihre Kinder schützen. Immer wieder ringt die Mutter nach Luft und bricht schließlich in Tränen aus. Das Gericht will wissen, wie es ihrer Tochter jetzt gehe.

"Seit alles raus ist, richtig gut", antwortet die Zeugin. "Sie ist ein ganz anderes Kind geworden. Sie spricht mit mir über alles, was sie früher nicht tat." Die erste Zeit habe man gemerkt, "dass es bei ihr sehr sehr tief sitzt", sagt die Mutter. Ihre Tochter und auch ihr Sohn, der ebenfalls oft und gerne bei dem Angeklagten übernachtet habe, hätten nachts häufig Albträume gehabt.

Ihr Sohn habe auch Angst gehabt, der Angeklagte stehe eines Tages vor der Tür, um sich zu rächen. Und ihre Tochter habe wissen wollen, ob der 28-Jährige im Gefängnis sitze. Seit einem Umzug seien die Kinder beruhigt. Und ihre Tochter sei nun auch bei einer Therapeutin.

Dass ihr Kind aber all diese Briefe mit Herzchen an den Angeklagten geschrieben haben soll, bestreitet die 32-Jährige. Beim Ansehen der Briefe bricht sie in Tränen aus und sagt: Das sei nicht die Schrift ihrer Tochter. Verteidiger Reinhold Birkenstock wendet sich schließlich an die Mutter und teilt ihr mit, dass sein Mandant sich furchtbar schäme und zutiefst bereue, was er getan habe. Die Mutter reagiert darauf nicht. Aus dem Publikum ist zu hören: "Das hätte er sich früher überlegen müssen."

Nachdem sich das Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Video mit der polizeilichen Vernehmung der Neunjährigen angesehen hat, tritt eine weitere Mutter in den Zeugenstand. Weinend schildert die 34-Jährige, auch sie sei mit dem 28-Jährigen befreundet gewesen, bis sie erfahren habe, dass er ihre beiden Töchter angefasst haben soll. Eine Tochter sei inzwischen nur noch aggressiv. In Behandlung sei das Kind nicht, weil die Polizei gesagt habe, es sei nicht gut, alles wieder hochzuholen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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