Landgericht Aachen Mord an Bonner - Trio muss sich verantworten

AACHEN/BONN · "Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht durch ihn." Das seien die Worte gewesen, die ihm am Abend des 21. Oktober 2012 auf einem Parkplatz im niederländischen Maria Hoop durch den Kopf gegangen seien, erzählt Holger Schneider (51, Name geändert). Es war der Abend als er, nichtsahnend in sein Auto gebeugt, mit einem Ziegelstein attackiert und fast getötet wurde.

Er entkam den Angreifern schwer verletzt. Sein Bruder hatte weniger Glück, am selben Abend, wenige Kilometer entfernt. Der Bruder starb an seinen Kopfverletzungen.

Holger Schneider, ein Arzt aus Wassenberg, steht am Mittwochmorgen im Landgericht Aachen und ringt um Fassung. Gerade ist der erste Verhandlungstag vor dem Schwurgericht gegen die mutmaßlichen Täter zu Ende gegangen. Die Männer im Alter von 66, 45 und 37 Jahren sollen den damals 50-Jährigen attackiert und seinen 46-jährigen Bruder, der in Bonn lebte, ermordet haben.

Laut Anklage wollte das Trio mit dem Mord und dem versuchten Mord vertuschen, dass der 66-Jährige die Brüder und ihre ebenfalls in Bonn lebenden Eltern (77 und 83 Jahre) seit 2009 um rund zwei Millionen Euro betrogen hatte.

Der 66-Jährige, der bei dem Wassenberger Arzt in Behandlung war, sei seit Jahren ein guter Freund der Familie gewesen. Er habe vorgegeben "in Finanzgeschäfte involviert zu sein" und habe seinen Opfern suggeriert, ihr Geld sicher durch die Finanzkrise zu bringen, erklärte Staatsanwalt Sebastian Muhl. Und das mit märchenhaftem Gewinn: "Er stellte eine Rendite von 7,5 bis 14 Prozent in Aussicht."

Allerdings habe er nie vorgehabt, das Geld anzulegen oder zurückzuzahlen. In mehreren Tranchen vertrauten die 77-jährige Mutter und der 83-jährige Vater dem einschlägig vorbestraften Betrüger laut Anklage etwas mehr als eine Million Euro an, hinzu kamen Schweizer Franken, US-Dollar und Schmuck im Wert von 27 240 Euro.

Der 51-jährige Arzt händigte dem Angeklagten seit Sommer 2009 seine Ersparnisse in Höhe von 600.000 Euro aus, im November 2011 und im Juli 2012 nahm er außerdem zwei Kredite in Höhe von insgesamt 300.000 Euro auf, führte Muhl aus. Auch dieses Geld vertraute er dem 66-Jährigen an.

Doch dann forderte die Familie immer vehementer das Geld zurück. "Aus Angst vor einer Strafanzeige vor allem durch die Söhne" habe der 66-Jährige beschlossen, die Brüder zu töten. Dabei habe er Unterstützung von dem 45- und dem 37-Jährigen bekommen. Ihnen sei eine gute Bezahlung in Aussicht gestellt worden.

In beiden Fällen ging das Trio laut Anklage ähnlich vor: Unter einem Vorwand wurden der 46-Jährige (ihm wurde ein Job als Kurierfahrer versprochen) und kurz darauf sein Bruder (er bekomme 100 000 Euro zurück) am 21. Oktober auf zwei abgelegene Parkplätze gelockt - der eine in Wassenberg, der andere in den Niederlanden.

Mit Ziegelsteinen schlugen die Täter mehrfach auf den Kopf ihres 46-jährigen Opfers ein. Anschließend versteckten sie die Leiche in einem baufälligen Haus, gut 100 Meter vom Tatort entfernt. Dann sei das Trio in Richtung Holland aufgebrochen, so Muhl. Dort sollen die Männer den Arzt attackiert haben, der sich aber "dank des unübersichtlichen Geländes mit Bäumen und Sträuchern und der Dunkelheit" mit schweren Kopfverletzungen in Sicherheit bringen konnte.

Eine Verteidigerin des 66-Jährigen äußerte Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit ihres Mandanten: Er habe Rückenschmerzen und könne seit einem Tag seine Medikamente gegen Herz- und Blutdruckleiden nicht nehmen. Der Angeklagte war in grauer Jogginghose erschienen und folgte dem Geschehen aufmerksam. Ob er es nicht aushalten könne, bis sich die Angeklagten zu ihrer Person geäußert hätten, wollte der Vorsitzende Richter Arno Bormann wissen.

Doch die Angeklagten schwiegen ohnehin. Dafür gebe es Gründe, die nicht in der Öffentlichkeit erläutert werden sollten, erklärte ein Anwalt des 45-jährigen Angeklagten, der Anzug trug und mit leiser Stimme sprach. Diese Gründe gelten auch für den 37-jährigen Mitangeklagten, hieß es. Er hatte den Gerichtssaal in Jeans und weißem Hemd betreten - und wirkte ziemlich locker.

Der Bruder des Mordopfers ist noch immer fassungslos über das traumatische Geschehen. "Es verfolgt mich seit Monaten", sagte er dem GA am Rande des Prozesses. Der 66-jährige Angeklagte sei nicht nur sein Patient, sondern ein Freund der ganzen Familie gewesen. "Ich hatte blindes Vertrauen in ihn."

Es sind 25 Verhandlungstage bis Ende November angesetzt. Nächster Termin ist der 19. Juli. Neben dem 51-Jährigen verfolgen seine Eltern als Nebenkläger den Prozess.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort