Michael Kernbach: "Alter ist doch kein Parameter mehr"

Gesucht: Musiker über 30, die im Keller ihre Verstärker aufdrehen und abrocken wie die Jungen (oder besser). Oder tolle Texte zu ausgefeilten Arrangements schreiben. GA-Interview mit dem "Elder Stageman"-Manager Michael Kernbach.

Bonn. Gesucht: Musiker über 30, die im Keller ihre Verstärker aufdrehen und abrocken wie die Jungen (oder besser). Oder tolle Texte zu ausgefeilten Arrangements schreiben. An Amateure, die älter als 30 Jahre sind, richtet sich der Wettbewerb, den die Gewerbe-Gemeinschaft Beuel (GGB) mit dem General-Anzeiger, der Popfarm und dem Popmotor auslobt. Michael Kernbach, Geschäftsführer der Popfarm, hat den Bandcontest organisiert. Mit ihm sprach Cem Akalin.

General-Anzeiger: Ein Bandcontest für Oldies: Macht das Sinn?

Michael Kernbach: Der Elder-Stagemen versteht sich nicht als klassischer Bandcontest, der junge Leute mit Erfolg und Ruhm lockt. Wir verstehen ihn eher als eine Art Leistungsschau der regionalen, erwachsenen Musikszene. Dass es hier wundervolle Auftrittsmöglichkeiten als Gewinn gibt, sehen wir eher als zusätzlichen Anreiz, sich auch wirklich anzumelden.

GA: Junge Nachwuchsbands können sich attraktive Plattenverträge erspielen. Hier geht es nur um die Ehre. Traut die Musikindustrie den "Alten" keinen kommerziellen Erfolg zu?

Kernbach: Das ist eine Frage, die wirklich rein nichts mit Talent, Kreativität oder Virtuosität zu tun hat, sondern mit einer auf jung geschalteten Industrie, die Vermarktung von Musik nur über den Teenager kennt. Absurderweise verdient genau diese Industrie mit ihren überholten Strukturen ihr letztes großes Geld mit Künstlern, die weit über 50 sind. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es die ersten sehr erfolgreichen Ü 30- Newcomer geben wird.

GA: Sie leiten die Popfarm, eine Musikschule, die bewusst den Schwerpunkt auf populäre Musik legt. Zu Ihnen kommen auch Ü 30-Schüler. Mit welcher Motivation? Die wollen doch nicht eine späte Karriere als Rock- und Popstars starten, oder?

Kernbach: Rock- und Popmusik ist das verkannte Mainstream-Hobby unserer Zeit. Wie viele Menschen Popmusik nicht nur passiv konsumieren, sondern ihr Leben lang aktiv ausüben, würde die meisten Zeitgenossen erstaunen. Andererseits wird für keine andere derart populäre Freizeitbeschäftigung weniger Ausübungsraum oder öffentliche Förderung angeboten. Wir als Popfarm sehen uns eben nicht als Kaderschmiede für einen ohnehin darbenden Musikmarkt, sondern als eine Fortbildungseinrichtung für jeden interessierten Pop-Musiker und Rock 'n' Roller, egal wie alt und auch egal, wie groß seine Fähigkeiten bereits sind.

GA: Bringen die irgendwelche Vorkenntnisse mit?

Kernbach: 90 Prozent unserer erwachsenen Schüler haben bereits zum Teil intensive Erfahrung mit ihrem Instrument und wollen sich in eine spezielle Richtung weiterentwickeln. Es gibt aber auch echte Anfänger, die sich einen Lebenstraum erfüllen.

GA: Kann denn, sagen wir eine 40-Jährige noch Gitarre, ein 50-Jähriger noch Singen lernen?

Kernbach: Selbstverständlich! "There ain't no age for Rock 'n' Roll", wusste schon die Seniorenband "The Veterans" in den 80ern. Ich bin überzeugt, dass jeder von uns, nahezu täglich, dank digitaler Revolution, komplexere Dinge bewältigen muss als die Handhabung eines Musikinstruments.

GA: Sie haben mehrere Sponsoren gewinnen können. Die Gewerbe- Gemeinschaft Beuel (GGB) etwa sieht das als Chance, mit dieser Aktion den Blick auf den innovativen Kulturstandort Beuel zu lenken. Und das mit einem Wettbewerb für über 30-Jährige. Wie passt das zusammen?

Kernbach: Das Klischee des "alten Eisens" passt doch überhaupt nicht mehr in unsere Wirklichkeit. Nicht nur die Demografie, auch die Sozialisierung der Menschen, die mit der Popkultur groß geworden sind, zwingt uns doch geradezu zum Neudenken und Neudefinieren. Alter ist doch kein Parameter mehr. Kreativität ist eines, geistige Beweglichkeit, intellektuelle Offenheit fallen mir auch noch ein. Die Gewerbe-Gemeinschaft Beuel, der wir diesen bundesweit einmaligen Contest verdanken, sieht das sehr richtig, dass ein innovativer Kulturstandort nicht vom biologischen Alter seiner Akteure abhängig ist.

GA: 35 Bewerber haben Sie mittlerweile schon. Rechnen Sie mit mehr?

Kernbach: Am Anfang des Wettbewerbs hatten wir uns 30 Teilnehmer als Ziel gesetzt. Jetzt dürfen wir, dank anhaltender Anmeldungen, wohl mit 50 Gruppen und Künstlern rechnen. Das zeigt, welches ungeheure Potenzial in der lange übersehenen Schicht der erwachsenen Musiker steckt.

GA: Das Angebot ist ja sehr vielschichtig. Heavy Metal, Singer/Songwriter, Hip-Hop, Westcoast-Rock, Pop mit deutschen Texten. Nach welchen Kriterien kann die Jury da eine Auswahl treffen?

Kernbach: Die Jury, die wir Anfang Juni bekannt geben werden, ist hochgradig prominent besetzt und kommt aus den verschiedensten musikalischen Stilrichtungen und "Gewerken". Wir haben uns darum dazu entschieden, diesen Kollegen eine Auswahl ihrer Favoriten unter rein subjektiven Kriterien zu ermöglichen. Wir sind überzeugt, dass so am ehesten den unterschiedlichen Qualitäten der Teilnehmer Genüge getan werden kann.#

GA: Wann startet denn das Online-Voting? Denn das Publikum soll ja neben der Jury seine Lieblingsbands auswählen dürfen.

Kernbach: Das Online-Voting auf www.ga.de startet am 16. Juni. Bis zum 15. Juni nehmen wir Anmeldungen entgegen.

GA: Wagen Sie einen ersten Trend? Wie ist die Qualität der eingereichten Hörproben?

Kernbach: Als federführender "Manager" des Wettbewerbs halte ich mich mit der eigenen Meinung völlig zurück. Was mich aber stark beeindruckt, ist die professionelle Qualität nahezu aller Aufnahmen. Ich bin selbst gespannt, wer es beim Voting und später bei der Jury auf die Bühnen schaffen wird.

GA: Wenn die so gut sind: Wo haben die alle gesteckt?

Kernbach: Gegenfrage: Wo hätten die Bands denn hingehen sollen? Es gibt für junge Gruppen schon kaum, aber für erwachsene Bands, so sie nicht covern, eigentlich gar keine Auftrittsmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Das ist genau der Punkt, für den wir mit Elder Stagemen antreten.

GA: Bands, die über keine vorzeigbaren Aufnahmen verfügen, bieten Sie Gelegenheit für professionelles Recording. Wie sieht das aus?

Kernbach: Wer noch kein Demo hat, kann dies am 28. oder 29. Mai bei uns in der Popfarm beim Cubase-Recording-Day kostenlos live einspielen. Einer unserer komplett eingerichteten Proberäume wird von einem Toningenieur der Firma Steinberg komplett mikrofoniert. Jede Band kann unter seiner Regie einen Livetake einspielen, bekommt dann die Spuren zum Selbermischen mit nach Hause. Damit das reibungslos funktioniert, gibt's eine Gratis-Software und einen kurzen Einführungsworkshop zum Handling obendrauf.

GA: Vielleicht springt ja doch am Ende eine CD mit Stücken aller Bands raus. Oder ist das ausgeschlossen?

Kernbach: Eine CD zum Wettbewerb ist im Moment nicht geplant. Aber man sollte ja nie nie sagen ...

Internet Weitere Informationen unter www.elderstageman.de

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