Erziehungshilfe in Bonn Menschen zu helfen, kostet Geld

BONN · "Um Menschen zu helfen, braucht es Menschen - und das kostet Geld." Auf diese einfache Formel bringt es Udo Stein, Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie, wenn es um die Ausgaben für die Erziehungshilfe geht. Mit rund 42,5 Millionen Euro ist sie eine der großen Posten im städtischen Haushalt.

Die Fälle sind so mannigfaltig wie das Leben eben auch. Das geht los vom Schulverweigerer über verwahrloste Kinder bis hin zu missbrauchten oder drogenabhängigen Kindern oder jungen Volljährigen. "Manchmal ist ein Problem relativ schnell gelöst", erzählt Sascha Fersch, Abteilungsleiter Soziale Dienste.

Da stellt sich etwa heraus, dass der Junge, der dauernd die Schule schwänzt, eine Hörschwäche hat und sich immer weiter ausgegrenzt fühlt. Oder es handelt sich um einen Fall von Mobbing. "Dann sorgen wir für einen Schulwechsel, und das Problem des Jungen oder Mädchen ist aus der Welt", so Stein.

Aber meistens ist es eben doch nicht so einfach. "Es greift meistens ein Füllhorn von unterschiedlichen Maßnahmen", erzählt der Amtsleiter. Und nicht immer reicht es aus, ein Kind oder einen Jugendlichen in einem Heim oder einer Pflegefamilie unterzubringen. Rund 200 Kinder werden in Pflegefamilien betreut.

Die härtesten Fälle sind jene, wo das Kind sich praktisch seinem Schicksal ergeben hat, wenn es niemandem mehr vertraut. "Der schlimmste Fall ist, wenn sich ein junger Mensch schon in der Abwärtsspirale befindet, und da ist es unsere Pflicht, alles zu tun, um es da wieder herauszureißen", ergänzt Fersch.

Wie das folgende Beispiel - im übrigen kein Einzelfall - zeigt: 13 Jahre alt, drogenabhängig, HIV-positiv. Der Junge prostituiert sich, um die Drogen zu finanzieren, die Eltern wollen nichts mehr von ihm wissen. Natürlich geht er nicht mehr zur Schule. Persönliche Erfolgserlebnisse hat er nie gehabt, sein Schicksal hat er längst akzeptiert. Was macht man mit so einem Kind, das nie gelernt hat, Bindungen zu anderen aufzubauen?

"In ein Heim zu stecken, bringt da gar nichts. Dieser junge Mensch braucht intensive individualpädagogische Betreuung", so Stein. Einmal, erinnert sich Fersch, haben sie einen Jungen ins Boxcamp Philippinenhof Kassel von Lothar Kannenberg geschickt. Der ehemalige Boxer und Streetworker betreibt dort sein eigenes, mehrfach ausgezeichnetes Erziehungskonzept.

In einem anderen Fall ist ein Sozialpädagoge mit einem Heranwachsenden mit Rucksack losgezogen, mehrere Wochen ging es Richtung Süden. Das Ziel: zu lernen, Vertrauen zu anderen und zu sich selbst zu fassen. "Das sind Einzelfälle", so Stein. "Aber tatsächlich ist es für manchen gut, wenn er oder sie erst mal zu Ruhe kommt."

Drillmethoden oder gar das brachiale Brechen kindlicher oder pubertärer Verhaltensmuster à la "Die strengsten Eltern der Welt" (Sat1) lehnen die Bonner kategorisch ab. Dazu gehört auch, Kinder aufgrund günstigerer Pflegesätze in andere Kommunen zu schicken, was in manchen Städten durchaus praktiziert wird. "Wir wissen um die Qualitäten der Bonner Einrichtungen", so Stein. Ausnahmen gebe es , wenn aus fachlicher Sicht Argumente für eine räumliche Trennung sprechen.

"Das sind schlicht Fälle von Überforderung"

Stein und Fersch warnen davor, hilfebedürftige Eltern als "Monster" darzustellen: "Das sind schlicht Fälle von Überforderung, und sie kommen nicht immer nur aus bildungsfernen Familien." Häufig seien es zwar Alleinerziehende, aber auch daraus dürfe man kein Gesetz ableiten: "Der Stadtteil mit dem höchsten Anteil von Alleinerziehenden ist Kessenich - und dort haben wir den geringsten Anteil an Erziehungshilfen."

Gleichzeitig gibt es für alleinerziehende junge Frauen zahlreiche Hilfsangebote, wie etwa KuS - "Kind und Schule", das jungen Frauen ermöglicht, an der Abendrealschule ihren Schulabschluss zu machen. Oder das ModUs, das jungen Vätern und Müttern den Einstieg in eine Teilzeitberufsausbildung erleichtert. "Sie sehen", sagt Stein, "man darf die Erziehungshilfe nicht auf rein fiskalische Gesichtspunkte reduzieren."

Soziale Dienste

Die Abteilung soziale Dienste der Stadt Bonn kümmert sich mit ihren rund 100 Mitarbeitern unter der Leitung von Sascha Fersch um knapp 700 Fälle im stationären Bereich und leistete im vergangenen Jahr ambulante Hilfe in 788 Fällen. Dahinter stehen dann noch die zahlreichen sozialpädagogischen Fachkräfte der vielen freien Träger - von der Ambulanten Suchthilfe von Caritas und Diakonie bis zum Verein Sprungbrett, der Jugendliche und junge Volljährige in Krisen und Konfliktsituationen begleitet. Bei der Erziehungshilfe handelt es sich um eine kommunale Pflichtaufgabe nach dem Sozialgesetzbuch, und diese greift dann, wenn Erziehungsprobleme "relevant" werden.

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