Manchmal wird es ganz schön eng für die "Pedaleure"

Fachleute im Stadthaus brüten über Plänen, um dem Titel "Fahrradfreundliche Stadt" gerecht zu werden

Manchmal wird es ganz schön eng für die "Pedaleure"
Foto: Volker Lannert

Bonn. Eigentlich hat er jetzt besseres zu tun, als Fragen zu beantworten. Der Radfahrer, Mitte 30, mit Helm auf dem Kopf und Kindersitz auf dem Gepäckträger, fixiert mit finsterer Miene den Verkehr vor sich auf dem Bertha-von-Suttner-Platz in Richtung Kennedybrücke.

Gleich springt die Ampel an der Oxfordstraße auf grün. Und der Radfahrer weiß genau, was ihn erwartet, wenn er weiterfährt: Auf der linken Spur Autofahrer, die nach rechts abbiegen. Auf der rechten Spur Busse, die nach links ziehen. Und mittendrin er, der Radfahrer - ohne Stoßstange, Airbag und Knautschzone. "Lebensgefährlich ist das hier! Von wegen Bonn ist eine fahrradfreundliche Stadt", flucht er.

Viele Radfahrer in Bonn fühlen sich gegängelt und benachteiligt gegenüber dem Auto- und Busverkehr. Das zeigen nicht nur die vielen Leserbriefe, die der General-Anzeiger in den vergangenen Wochen gedruckt hat.

Auch Raimund Brodehl und Regina Jansen von der Stadt Bonn kennen die Beschwerden. Aber der Abteilungsleiter Stadtverkehr und die Zuständige für Radverkehrskoordination wissen: "Es gleicht einem Puzzlespiel, alle Verkehrsteilnehmer unter einen Hut zu bringen. An Knotenpunkten kommt es immer zu Konflikten, selbst wenn sich alle an die Regeln halten."

Die Wände im Büro des Abteilungsleiters sind tapeziert mit Stadtplänen. Keine Lücke, in der nicht eine Planungsskizze hängt. Und auch wenn die Autos, Fußgänger, Busse und Radfahrer vom achten Stock des Stadthauses aussehen wie Spielzeugfiguren: Die beiden Stadtplaner haben genau im Blick, was dort unten auf den Straßen passiert.

Den Titel "fahrradfreundlich" trägt Bonn seit 1995. Damals trat die Stadt der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte und Gemeinden bei. "Der Beitritt ist eine Verpflichtung, den Fahrradverkehr zu fördern - fernab der politischen Mehrheiten. Und es ist ein Bekenntnis, dass Fahrradfahrer gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind", sagt Brodehl. Für ihn bedeutet das auch: Jedes Jahr müssen er und seine Kollegen zeigen, wo die Stadt ihre Radfahrer gefördert hat, seien es zusätzliche Radwege, neue Abstellplätze oder Freizeitrouten.

Ein konkretes Beispiel: Der gestrichelte "Schutzstreifen", den Bonn bereits 1991 als Pilotprojekt auf der Meckenheimer Allee eingeführt hatte und fortan ausbaute. "Bonn war damals Vorreiter. Heute ist der Schutzstreifen völlig etabliert", sagt Brodehl. Durch den Schutzstreifen wurde der Radfahrer auf die Fahrbahn gebracht, eine Sache, die auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) ausdrücklich begrüßt. "Die Autofahrer orientieren sich in die Mitte.

Gleichzeitig dürfen Lastwagen, die den Platz benötigen, mit gebotener Vorsicht über die gestrichelte Linie fahren", sagt Brodehl. Rad-Koordinatorin Jansen pflichtet ihm bei: "Durch den Schutzstreifen wird das gemeinsame Miteinander auf der Straße gefördert." Genau dies liegt im Interesse der beiden: Denn auch wenn es an Knotenpunkten eng ist, wollen sie niemanden ausschließen.

Ein Schutzstreifen für Radfahrer trennt auch die Fahrbahnen auf dem Suttner-Platz. "Die Lösung ist nicht perfekt. Aber jede andere würde neue Konflikte auslösen", sagt Brodehl. Er gibt zu bedenken was wäre, wenn die Radfahrer ganz rechts führen: Dann nämlich zögen sie am Ende nach links, wenn sie über die Brücke fahren wollten - aber außerhalb des direkten Blickwinkels der Autofahrer, die nach rechts abbiegen.

Außerdem hat Brodehl mit der Friedrichstraße eine "Umleitung" parat. Denn die Stadtplaner haben die Straße nach dem Umbau in beide Richtungen geöffnet. Sein Fazit: "Auch wenn die jetzige Lösung subjektiv gefährlich ist, funktioniert die Verkehrsführung am Bertha-von-Suttner-Platz insgesamt gut."

Wie viel Geld die Stadt insgesamt in den vergangenen zehn Jahren in die Radverkehrsförderung gesteckt hat, können die beiden Stadtplaner nicht sagen. Viele Maßnahmen kämen allen Verkehrsteilnehmern zugute, so Brodehl und verweist auf das Beispiel Friedrichstraße.

Aber eines lässt sich nicht leugnen: Auch die Radverkehrsförderung ist vom Sparprogramm der Stadt betroffen. So liegt den politischen Gremien eine Beschlussvorlage vor, bei der ein Maßnahmenkatalog von 1,35 Millionen Euro für die nächsten Jahre zusammengestellt worden ist. Im Haushalt vorgesehen sind allerdings nur 154 000 Euro.

Aus der Statistik

Geschätzte 80 Prozent der Bonner haben nach Angaben der Stadt mindestens ein Fahrrad, deutlich mehr als im Rhein-Main-Gebiet (66 Prozent). Das sind etwa 245 000 Drahtesel, die in Kellern, Vorgärten, an Pfeilern oder an den 6 000 Abstellplätzen angeschlossen sind.

Jeder vierte Bonner nutzt sein Fahrrad täglich, im Stadtbezirk Bonn, wo Uni und Innenstadt liegen, sogar jeder dritte. Während die Bonner 1991 noch 13 Prozent ihrer Wege mit dem Rad zurückgelegten, waren es 1999 17 Prozent.

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