Mädchen zu Diebstählen geprügelt
Seitdem sie 14 Jahre und strafmündig ist, landet die 16-jährige Tamara M. immer wieder wegen Trickdiebstählen und Betruges vor Gericht und wird verurteilt. Jedes Mal sitzt ein Familienmitglied im Gerichtssaal, und sie schweigt zu der Frage, warum sie immer wieder stahl und betrog.
Bonn. Seitdem sie 14 Jahre und strafmündig ist, landet die 16-jährige Tamara M. immer wieder wegen Trickdiebstählen und Betruges vor Gericht und wird verurteilt. Jedes Mal sitzt ein Familienmitglied im Gerichtssaal, und sie schweigt zu der Frage, warum sie immer wieder stahl und betrog.
Im Oktober 2009 wurde sie zum 16. Mal verurteilt, diesmal zu 18 Monaten Jugendstrafe - ohne Bewährung. Und sie hatte erkennbar nichts dagegen, ins Gefängnis zu gehen. Erst als ihr Anwalt René Gülpen sie wenig später zufällig ohne Familienanhang auf der Straße traf, sagte sie ihm, wie es wirklich in ihrem Leben zuging: Sie wurde bereits als kleines Mädchen zum Stehlen abgerichtet und mit Prügel dazu gezwungen, auf Diebestour zu gehen, immer zusammen mit einem anderen Familienmitglied. Zur Schule durfte sie nicht gehen, also konnte sie nicht lesen und schreiben und war völlig abhängig. Jetzt hatte sie nur noch einen Wunsch: Sie wollte weg von der Familie, die auch noch plante, sie zwangszuverheiraten.
Und ihr Anwalt half ihr. Er setzte sich dafür ein, dass das Jugendamt sich um das Mädchen kümmerte und den Eltern schließlich das Sorgerecht entzog. Tamara ist seitdem an einem geheimen Ort untergebracht, denn ihre Eltern wollen sie nicht gehen lassen, suchten und fanden sie sogar einmal und hätten sie weggeschleppt, wenn nicht ein Zeuge eingeschritten wäre.
Nun dürfen die Eltern nur noch in überwachten Telefonaten mit der 16-Jährigen sprechen, und sobald sie wieder Druck ausüben, wird das Gespräch beendet. Vor der Familie ins Gefängnis flüchten will Tamara nicht mehr.
Deshalb legte ihr Anwalt Berufung ein gegen das Urteil des Amtsgerichts, und nun wurde der Prozess gegen die 16-Jährige vor dem Landgericht neu aufgerollt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auch der Eltern machte sich die Jugendkammer ein Bild von dem Mädchen, das nun statt auf Diebestour lieber zur Schule geht und lernt.
Und befand am Ende: Tamara muss nicht ins Gefängnis. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, denn die 16-Jährige hat dank vieler engagierter Helfer, die nur Gutes über sie berichten, einen anderen Weg eingeschlagen. Und alle zollen ihr großen Respekt für den gewaltigen Schritt, der Familie den Rücken zu kehren.
Als Bewährungsauflage trug ihr das Gericht auf, dort zu bleiben, wo sie ist, den Kontakt zur Familie zu unterlassen und wöchentlich acht Sozialstunden zu leisten. Tamara akzeptierte sofort.