Ludger Sander: "Wir können nicht alle Bäder halten"

BONN · Bonns Schuldenberg wächst und wächst. In diesem Jahr wird der Rat erneut diskutieren müssen, wie die Stadtfinanzen gerettet werden können. Interview mit Kämmerer Ludger Sander (CDU).

Wissen Sie aus dem Kopf, wie hoch Bonns Schuldenstand ist?
Ludger Sander: Ich habe es aufgeschrieben, weiß es aber auch aus dem Kopf: Es sind 1,357 Milliarden Euro.

Das Defizit für 2012 ist derzeit mit 208 Millionen Euro prognostiziert. Was ist die Ursache?
Sander: Ein Grund ist, dass die Gewerbesteuer rund 93 Millionen Euro niedriger eingeplant wurde als im Jahr 2011, in dem es eine außerordentliche Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von rund 108 Millionen Euro gab. Die Steuereinnahmen aus Einmalzahlungen in 2011 haben Negativ-Effekte für das laufende Jahr, weil sie ein Absinken der Schlüsselzuweisungen des Landes bewirken. Zunächst dachten wir, die Stadt Bonn erhält nichts, nach den jüngsten Berechnungen zum Finanzausgleich werden es jetzt wohl 14 Millionen Euro sein. Das sind aber 68 Millionen Euro weniger als 2011. Hinzu kommt, dass die gestiegene Steuerkraft in 2011 zu höheren Umlagezahlungen an den Landschaftsverband Rheinland in 2012 führt.

Wie entwickeln sich die Einnahmen der Stadt?
Sander: Eine Prognose ist aufgrund von Konjunkturschwankungen immer unsicher. Unsere Einschätzungen für das Jahr 2011 haben sich bestätigt. Wir haben 20 Prozent mehr Gewerbesteuer eingenommen als im Vorjahr - darin sind die Nachzahlungen nicht eingerechnet - und bei der Einkommensteuer lagen die Zuwächse bei rund sieben Prozent. Diese Zuwächse resultieren unter anderem daraus, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht und die Unternehmen bessere Ergebnisse verzeichnen. Für 2012 gehen wir ebenfalls davon aus, dass die geplanten Einnahmen erreicht werden, sogar noch steigen werden. Genaueres können wir noch nicht sagen. Wir haben aber auch deutliche Erhöhungen bei der Einkommenssteuer eingeplant. Allerdings darf es nicht zu einer Einkommensteuerreform kommen, wo die Sätze drastisch gesenkt werden. Aber das ist wohl nicht zu erwarten.

Das heißt, Sie sind mit Blick in ihre Kassen gegen Steuersenkungen?
Sander: Generell ja.

Wenn die Steuern sprudeln: Muss die Stadt doch nicht so drastisch sparen wie angekündigt?
Sander: Trotz dieser positiven Entwicklung wird der Haushaltsausgleich nicht gelingen. Wenn wir bis 2015 den Haushalt ausgleichen wollen, müssen wir jedes Jahr im Schnitt 40 Millionen Euro konsolidieren. Zur Zeit laufen die Haushaltsanmeldungen für den Etat 2013/2014, so dass wir in einigen Wochen aktuellere Zahlen haben werden.

Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat in einem GA-Interview erklärt, die Stadt könne aus eigener Kraft jährlich eine Lücke von bis zu 20 Millionen Euro schließen. Wie realistisch ist das?
Sander: Wir haben ja durchaus bereits einige Sparmaßnahmen ergriffen...

Na ja, bisher haben Verwaltung und Rat hauptsächlich an der Steuerschraube gedreht. Und 2013 sollen die kommunalen Steuern wieder steigen...
Sander: Das wird auch nicht anders möglich sein. Entsprechende Steuererhöhungen haben wir in der mittelfristigen Finanzplanung bereits eingepreist, aber auch hohe Einsparungen auf der Ausgabenseite.

Wie viel bringen die Erhöhungen?
Sander: Bei der Grundsteuer haben wir pro Jahr 2,7 Millionen zusätzlich kalkuliert, bei der Gewerbesteuer fünf Millionen Euro jährlich.

Damit sind die Steuern wohl ausgereizt. Am Sparen führt jetzt kein Weg vorbei. Wie wollen sie die 20 Millionen erreichen?
Sander: Wenn wir nicht weitere Kredite aufnehmen wollen, müssen wir Aufgaben reduzieren. Wir müssen die großen Bereiche angehen. Wir werden sicher nicht alle Bäder halten können. Und es wird kein Weg daran vorbeiführen, den Kostendeckungsgrad der städtischen Einrichtungen zu erhöhen. Das haben wir in der Vergangenheit auch schon gemacht, etwa bei der Volkshochschule und Musikschule.

Immer wieder wird auch über eine Erhöhung der Elternbeiträge für die Kindergärten diskutiert. Wie sehen Sie das?
Sander: Ich wäre dafür. Ich meine sogar, der Kostendeckungsgrad müsste bei allen städtischen Angeboten höher liegen.

Was ist mit den Plänen der Verwaltung, Stadtteilbüchereien zu schließen?
Sander: Wir haben immer gesagt: Wenn das neue Haus der Bildung am Bottlerplatz fertig ist, werden wir auch dieses Thema angehen.

Bedrohlich ist der immense Sanierungsstau der Stadtgebäude. Kann die Stadt auf Dauer ihre rund 700 Immobilien halten?
Sander: In der Vergangenheit ist zu wenig in die Instandhaltung investiert worden. Wir haben zwar allein in die Schulsanierung in den letzten Jahren mehr als 200 Millionen Euro gesteckt. Aber wenn man sieht, wo noch überall Handlungsbedarf ist, wird das eines der großen Themen sein. Ich nenne nur das Stadthaus.

Und was ist mit den Hallen? Müsste nicht auch die eine oder andere aus Kostengründen geschlossen werden?
Sander: Bonn hat eine Vielzahl von Hallen, die es in anderen Städten nicht gibt. Aber bevor eine Halle geschlossen wird, muss man sehen, welche Effekte das haben könnte.

Personalkosten machen rund ein Viertel des Etats aus. Hat die Stadt Bonn zu viel Personal?
Sander: Wir prüfen zurzeit mit dem Personaldezernat jedes Amt hinsichtlich seiner Aufgaben, und wie es personell aufgestellt ist. Letztlich gilt die Faustregel: Wenn Personal abgebaut wird, müssen auch Aufgaben reduziert werden. Wer zum Beispiel Karten für eine attraktive Veranstaltung haben möchte, steht dafür oft lange Zeit an. Undenkbar, wenn Sie solange anstehen müssten, um Ihren Personalausweis abzuholen.

Der Vergleich hinkt. Die Bürger zahlen Steuern, damit die Verwaltung arbeiten kann...
Sander: Gut. Aber man kann jeden Steuer-Euro nur einmal ausgeben. Und wenn das Geld für die Erfüllung der Aufgaben nicht reicht, müssen die Steuern erhöht oder der Service abgebaut werden.

Warten wir also demnächst mehrere Stunden bei der Abholung eines Ausweises?
Sander: Nein. Was ich sagen will: Auch die Bürger müssen wissen, dass die von der Stadt angebotenen Leistungen ihren Preis haben. Wenn in der Innenstadt wieder zu viel Müll auf den Straßen liegt, sagt ja niemand, wir müssen sorgsamer mit dem städtischen Raum umgehen. Stattdessen fordern alle, dass öfter gereinigt werden soll.

Wünschen Sie sich bei den Etatberatungen von Verwaltung und Rat mehr Mut zu unbequemen Entscheidungen?
Sander: Ja.

Wie stark verringert die Stadt ihre Zinslast durch riskante Finanzprodukte wie die berüchtigten Spread Ladder Swaps?
Sander: Die Stadt gestaltet ihre Kreditaufnahme aktiv im Rahmen eines Schulden- bzw. Zinsmanagements. Wir lassen uns von Experten beraten, wobei die entscheidende Größe im Schuldenmanagement die Zinsbindung ist. Hierüber wird das Schuldenportfolio gesteuert mit dem Ziel, die Zinsänderungsrisiken gering zu halten, den Zinsaufwand zu reduzieren sowie die Zinslasten auf einem leistbaren Niveau zu verstetigen. Es werden nur konservative Instrumente - nicht spekulative Produkte - eingesetzt. Zusätzliche Risiken bestehen nicht.

Im Zuge des WCCB-Skandals wird auch gegen Sie und einen Ihrer Mitarbeiter ermittelt, weil Sie angeblich Rücklagemittel riskant angelegt haben sollen...
Sander: Ich bin überzeugt, dass wir uns korrekt verhalten haben. Zum laufenden Verfahren äußere ich mich nicht. [Zur Person]

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