Beethovenhalle in Bonn Klarinettist Julian Bliss war beim Sonntagskonzert zu Gast

BONN · Es gibt nicht allzu viele Kompositionen aus den letzten zehn, zwanzig Jahren, denen man Repertoiretauglichkeit und Überlebenschancen auf dem Klassikmarkt prophezeien würde. Magnus Lindbergs Konzert für Klarinette und Orchester, geschrieben 2001/2002, könnte dazugehören. Es ist ein Stück, das sich nicht um Stile und Strömungen kümmert, sondern beherzt auf Klangfarben und durchdachte Effekte setzt.

Beim Sonntagskonzert in der mäßig gefüllten Beethovenhalle machten Klarinettist Julian Bliss, Dirigent Pietari Inkinen und das Beethoven Orchester das ebenso witzige wie wilde Werk zum Publikumserfolg. Es hat etwas von Großstadtmusik, dieses Klarinettenkonzert, und nicht von ungefähr schimmern gelegentlich Anklänge an George Gershwin durch.

Die Geschwindigkeit ist hoch; der Finne Lindberg, Jahrgang 1958, gönnt sich, den Interpreten und den Zuhörern wenig Pausen, Ruhe-Inseln sind eher selten. Der Komponist spielt virtuos mit den Möglichkeiten eines großformatig besetzten Sinfonieorchesters (samt mächtigem Schlagzeug) und erst recht mit allem, was auf der Klarinette gerade noch technisch machbar ist (oder auch fast unmöglich erscheint).

Das Ganze wirkt spontan und impulsiv, hat viele amüsante Momente und findet mitunter seinen Weg ins Tonale.

Der Brite Julian Bliss, jetzt 22 Jahre alt, ist früh als Wunderkind gefeiert worden, das unter anderem vor der Queen seine Künste zeigen durfte. Er hat sich seine Unbekümmertheit bewahrt und sie ergänzt mit technischer Überlegenheit und großer musikalischer Reife. Bliss war ein wunderbarer Führer durch dieses Konzert, mit einer Farbpalette, die vom schmeichelnd sanften Klang bis zur brutalen Attacke reichte. Als Zugabe spielte er den wahrscheinlich schnellsten "Hummelflug" (Rimski-Korsakow) der Musikgeschichte - halsbrecherisch schön.

War das Beethoven Orchester schon bei Lindberg ordentlich gefordert, so hatte es erst recht mit Béla Bartóks "Konzert für Orchester" die Gelegenheit, sich glanzvoll in Szene zu setzen. Pietari Inkinen, der junge finnische Dirigent, der vor knapp vier Jahren beim Beethovenfest als Einspringer blendende Figur machte, konnte diesmal auf erfolgreiche Probenarbeit vertrauen. Bei Bartók entschied er sich - vom beeindruckend geheimnisvollen Beginn bis zum rasanten Finale - für eine sehr klassische Lesart dieses Klassikers der Moderne mit genau austarierten Stimmungswechseln.

Zur Einstimmung dirigierte der Finne Finnisches, die Karelia-Suite von Jean Sibelius. Inkinen ließ es ruhig angehen, im abschließenden "Alla marcia" vielleicht ein bisschen zu gemütlich - aber satter Streicherklang und betörende Holzbläser waren Entschädigung genug.

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