Kirchen waren zu Weihnachten teils überfüllt

Pfarrer gingen in ihren Predigten auch auf die Finanzkrise ein - Familie Köhler besuchte die Vesper in der Lutherkirche

Kirchen waren zu Weihnachten teils überfüllt
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Mehrere zehntausend Christen haben in teils überfüllten Kirchen die Weihnachtsgottesdienste in der Stadt gefeiert. Im Münster stellte Stadtdechant Wilfried Schumacher angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage die Frage: "Was bedeutet eigentlich Weihnachten für Sie?"

Alle Chöre und das Orchester des Münsters stimmten unter der Leitung von Regionalkantor Markus Karas musikalisch auf die Weihnachtszeit ein, bevor der Stadtdechant um 23 Uhr in die Basilika einzog, um mit den Gläubigen die Christmette zu feiern.

In seiner Predigt ging er auch auf die aktuellen Sorgen der Menschen ein. Die zunehmende soziale Kälte könne nicht durch die besorgniserregende Erderwärmung ausgeglichen werden: "Es fehlt den Menschen an Geborgenheit, an Nähe, an Zuwendung." Die Weltwirtschaftskrise trage zusätzlich zur Unbehaglichkeit bei und ließ wenig Hoffnung übrig.

Allerdings sei schon einmal die Prophezeiung wahr geworden, dass "mitten im kalten Winter, wohl zu der Halben Nacht" plötzlich eine Rose aufblühte. Die Predigt wurde sodann auch dreimal durch das bekannte Weihnachtslied "Es ist ein Ros entsprungen", dessen Text auf den Propheten Jesaja zurückgeht, unterbrochen.

Mitten in diese Nacht, in diese Kälte habe Gott ein lebendiges Zeichen der Hoffnung gesetzt, jedoch nicht mit Pauken und Trompeten, sondern "obdachlos, abgeschoben in einen Stall, nicht kranken- und sozialversichert", sondern bedroht und verletzbar. Das Kind in der Krippe sei "Zeichen dafür, dass Gott nicht aufgibt", sondern immer wieder einen neuen Anfang mit jedem einzelnen Menschen wagt.

Diese Botschaft des Weihnachtsfestes müsse auch heute wieder konkretisiert werden. Dabei nahm der Stadtdechant jeden Einzelnen in die Verantwortung: "Es ist an uns, dem menschgewordenen Gott ein Gesicht zu geben in unserer Welt. Es ist an uns, für Wärme und Licht in der dunklen Nacht dieser Welt zu sorgen."

In der evangelischen Kreuzkirche rief Pfarrer Gerhard Schäfer rief dazu auf, "das Kind in der Krippe als Hinweisschild zur Umkehr" zu betrachten, "als Geburtshelfer für einen Neuanfang". "Wollen wir in einer Welt leben, in der es oft so sehr um Tarnen, Tricksen, Täuschen und Absahnen geht und in der eine ständige Atmosphäre des Misstrauens herrscht?", fragte er und sprach sich dafür aus, "mit Gottes Zuspruch eine Welt zu gestalten, in der Vertrauen und Glaubwürdigkeit gedeihen".

Pfarrer Schäfer: "Ich wünsche unserer Gesellschaft die Rückkehr zu einem wirklich tragfähigen Wurzelgrund. Und ich wünsche unserer Gesellschaft die Klarheit der Hirten aus der Weihnachtsgeschichte. Ich wünsche ihr Klarheit und Klärung darüber, wer wir sind und was wir wollen; was uns antreibt und umtreibt und woran wir uns dabei orientieren."

Über hohen Besuch freuten sich Pfarrerin Ulrike Veermann und Pfarrer Joachim Gerhardt in der Lutherkirche. Bundespräsident Horst Köhler besuchte mit seiner Familie die Christvesper, um anschließend in der Villa Hammerschmidt, seinem Bonner Dienstsitz, im familiären Kreis Weihnachten zu feiern.

Der Bundespräsident saß, wie die beiden vergangenen Jahre auch, wieder inmitten der Gemeinde auf der Kirchenbank, auf der schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss und seine Frau Elly Heuss-Knapp regelmäßig zu Gottesdiensten gesessen hatten. Die Lutherkirche beschloss, einzigartig in Bonn, den Heiligen Abend mit einem , weihnachtlichen Jazz-Gottesdienst bei Kerzenschein, gestaltet von dem Ensemble "Silent Night".

Die Kirche war anschließend bei Brot, Käse und Wein noch geöffnet, bis die letzten gegangen waren; es wurde Halbdrei. Um Mitternacht hatten die Bläser der Lutherkirchengemeinde noch vom Turm von der katholischen Nachbarkirche Sankt Sebastian Weihnachtschoräle gespielt und damit ein weithin hörbares ökumenisches Weihnachtszeichen gesetzt.

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