Peer Steinbrück in Bonn Kanzlerkandidat fordert mehr Finanzfahnder und Informationsaustausch

BONN · 45 Tage sind eine lange Zeit. Steinadler etwa benötigen sie, um ihre Eier auszubrüten. Und was schafft ein Steinbrück in dieser Zeit? Das Ziel ist klar formuliert, der SPD-Mann will am 22. September Kanzler werden. Mit Themen, die ihm den Zuspruch vieler Wähler sichern sollen, zieht Peer Steinbrück deshalb durch die Republik. Am Mittwoch war er in Bonn.

 Schulter an Schulter gegen das Verbrechen: Peer Steinbrück und Norbert Walter-Borjans.

Schulter an Schulter gegen das Verbrechen: Peer Steinbrück und Norbert Walter-Borjans.

Foto: dpa

Steinbrück war für ein Gespräch mit NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Steuerfahndern nach Bonn gekommen. "Steuerhinterziehung zerreißt die Gesellschaft", sagt er. Denn je mehr prominente Fälle bekannt würden, desto öfter frage sich der Bürger: "Bin ich eigentlich der Dumme?"

Deshalb - und weil dem Staat Milliarden Euro verloren gehen -, dringt Steinbrück auf einen schärferen Kampf gegen Steuerhinterziehung und sieht darin auf längere Sicht auch eine Chance für Steuersenkungen, wenn er denn an die Macht kommt.

45 Tage sind nämlich auch genug Zeit, um das Ziel zu verfehlen. Denn Peer Steinbrück ist nicht nur ein Verfechter des klaren Wortes, sondern auch ein bekannter Kandidat für Fettnäpfchen. Am Wochenende erst kritisierte er, dass es Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an Leidenschaft für Europa fehle.

Dies hänge damit zusammen, dass sie in der DDR sozialisiert worden sei und ihr das Projekt Europa ferner stehe als einem in Westdeutschland aufgewachsenen Politiker. Für diese Äußerung muss Steinbrück scharfe Kritik der Union einstecken. "Der SPD und dem Kanzlerkandidaten fällt scheinbar nichts mehr anderes ein als die Diffamierung ihrer Kontrahenten", sagte Fraktionschef Volker Kauder (CDU) der "Rheinischen Post". "Steinbrücks Aussage ist einfach nur albern. Wenn jemand Europa in der Krise zusammengehalten hat, dann war es die Kanzlerin."

Gestern in Bonn ließ er sich von der Debatte nichts anmerken und konzentrierte sich auf nüchterne Zahlen. Gehe man von konservativen Schätzungen der Steuergewerkschaft aus, dann kostet Steuerhinterziehung in Deutschland mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr. Beziehe man legale Praktiken der Steuervermeidung mit ein, gehe es sogar um bis zu 160 Milliarden Euro.

Steinbrück wies darauf hin, dass umgekehrt beispielsweise weniger als sechs Milliarden Euro erforderlich seien, um 15.000 Ganztagsschulen zusätzlich mit Sozialpädagogen auszustatten und 200 000 Kita-Plätze zusätzlich einzurichten. Auf längere Sicht seien sogar niedrigere Steuersätze möglich, "wenn der Kampf gegen Steuerhinterziehung erfolgreich ist". Um dies zu erreichen, forderte Steinbrück mehr gut ausgebildete Steuerfahnder sowie auf internationaler Ebene einen automatischen Informationsaustausch.

Steinbrück warf Union und FDP vor, nach außen für eine Bekämpfung von Steuerhinterziehung einzutreten, während zugleich "im Hintergrund daran gestrickt wird, Steuerschlupflöcher zu erhalten". Dies betreffe zwar nicht so sehr die Regierungsebene, wohl aber Koalitionsfraktionen und Lobbyarbeit in den Ministerien.

Auf die schlechten Umfragewerte für seine Partei angesprochen, sagte Steinbrück, der Wahlkampf fange gerade erst an. Gelinge es ihm und der SPD, auch an Haustüren und auf den Straßen Wähler zu mobilisieren, so würden sich die aktuellen Umfragezahlen als "Schall und Rauch" erweisen. Er hat noch 45 Tage Zeit, das Blatt zu wenden.

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