"Kaiser Wilhelm" fährt schwarz

Den Kontrolleuren der Stadtwerke sind seit Jahresbeginn 8 283 Personen ohne Fahrschein ins Netz gegangen - Typischer Schwarzfahrer ist zwischen 20 und 30 Jahre alt und männlich

  Vor jeder Einstiegstür  ein Kontrolleur: Bei Schwerpunktkontrollen bleibt die Bahn dann an der Haltestelle stehen, bis alle Fahrgäste überprüft worden sind.

Vor jeder Einstiegstür ein Kontrolleur: Bei Schwerpunktkontrollen bleibt die Bahn dann an der Haltestelle stehen, bis alle Fahrgäste überprüft worden sind.

Foto: Malsch

Bonn. "Wer ich bin? Kaiser Wilhelm I." Es gibt nicht viel, was die Kontrolleure in Bonner Bussen und Bahnen noch überraschen könnte. Aber diese Antwort eines Schwarzfahrers war auch für sie neu. Der vermeintliche "Kaiser Wilhelm I." ohne Fahrschein war ein 49-jähriger Mann, der sich im August vorigen Jahres bei der Frage nach seinen Personalien drücken wollte ( der GA berichtete).

In solchen Fällen tun die 38 "Prüfer", wie die Stadtwerke ihre Kontrolleure nennen, das, was sie immer in solchen Fällen tun. Sie rufen die Polizei. Die stellte dann auch in diesem Fall die wahre Identität des 49-Jährigen fest, denn ein Beamter erkannte auf der Wache "Kaiser Wilhelm I." als alten Bekannten wieder.

Um Ausreden nicht verlegen war auch ein anderer Fahrgast, als die Kontrolleure kamen. "Mein Hund hat den Fahrschein gefressen", sagte er. Solch muntere Begebenheiten bleiben die Ausnahme. Fast die Regel ist inzwischen aber, dass Schwarzfahrer aggressiv reagieren, wenn sie erwischt werden. "Es gibt sehr häufig Anfeindungen", sagt der Chef der Kontrolleure, Hans-Werner Hennes. Immerhin: "Es ist ganz selten, dass ein Prüfer geschlagen wird."

Um Angriffe im Keim zu ersticken, sind die Männer und Frauen immer mindestens zu zweit unterwegs. Und wer schon den Eindruck macht, beim Personalien-Abgleich davonlaufen zu wollen, wird von mehreren Kollegen "gesperrt", wie Hennes sagt. Schwerpunkt-Kontrollen, bei denen auch gleich die Polizei mit an Ort und Stelle ist, erleichtern die Arbeit. Nicht selten, dass dabei auch Leute abgegriffen werden, die per Haftbefehl gesucht werden.

216 756 Fahrgäste haben die 38 hauptamtlichen und 30 freiwilligen Prüfer von Jahresbeginn bis Ende Mai kontrolliert. 11 200 von ihnen hatten kein Ticket dabei, das entspricht 5,17 Prozent.

Rechnet man noch diejenigen ab, die ihr Ticket wirklich nur vergessen hatten und es später vorlegten (gegen eine Bearbeitungsgebühr von sieben Euro), bleiben unterm Strich 8 283 Schwarzfahrer übrig - eine Quote von 3,82 Prozent. Wer ertappt wird, muss 40 Euro "erhöhtes Beförderungsentgelt" bezahlen, ab dem zweiten Mal kommt jeweils eine Anzeige und damit ein Strafverfahren hinzu.

Bagatellen sind das inzwischen nicht mehr. Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte finden solche Delikte nicht mehr spaßig und kennen kein Pardon mit den "Leistungserschleichern", wie es im Amtsdeutsch heißt.

Eine 24-jährige Wiederholungstäterin, die über mehrere Jahre immer wieder ohne Ticket unterwegs war und dreimal in Folge ertappt wurde, bekam vor einigen Jahren in Bonn eine Geldstrafe von 1 050 Euro aufgebrummt.

Ein 28-Jähriger aus Ahrweiler kassierte zwei Monate Haft auf Bewährung. Die Bewährungszeit legte das Gericht auf vier Jahre fest. Noch am unteren Rand des Strafmaßes rangieren Sozialstunden für die jungen Leute.

Denn jung sind sie, die typischen Schwarzfahrer - zwischen 20 und 30 Jahren und männlich, haben die Stadtwerke festgestellt. Und sie sind nur noch Gelegenheitskunden von Bus und Bahn, weil sie schon Auto oder Motorroller fahren und kein Schülerticket mehr haben.

Was nicht jeder weiß: Nach wie vor gibt es die Aktion "Aus Schwarzfahrern werden Kunden". Wer nicht bezahlt hatte, erwischt wird und dann ein Dauerticket im Abo kauft, braucht das "erhöhte Beförderungsentgelt" von 40 Euro nicht zu bezahlen. Im internen Jargon wird diese Möglichkeit als "rosa Abo" bezeichnet, wegen der Farbe des Vordrucks.

Inzwischen kennen viele Fahrgäste die Gesichter der Kontrolleure. Kein Wunder: Manche sind schon zwölf Jahre dabei, die jüngeren Kollegen auch schon mindestens vier Jahre - der Einstellungsstopp lässt grüßen. Vorteil: Die Prüfer kennen jeden Trick und jede Ausrede. Dazu gibt es noch 30 freiwillige Prüfer, die nach ihrem Dienst als Fahrer oder in der Verwaltung auf die Jagd gehen - gegen eine "Kopfprämie" von 15 Euro pro Schwarzfahrer.

Groß tricksen können die Fahrgäste ohnehin nicht, wenn die Kontrolleure zusteigen. Zumindest nicht bei Dauertickets, die dank des Chips auf der Plastikkarte heute fälschungssicher sind. Anders die Papierfahrscheine: Manipulationen mit Tesafilm oder Wachs, um den Entwertungsstempel später wieder von der Streifenkarte abwischen zu können, gibt es, man sieht sie heute aber nur noch selten, sagt Hennes. "Das merkt jeder Prüfer sofort, weil das so glänzt."

Hinzu kommt: Nur zwei von zehn Fahrgästen sind noch mit einem Papierfahrschein unterwegs - die gute, alte Streifenkarte ist auf dem Weg, ein Auslaufmodell zu werden. Aber auch die Plastik-Tickets haben ihre Nachteile: Es dauert pro Karte 20 bis 30 Sekunden, bis sie ins Lesegerät gesteckt sind und die Informationen angezeigt werden. Und auch die Vielzahl der unterschiedlichen Tickets sorgt schon mal für Konfusion. Auch bei den Prüfern.

Immer wieder in den Bahnen ein Problem: Die Fahrscheinautomaten nehmen keine Banknoten - aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Als Ausrede der Fahrgäste wird das nicht akzeptiert, denn zumindest an den Bahnhaltestellen stehen Automaten, die auch Noten annehmen.

Wann Hennes seine Leute zur Kontrolle schickt, verrät er nicht. Nur soviel: "Die Einsatzzeiten liegen zwischen 6 Uhr morgens und 1.30 Uhr nachts." Wochentags wird mehr kontrolliert als an Wochenenden oder bei Großveranstaltungen.

Aber: "Wir kontrollieren jetzt häufiger auch später als gewohnt oder an Wochenenden", sagt SWB-Marketing-Leiterin Anja Wenmakers und fügt hinzu: "Unsere Kunden wollen das und haben uns das als Anregung mit auf den Weg gegeben." Deshalb wurden die Zeiten ausgedehnt, wenngleich: "Das ist nicht die Regel." Der "Prüfdruck" soll in jedem Fall hoch gehalten werden, damit möglichst viele Fahrgäste auch ein Ticket kaufen.

Wirklich in die Karten schauen lassen sich die Stadtwerke also in diesem Punkt nicht. Und auch die Frage, ob die Mitarbeiter in Dienstkleidung oder Zivil unterwegs sind, wird nicht eindeutig beantwortet. "Überwiegend Uniform", heißt es, aber auf Anordnung auch Privatkleidung. Man ist auf alles vorbereitet. Auch auf einen "Kaiser Wilhelm".

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