Abseits der Corona-Krise In Bonn gehen die Kinderärzte aus

Bonn · Stadtweit gibt es nur noch 25 Fachpraxen. Aktuell setzen sich Politiker für die Ansiedelung eines Arztes in Tannenbusch ein. „Wir gehen auf einen massiven Versorgungsmangel zu“, so der Obmann der Bonner Kinder- und Jugendärzte.

 Untersuchung beim Kinderarzt: Die Bonner Praxen sind voll. Besonders angespannt ist die Lage in Tannenbusch, denn dort gibt es keine Kinderarztpraxis. Dafür soll jetzt eine Lösung gefunden werden.

Untersuchung beim Kinderarzt: Die Bonner Praxen sind voll. Besonders angespannt ist die Lage in Tannenbusch, denn dort gibt es keine Kinderarztpraxis. Dafür soll jetzt eine Lösung gefunden werden.

Foto: picture alliance/dpa/Andrea Warnecke

Nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie ist die ärztliche Versorgung im Bonner Stadtgebiet für viele Bürger ein Thema. Immer weniger Ärzte versorgen immer mehr Menschen – und Prognosen gehen davon aus, dass die Situation sich weiter verschlimmern wird.

Besonders hart trifft der Ärztemangel Kinder und Jugendliche in Tannenbusch. Dort ist zurzeit keine Praxis für die Jüngeren ansässig. Das soll sich nun ändern, so die Stadtratsfraktionen der Grünen, FDP, SPD und CDU. Gemeinsam haben Sie einen Antrag formuliert, demzufolge die Verwaltung die Ansiedlung einer Praxis unterstützen soll. „Es geht um eine sehr kinderreiche Siedlung“, bekräftigt Ratsmitglied Georg Schäfer (CDU). „Auch im Interesse frühkindlichen Versorgung ist die Ansiedlung einer Praxis sicherlich notwendig.“

„Wir gehen auf einen massiven Versorgungsmangel zu“

Dr. Axel Gerschlauer, Obmann der Bonner Kinder- und Jugendärzte, geht davon aus, dass sich die Situation im gesamten Stadtgebiet in den nächsten Jahren noch verschlimmern wird: „Wir gehen auf einen massiven Versorgungsmangel zu“, sagt der Mediziner, der selbst eine Praxis in der Bonner Südstadt führt. Schätzungsweise würden ein Viertel der Kinder- und Jugendärzte in den nächsten fünf Jahren den Betrieb einstellen. Zurzeit gebe es noch 25 Praxen in der Stadt.

„Der Nachwuchs kommt nicht so wie früher“, sagt er. Als er nach dem Studium begann, habe es einen regelrechten „Kampf um die Praxen“ gegeben. Das sei nun anders – unter anderem deshalb, weil junge Ärzte einen größeren Wert auf eine gute Work-Life-Balance legten. „Und das ist auch in Ordnung. Sie sind einfach schlauer als wir damals“, sagt der Arzt schmunzelnd. Durchschnittlich arbeiteten Kinder- und Jugendärzte rund 52 Stunden in der Woche, das sei vielen jungen Medizinern zu viel.

Für Tannenbusch soll jetzt eine Lösung gefunden werden

Zumindest für Tannenbusch soll jetzt eine Lösung gefunden werden. „Das Problem begegnet uns seit vielen Jahren“, betont das Mitglied des Bonner Sozialausschusses Peter Kox (SPD). Der Runde Tisch gegen Kinder- und Familienarmut habe sich dem Thema daher angenommen.

„Wenn sich im Laufe des Jahres ein positiver Zwischenstand ergibt, wäre ich sehr froh“, so Kox. Detmar Jobst, sachkundiger Bürger für Bündnis90/Die Grünen im Sozialausschuss und Vorsitzender des Beirats „Soziale Stadt Tannenbusch“ sieht die Situation ebenfalls als „Dauerbrenner“ und bringt für eine mögliche neue Praxis das alte Awo-Gebäude ins Spiel, das mittlerweile der Stadt gehört.

Die Verwaltung habe angedeutet, dass neben dem Schulamt und dem schulpsychologischen Dienst auch Platz für eine Praxis vorhanden sei. Nach einer entsprechenden Anfrage konnte  das städtische Presseamt diese Aussage nicht bestätigen, bezieht aber zum Antrag der Fraktionen wie folgt Stellung: „Die Ansiedlung einer Kinderarztpraxis in Tannenbusch ist ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Kinderarmut“. Im Fall der Annahme des Antrags im Hauptausschuss werde „unverzüglich“ mit den Schritten begonnen.

Auch weitere gute Nachrichten gibt es: Die Versorgungssituation in Bonn ist Gerschlauer zufolge zurzeit „vergleichsweise gut“. Auf dem Land gebe es schon jetzt massive Probleme. Trotz der vergleichsweise guten Versorgung in Bonn „sind die Praxen aber einfach alle voll“, lässt der Mediziner, der in Bonn studierte, wissen. Immer weniger junge Ärzte seien bereit dazu, sich selbstständig zu machen. Das liege aber weniger an der Bezahlung als an den vielen Arbeitsstunden und dem „steigenden Verwaltungskram“. Gerschlauer betont: „Die Aufgaben, die mit Papier zu tun haben, werden immer mehr.“ Das schrecke ab. All das dürfe aber einer Lösung nicht im Wege stehen, findet Ratsherr Georg Schäfer: „Das ist ein Punkt, der möglichst schnell angegangen werden muss, am liebsten vorgestern.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort