"Ich spinne fast täglich"

Mehr als gleichgesinnte 30 Frauen trafen sich am Samstagmorgen im Pfarrheim von Sankt Antonius in Niederholtorf zu einem Erfahrungsaustausch, Fachsimpeln und Spinnen.

 Der Wollfaden muss gleichmäßig von der Rolle laufen. Mit Fingerspitzengefühl wird der Vorgang kontrolliert. Fotos: Volker Lannert

Der Wollfaden muss gleichmäßig von der Rolle laufen. Mit Fingerspitzengefühl wird der Vorgang kontrolliert. Fotos: Volker Lannert

Niederholtorf. Behutsam lässt Dagmar Weber einen dünnen Faden durch ihre Hand gleiten, während sie mit den Füßen das Doppeltrittbrett ihres Spinnrades bedient. "Ich liebte schon immer zu stricken, fragte mich aber oft, wo denn eigentlich der Faden herkommt und wie er hergestellt wird", erzählte sie.

Vor knapp drei Jahren sei sie der Sache dann endlich auf den Grund gegangen und habe sich ein günstiges gebrauchtes Spinnrad besorgt. "Im Internet suchte ich nach einer Anleitung, wie ich denn nun das Rad bedienen soll. Ich dachte bis dahin, dass ich mit meiner Neugier alleine bin, musste im Netz aber feststellen, dass es hunderte begeisterte Spinnfans in Deutschland gibt", erklärte sie.

Linktipp Weitere Infos unter www.handspinngilde.orgSchnell sei sie mit dieser kleinen Szene in Kontakt gekommen. Bald nach dem ersten Erfahrungsaustausch habe sie sich dann ein neues moderneres Spinnrad besorgt.

"Es gibt sehr regelmäßige Treffen in ganz Deutschland, bei denen gemeinsam gefachsimpelt und gesponnen wird", betonte Dagmar Weber. Wunderlicherweise habe es aber kaum Veranstaltungen in der Gegend gegeben. "Alle Treffen fanden im Norden oder Süden statt, kurzerhand dachte ich, dass man doch eine Brücke schlagen sollte und lud zum Bonner Spinntreffen ein", so Dagmar Weber.

Mehr als 30 gleichgesinnte Frauen folgten ihrer Einladung. Sie trafen sich am Samstagmorgen im Pfarrheim der katholischen Sankt Antoniusgemeinde zum gemeinsamen Spinnen. "Durch das Internet kennen sich fast alle untereinander", sagte Dagmar Weber und deutete in den Saal. Kreisförmig sitzen die Spinnerinnen an ihren Rädern, klönen, lachen und verarbeiten die unterschiedlichsten Wollarten.

"Die Möglichkeiten sind förmlich unendlich. Nahezu jede Faserart kann zu Zwirn gesponnen werden", erklärte Dagmar Weber. An allem Anfang steht das Waschen der Wolle, anschließend wird sie gefärbt, danach müssen die Fasern entweder gekämmt oder mit einer sogenannten Kardiermaschine bearbeitet werden.

Auf einer großen Walze wird die Wolle in ihr von hunderten Haken gebürstet und geglättet. Es entsteht ein dichter weicher Flor oder Vlies. "Die Maschine sorgt dafür, dass alle Fasern in einer Richtung liegen, damit man sie ordentlich verarbeiten kann. Das Flies kann nun direkt am Rad zu Fäden gesponnen werden", berichtete sie.

"Es ist einfach ein tolles Gefühl den gesamten Produktionshergang eines Kleidungsstücks nachvollziehen und beeinflussen zu können", sagte die Expertin. Manche ihrer Kolleginnen der Bonner Spinngruppe, mit denen sie sich regelmäßig trifft, gingen so weit, ihre eigenen Tiere zu halten und ihre Wolle zu Kleidung zu verarbeiten. "Eine von uns hält Alpakas, eine andere schottische Schafe."

Ein Leben ohne Spinnen könne sie sich kaum noch vorstellen. "Ich spinne tatsächlich täglich. Entweder sitze ich mit Freundinnen zusammen, quatsche und spinne, oder ich lasse den Faden nebenbei beim Fernsehen durch meine Hände gleiten."

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