"Ich konnte nicht Abschied nehmen"

BONN · Eine Witwe beklagt: Ihr Ehemann ist ganz kurz nach seinem Tod in der Bonner Landesklinik ohne ihr Wissen weggebracht worden.

"Ich habe heute noch das Gefühl, daran zu ersticken", sagt Roswitha Jörss leise. Die Umstände, wie mit ihrem verstorbenen Mann umgegangen wurde, machen die Witwe auch Wochen danach "total fertig".

Da rief die Landesklinik eines Mittags kurz vor 12 Uhr an und übermittelte ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes. "Als ich sofort kommen wollte, haben die rumgedruckst. Das brauche ich nicht mehr. Mein Mann sei schon beim Bestatter." Die Klinik hätte vorher ihre Telefonnummer nicht gefunden.

Wie die Witwe dann ermittelte, war ihr Mann um 2.02 Uhr gestorben. Nur zwei Stunden später hatte die Klinik den Leichnam von ihrem Vertragsbestatter abholen lassen. Selbst seine Papiere waren bei ihrem Eintreffen nicht mehr da.

So erfuhr Roswitha Jörss die genaue Todesursache erst nach langwierigen Nachfragen. "Darf ein Totenschein schon weniger als zwei Stunden danach ausgestellt sein?", fragt sie.

Und: Dürfe eine Klinik ihr jegliche Möglichkeit nehmen, von ihrem Mann am Ort seines Todes Abschied zu nehmen? "Die haben mich doch beklaut." Erst später habe sie den Leichnam vom Bestatter ihrer Wahl abholen lassen können. "So wurde er noch wie ein Hermespaket ausgeliefert."

In der Klinik sei in diesem Fall "etwas schief gelaufen", es habe ein Verschulden gegeben, gibt LVR-Pressesprecher Michael Sturmberg zu. Nach der Anfrage des General-Anzeigers habe sich der ärztliche Direktor sofort persönlich bei der Witwe entschuldigt.

Und zwar dafür, dass man sie nicht rechtzeitig benachrichtigte habe. Der Grund: Ihre Handynummer sei nicht dokumentiert gewesen, es habe Probleme mit der Schreibweise des Namens gegeben und die Nummer sei erst am Morgen wieder aufgetaucht. "Weil wir kein Kühlhaus haben und Verwesungsprozesse eintreten, mussten wir innerhalb von vier Stunden reagieren", sagt Sturmberg.

Die Ausstellung des Totenscheins sei korrekt verlaufen. Der Zeitrahmen sei durchaus üblich, wenn Leichenflecke nachweisbar seien. "Wir müssen jedoch sicherstellen, dass Angehörige auf keinen Fall zu spät informiert werden", meint Sturmberg.

Nach der Überführung habe die Witwe natürlich den Bestatter ihrer Wahl einschalten und ihren Mann dort noch einmal sehen können. Fazit für die Klink sei, dass eine absolut "ungünstige Konstellation" eintrat, die künftig verhindert werden müsse.

"Wir kämpfen seit Jahren mit der LVR-Klinik, weil sie wegen fehlender Kühlhäuser immer diesen Zeitstress macht", erklärt Werner Kentrup, stellvertretender Vorsitzende des Stadtverbands der Bestatter. Die Beschwerde der Witwe seien kein Einzelfall. Jedes andere Bonner Krankenhaus, auch ein weiteres ohne Kühlhaus, schaffe es, den Angehörigen einen Raum zum Abschiednehmen zu geben.

"Es ist unnötig, ja tragisch, einen Toten nachts sozusagen entsorgen zu lassen, als ob er nichts wert ist. Dabei kann man ihn bis zu 36 Stunden liegen lassen", sagt Kentrup. Gerade die Zeitspanne zwischen Tod und Trauerfeier sei für das Abschiednehmen wichtig. "Es gibt Fälle, da wollen Menschen sogar mit uns mitfahren und sehen: Wo bleibt mein Opa?"

Die Hinterbliebenen müssten loslassen können. Auch die Überführung selbst dürfe die Familie veranlassen. "Und was den Totenschein betrifft: Soviel ich weiß, sind die sicheren Zeichen des Todes erst nach mindestens zwei Stunden zu erkennen."

Das schreibt das Gesetz vor: Totenkonservierung und Aufbewahrung Toter regelt § 11 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen in NRW.

Der Verstorbene darf nach dem Gesetz bis 36 Stunden nach dem Tod in eine Leichenhalle überführt werden. Es sei denn, er litt an einer meldepflichtigen Krankheit.

Wer den Toten erst einmal zu Hause lässt, stellt die Heizung ab.

Es gibt kein "Leichengift". Körperöffnungen lassen sich mit Hilfe des Bestatters verschließen.

Die Körpertemperatur eines Toten nimmt nur langsam ab. Nach zehn Stunden beträgt sie etwa 27 Grad.

Hinterbliebene haben das Recht, den Leichnam selbst zu waschen, anzukleiden und ihm einen letzten Dienst zu erweisen, etwa die Lieblingscreme oder Schminke aufzutragen. Auf Wunsch hilft der Bestatter.

Die Leichenstarre löst sich nach einem Tag. Dann lässt sich der Körper wieder bewegen. Selbst Gelenke lockern sich durch leichte Massage, so dass der Tote seine Lieblingskleidung erhalten kann.

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