Heinz Pilartz: "Begeisterungsfähige Menschen nörgeln nicht"

BONN · Der Arzt Heinz Pilartz beschäftigt sich mit dem Wohlbefinden im Alter. Am Donnerstag steht sein VHS-Vortrag im Heinz-Dörks-Haus auf dem Terminplan.

 Heinz Pilartz spricht über das Alter. Repro: GA

Heinz Pilartz spricht über das Alter. Repro: GA

Zum Thema Wohlbefinden im Alter informiert der Arzt Heinz Pilartz am Donnerstag, 2. Februar, um 16 Uhr bei einer Veranstaltung der Volkshochschule im Heinz-Dörks-Haus, Joachimstraße 10.

Der Übergang in den sogenannten Ruhestand fällt sicher den meisten schwer...
Heinz Pilartz: Ja, das kann man wohl sagen. Die Menschen haben das "Programm Beruf" gelernt. Es fehlt aber oft eine Vision für die kommenden Jahre. Der Übergang kann dann zur Krise werden. Wenn sich etwas ändert, bietet sich aber die Möglichkeit zu einem Neuanfang. Es gilt zu fragen: Welche Bedingungen, Aktivitäten, Normalitäten von früher passen mir nicht mehr? Wo will ich etwas ändern? Allerdings muss sich der Einzelne schon selbst um Entwicklung kümmern. Sonst besteht die Gefahr, dass sein Leben unerwartet beeinflusst wird.

Sie sehen das Alter also als Chance. Wo eröffnen sich neue Wege?
Pilartz: Der Einzelne sollte erst einmal darüber nachdenken, was schon immer oder noch nie Freude gemacht hat. Er sollte eine ehrliche Bilanz ziehen: Bin ich eher ruhig oder lebhaft, eher Einzelgänger oder Gruppenmensch, eher körperaktiv oder geistig interessiert, eher wohlhabend oder finanziell eng, eher fit oder körperlich eingeschränkt, eher familienorientiert. Daraus ergibt sich die Richtung. Von den vielen Wegen sind nach der Bilanz nur noch wenige übrig. Keiner kann voraussagen, wie es dann wirklich kommen wird. Das hängt auch von Zufällen oder unerwarteten Ereignissen ab. Aber die Richtung der Entwicklung sollte aktiv gewählt werden.

Warten nicht auch Konflikte in der Partnerschaft auf die "jungen Senioren"?
Pilartz: Es scheint mir wichtig, ein gutes Wort für "Konflikte" einzulegen. Ohne sie gäbe es keine Entwicklung. Konflikte signalisieren Lernen und Abstimmung. Konflikte treten auf, wenn zwei Menschen zum gleichen Thema, etwa Einkauf, Freunde oder Urlaubsziel, eine gemeinsame Lösung suchen müssen. Das Ziel ist darauf gerichtet, dass es beiden hinterher gut geht. Hier muss man vielleicht eine völlig neue Idee entwickeln, kreativ sein, auch auf den anderen zugehen. Das Ergebnis hat oft nichts mit richtig oder falsch, Durchsetzung oder Verlieren zu tun. Konflikte ermöglichen gemeinsame Wege und Ideen. Das ist natürlich manchmal anstrengend.

Sie raten, frühzeitig das Verhältnis mit der nachfolgenden Generation zu ordnen. Warum?
Pilartz: Das Verhältnis zwischen Jung und Alt ändert sich im Verlauf des Lebens ständig. Die Verantwortung der jüngeren Generation nimmt zu. Aber Erlebnisse und Enttäuschungen aus der Vergangenheit verhindern zielgerichtete Gespräche. Unterschiedliche Überzeugungen führen zu Missverständnissen. Tabus verunsichern Alt und Jung. Klarheit, Offenheit, Aufrichtigkeit und auch die Bereitschaft, die andere Generation an den aktuellen Entwicklungen teilhaben zu lassen, können hier helfen. Absprachen geben Gewissheit und führen zu einer Klärung für die Zukunft. Solche Gespräche durch einen Mediator begleiten zu lassen, kann hilfreich sein.

Warum ist Begeisterungsfähigkeit im Alter wichtig?
Pilartz: Begeisterung macht Menschen spannend, attraktiv, anziehend. Diese Menschen klagen und nörgeln in der Regel nicht. Sie haben etwas zu erzählen. Sie haben keine Langeweile. Dann ist die Konzentration eines bestimmten Hormons im Gehirn erhöht. Sozialkontakte werden erleichtert. Das Interesse am Miteinander wird größer. Kommt es zu gemeinsamen Erfolgen, steigt die Konzentration dieses Hormons erneut. Als Belohnung bleibt die Lernfähigkeit bis ins hohe Alter erhalten.

Und wie werden Sie selbst Ihr persönliches Wohlbefinden im Alter finden?
Pilartz: Ich habe keine wesentlichen körperlichen Einschränkungen. Gemeinsam mit meiner Frau verwirkliche ich Ideen und achte darauf, ein ausreichendes Maß an Freude zu erleben. Ich habe mich frühzeitig entschieden, meinen sicheren Beruf zu verlassen und habe mehr Projekte im Kopf, als ich verwirklichen kann. Zeit für Fernsehen oder "Beine hoch" habe ich kaum. Für mich ist es richtig so. Ich bin mir aber bewusst, dass sich schnell etwas ändern kann. Ich bin bereit, dann Anpassungen zuzulassen. Dass das Leben leicht sei, hat uns niemand versprochen.

Zur Person: Heinz Pilartz ist 58 Jahre alt, verheiratet, hat drei erwachsene Töchter. Von 1982 bis 2009 war er in eigener Praxis als Allgemeinmediziner tätig. Seit 2002 arbeitet er als Mediator. Sein Buch "Mediation im Gesundheitswesen" kam 2011 heraus. Kontakt über www.forum-m-pilartz.de.

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