Bonner Kommunalreform vor 50 Jahren Zeitzeuge erinnert an die Veränderungen für Hardtberg

Hardtberg · Der Zeitzeuge Heiner Eckoldt erzählt 50 Jahre nach der Kommunalreform von Übergangsschwierigkeiten, auch wenn "die Revolution" ausblieb. Der Bund übte Druck zuvor aus, weil er zu Hauptstadtzeiten nicht mit drei Städten parallel verhandeln wollte.

Richtfest der Grundschule Medinghoven am 4. April 1975: In der Mitte mit Kapuzenparka steht Heiner Eckoldt.

Richtfest der Grundschule Medinghoven am 4. April 1975: In der Mitte mit Kapuzenparka steht Heiner Eckoldt.

Foto: Presseamt

Das Getöse um die Raumordnung war erwartungsgemäß mit Inkrafttreten des Bonn-Gesetzes am 1. August 1969, Schlag 24 Uhr, nicht verklungen. Eine Kernfrage war, wie sich die neuen Stadtbezirke politisch in das „Groß-Bonn“ einbringen. „Das Leben musste ja weitergehen“, sagt Heiner Eckoldt. Der Sozialdemokrat ist das einzige noch lebende Mitglied des ersten Bezirksausschusses für Hardtberg. „Hier gab es ohnehin keine Revolution, weil in den Gemeinden längst mehr zugezogene Bundesbedienstete wohnten als Alteingesessene.“ In Duisdorf war die Einwohnerzahl zwischen 1939 und 1968 von 4900 auf rund 17.000 angewachsen, in Lengsdorf von 1800 auf 7750.

„Zur Raumordnung im Rahmen der Hauptstadtfunktion Bonns gab es offenbar keine Alternative. Die Bundesregierung machte Druck. Sie wollte nicht mit drei Städten verhandeln müssen, wenn es beispielsweise um die Organisation von Staatsbesuchen ging “, erinnert sich Eckoldt. Ziel der von der NRW-Landesregierung vorangetriebenen Raumordnung war daher eine bessere Planungs- und Entwicklungssicherheit für die provisorische Bundeshauptstadt. Daran wurde nicht zuletzt vom Bund – als Geldgeber – die Erwartung geknüpft, dass zügig Siedlungsbereiche geordnet, Verkehrsnetze aus- und moderne Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden.

Mit Tag eins wuchs „Groß-Bonn“ von 138.000 auf knapp 300.000 Einwohner; die Fläche hatte sich annähernd verfünffacht. Im Nachhinein sagt der 82-jährige Eckoldt: „Es war eine Eingemeindung.“ Denn Spitzenpositionen in der neuen Verwaltung seien bereits mit Bonnern besetzt gewesen. „Ich hatte damals den Eindruck, dass Beuel und Hardtberg abrasiert wurden. Aber es kam dennoch relativ schnell zu einer konstruktiven Zusammenarbeit.“

Wie viel Mitwirkung sollten Gemenden haben

Was die örtlichen Politiker natürlich beschäftigte, war die Frage der Mitwirkung der Gemeinden, die ihre Selbstständigkeit aufgegeben hatten. Duisdorf und Lengsdorf hatten schon vor der Neuordnung den Wunsch zum Zusammenschluss mit dann rund 27.000 Einwohnern geäußert. Streitpunkt war die Zuordnung von Ippendorf, Röttgen, Lessenich und Buschdorf.

Sie hatten im Vorfeld der Neugliederung separate Verträge mit der Stadt Bonn abgeschlossen, die ihnen ein größeres Eigenleben zusicherten. Hardtberg machte sich Hoffnungen, dass die Gemeinden ihm zugesprochen würden. Mit dem Zuwachs an Wohnbevölkerung hätte sich das politische Gewicht des Stadtbezirks erhöht.

Der Stadtrat beschloss im Februar 1970 gegen die Stimmen der SPD die Aufgliederung in acht (heute sind es vier) Stadtbezirke. Die Sozialdemokraten hielten es für falsch, solche Minibezirke im früheren Duisdorfer Amtsbereich zu bilden, zumal die Belange der Orte auch durch die Stadträte vertreten würden.

Die vier kleinen sollten einen Ortsvorsteher haben, die großen Bezirksausschüsse, deren Mitglieder im Proporz des Wahlergebnisses 1969 von den Fraktionen vorgeschlagen und vom Stadtrat gewählt wurden. Bezirksausschüsse waren zwar im Bonn-Gesetz vorgesehen, jedoch ohne klar definierte Rechte und Aufgaben. Erst die Hauptsatzung der Stadt Bonn sicherte ihnen – in Anlehnung an die Ratsausschüsse – Anhörungs- und Vorschlagsrecht zu. Mitwirkung wurde etwa bei der Planung von sozialen Einrichtungen, bei der Benennung von Straßen, der Gestaltung von Grünanlagen, bei der Sportstättennutzung, bei Jahrmärkten und den Beziehungen zu Partnerstädten eingeräumt. Eckoldt: „Wir waren froh, dass wir überhaupt eine Interessenvertretung bekamen. Aber was hatten wir zu entscheiden?“

Erster Bezirksausschuss am 8. März 1970

Am 8. März konstituierte sich der siebenköpfige Bezirksausschuss Hardtberg in der Bezirksverwaltungsstelle mit dem CDU-Stadtverordneten Heinz Keiser als Vorsitzendem und dem SPD-Stadtverordneten Toni Mai als Stellvertreter. Erster Beschluss war, grundsätzlich öffentlich zu tagen, und zwar abwechselnd in Duisdorf oder Lengsdorf. Das Gremium startete mit einer Bestandsaufnahme, schließlich war das Entwicklungsprojekt Hardtberg seit Mitte der 1960er Jahre in Gang. „Wir wussten nicht, ob die Stadt Bonn das Projekt Hardtberg nach der Eingemeindung so weiterführt, wie wir es uns vorgestellt haben“, wird Heinz Keiser in der Bonner Rundschau zitiert.

Eckoldt heute: „Für uns war wichtig, dass die Entwicklungsmaßnahme mit Zuschüssen von über einer Million D-Mark weiterlief. Der damalige Oberstadtdirektor wollte das verhindern und das Geld in die Bauten in Tannenbusch umleiten, ist ihm aber nicht gelungen.“

Auf der Habenseite des Stadtbezirks standen 1970/71: die Realschule Medinghoven, der Technische Überwachungsverein, die Sonderschule Medinghoven, die Reitsportanlage Wesselheide, die Schießsportanlage Derletal, das Hallenschwimmbad Derletal, das staatliche Gymnasium Hardtberg, das Staatliche Gymnasium Ückesdorf, der Konrad-Adenauer-Damm. In Planung waren die Umgestaltung der Duisdorfer Ortsmitte am Schickshof, die Heilpädagogische Bildungsstätte, das Malteserkrankenhaus, Grundschule und Ladenzeile in Medinghoven sowie Kanal- und Entlastungsstraßen. Und: die Musterstadt auf dem Hardtberg, die binnen zehn Jahren aus dem Boden gestampft werden sollte.

Die Bestandsaufnahme der Lengsdorfer nach einem Jahr fiel sehr kritisch aus. „Ein Jahr Lengsdorf als Stadtteil Bonns ist gleich ein Jahr Stillstand“, bilanzierte etwa Horst Seefeld vom SPD-Ortsverein. Die Raumordnung habe sich „als eine typische Eingemeindung entpuppt“. Schon damals bemängelten Politiker, dass es mit Planungen für das Gebiet „in der Grächt und die der Alten Ziegelei nicht weitergehe. Außerdem mahnten sie den Bau eines Gemeindezentrums an.

Es wird gebaut und gebaut

Unterdessen wird die Tagesordnung der monatlichen Sitzungen des Bezirksausschusses mit 30 Punkten und mehr immer umfangreicher. Es wird geplant und gebaut, teils in Dimensionen, die sich zuvor niemand vorstellen konnte. Bis Ende 1972 flossen 129 Millionen Mark in das Hardtberg-Projekt. Im Neubaugebiet zwischen Konrad-Adenauer-Damm und Europaring haben 2000 der insgesamt 4000 Neubürger 1973 ihre Wohnungen bezogen. Damals gerät Medinghoven erstmals in die negativen Schlagzeilen. Von einem „Bauskandal“ ist die Rede. Der Putz fällt von den Wänden. Bewohner müssen vorübergehend wieder ausziehen. Heiner Eckoldt spricht 1973 im General-Anzeiger von einer Fehlplanung, weil nicht gleichzeitig die notwendige Infrastruktur entstehe. Zudem müsse man in den Neubaugebieten eine soziale Durchmischung der Bewohner anstreben. Im Hardtberger Raum habe man es mit reinen Beamtenghettos zu tun. Sein FDP-Kollege kommt zu dem Schluss, dass die kommunale Neuordnung zu früh erfolgt sei. „Eine fertige, selbstständige Hardtbergstadt hätte man nahtloser in einen großen Verband eingliedern können.“

Am fünften Jahrestag der Raumordnung ist klar, die Dynamik im Stadtbezirk Hardtberg gerät ins Stocken. „Ohne Raumordnung würde Duisdorf heute sicherlich über ein Freibad verfügen“, erklärte der Bezirksausschussvorsitzende Heinz Kaiser 1975 in der Bonner Rundschau. Allerdings hätte man dann vermutlich weniger Schulen. Doch insgesamt sei der kleinste Bonner Stadtbezirk bislang „nicht schlecht weggekommen“. Zwar sei durch die Zentralisierung der Weg zur Verwaltung weiter geworden, doch der Bezirksausschuss hätte für Bürgernähe gesorgt. Den Mitgliedern sei es zu verdanken, dass es nach der Bonner Raumordnung „ruhig geblieben ist“.

Mit der Kommunalwahl am 30. September 1975 wurden die Bezirksausschüsse durch Bezirksvertretungen mit mehr Befugnissen ersetzt. Die Zahl der demokratisch gewählten Mitglieder ist – bis heute – auf 19 festgelegt. Heiner Eckoldt war bis 1986 dabei.

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