Neues Kreuz der Duisdorfer Johanniskirche polarisiert Mit dem Gesicht zur Wand

Duisdorf · Ein neues Kreuz überragt den Altar der evangelischen Johanniskirche an der Bahnhofstraße. Drei Meter hoch. Das Besondere: Jesus dreht dem Betrachter den Rücken zu. Das stört manchen.

 Pfarrerin Dagmar Gruß ist froh, dass das neue Kreuz in der Johanniskirche mit Sehgewohnheiten bricht und zum Nachdenken auffordert.

Pfarrerin Dagmar Gruß ist froh, dass das neue Kreuz in der Johanniskirche mit Sehgewohnheiten bricht und zum Nachdenken auffordert.

Foto: Stefan Hermes

Ein neues Kreuz überragt den Altar der evangelischen Johanniskirche an der Bahnhofstraße. Nach der 2012 an die Wand gelehnten Stele, die nur mit Blick von einer ganze bestimmten Stelle aus mit dem Fuß des Altars ein Kreuz bildete, und dem 2016 aus Treibholz gebundenen Kreuz, ist es Jesus, der sich von dem Betrachter abwendet und nur von hinten zu sehen ist. Ohne Kreuz. Drei Meter hoch.

Aufgestellt an Palmsonntag, war die Skulptur zunächst mit schwarzen Tüchern verhangen, die erst zum Abendmahl an Karfreitag entfernt wurden. Was dabei zum Vorschein kam, fand nicht die ungeteilte Zustimmung der Gemeinde.

„Man muss Jesus doch in die Augen sehen können“, sei neben dem Vorschlag, ihn umzudrehen, wohl mehrfach von den eher älteren Gemeindemitgliedern zu hören, sagt Pfarrerin Gruß, die als Initiatorin nicht ohne theologischen Hintersinn sagt: „Das Kreuz ist ein Skandal.“ Die Kreuzigung Jesu war für seine Anhänger ein, wie man es heute formulieren würde, traumatisches Erlebnis. Jesus wurde auf qualvolle Weise hingerichtet, da sein Verkünden des Reich Gottes für die römischen Besatzer eine Gefahr darstellte. Ein Skandal. So wie es auch heute vielerorts welche gibt.

Beim Konfirmandenunterricht hatte Gruß die 48 Jugendlichen der Johannis-Gemeinde angespornt, über ein neues Kreuz für die Kirche nachzudenken. Ihre Ergebnisse zeugten von sehr unterschiedlichen Assoziationen. Sie gingen von dem Leid der Flüchtlinge über Kritik an der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA bis hin zu den Ausschreitungen Dortmunder Randalierer bei dem Fußballspiel ihres Vereins gegen RB Leipzig. Es gab auch ermutigende und eher heilsbringende Motive wie das Peace-Zeichen.

Schließlich sprachen alle von einer „verkehrten Welt“. Viele Ereignisse ließen sich nicht mehr mit christlichen Grundwerten verbinden. So schlug die Pfarrerin vor, auch Jesus verkehrt darzustellen. Die Konfirmanden erarbeiteten noch viele Entwürfe, wie sie sich den Gekreuzigten von hinten vorstellten. Paul Jonas Petry, der als Bildhauer bereits Altar, Taufbecken und Ambo mit der Kettensäge aus einem Baumstamm herausgearbeitet hatte, nahm sich mit den Jugendlichen einen Tag lang Zeit, um aus der im vergangenen Jahr im Gemeindegarten gefällten Birke die Skulptur zu formen.

„Wenn ich mir vornehme, die Figur in einem Tag fertigzustellen, lässt dieser Zeitdruck auf eine wunderbare Art und Weise nicht zu, dass man ins Denkerisch-Konzeptionelle verfällt. Man muss einfach Masse wegnehmen und das Risiko immer höher fahren. Von daher ist es eine Arbeit, die sehr impulsiv entstanden ist“, sagt Petry. Es sei eine Figur entstanden, „die uns nicht spiegelt, sondern gemeinsam mit der Gemeinde gegen die Wand guckt“.

Mit seinem Stehen auf Zehenspitzen nehme er eine fast tänzerische Geste ein“, freut sich auch Petry, der als Professor an der Alanus Hochschule lehrt, über sein Werk. „Es war total schön.“ Für Dagmar Gruß ruft der Messias dazu auf, Sehgewohnheiten zu durchbrechen. „Die Betrachter sollen darüber nachdenken, ob er uns voran oder den von uns abgeschobenen Menschen hinterhergeht. Will er, dass wir auch dort hingehen mit unseren Gedanken, mit unserem Geld, mit allem, was wir haben? Dorthin, wo die Lebenssituation so viel schwieriger ist als hier? Oder geht er einfach nur den Bedürftigen hinterher und kehrt sich von der Kerngemeinde ab und sagt: “Ihr kommt schon zurecht. Ich muss dahin schauen, wo ich mehr gebraucht werde?„“.

Dann wird die Pfarrerin versöhnlich: „Jesus geht irgendwo hin und wir können uns entscheiden, ob wir mitgehen.“

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