Arbeitslose Jugendliche in Bonn Jobcenter finanziert neunmonatiges Theaterprojekt

Lengsdorf · Mit einem ungewöhnlichen Projekt haben sich 20 junge Bonner, die Arbeitslosengeld II beziehen, sechs Monate lang beschäftigt. Inhaltlich geht es um die Verbindung von professioneller Theaterarbeit mit individuellem Jobcoaching.

 Theaterprojekt mach:ART® in Lengsdorf

Theaterprojekt mach:ART® in Lengsdorf

Foto: Barbara Frommann

Die Initiative wird vom Jobcenter Bonn finanziert und von der bundesweit agierenden Bildungseinrichtung Defakto durchgeführt. Wie der Leiter Rainer Bigge erläutert, bekommen die jungen Leute die Aufgabe, mit vorgegebenen Stichworten ein Theaterstück zu entwickeln.

Unter dem Titel „Staffel 4 – (K)ein Eifelkrimi“ wurde am Donnerstag Premiere im voll besetzten Vereinshaus in Lengsdorf Premiere gefeiert. Vorlage und Stoffsammlung ist der Kriminalfilm „39 Stufen“ von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1935, den die Jugendlichen nach ihren Ideen in ein neues Stück verwandeln.

Im Mittelpunkt steht die 25-jährige Hannah aus Bad Godesberg. Sie sieht sich unter anderem mit einer Leiche, gefährlichen Geheimagenten und falschen Freunden konfrontiert. Das Stück erntete den Beifall der Zuschauer, doch dahinter steckt weitaus mehr. „Theater in Verbindung mit Jobcoaching soll jungen Erwachsenen zwischen 18 und 35 Jahren helfen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, erläutert Rainer Bigge. Für das Projekt wurde Defakto 2015 mit dem Initiativpreis NRW für besonderes gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet.

Grundlagen des Theaterspielens

„Die insgesamt neun Projektmonate sind entsprechend einem klassischen Theaterstück in drei Akte unterteilt“, läutert Bigge. Der erste Akt ist eine Bestandsaufnahme: Welche Stärken und Fähigkeit bringen die Teilnehmer mit? Dazu werden erste Grundlagen des Theaterspielens und eine erste Ausbildungsorientierung vermittelt. Im Anschluss, im zweiten Akt, entwickeln die Teilnehmer gemeinsam das Stück. Großes Finale des zweiten Aktes ist die Theaterpremiere vor Publikum. In dieser Phase gibt es neben Theater- und Job-Tagen auch immer wieder interdisziplinäre Tage, um zu zeigen „wie sie das, was sie im Theater gelernt haben, im Berufsleben anwenden“, berichtet Bigge.

Der dritte Akt ist ein dreimonatiges Praktikum im gewünschten Berufsfeld. „Die Bonner Jugendlichen sind dafür nun bestens vorbereitet“, so der Projektleiter: „Allen ist im Laufe der Zeit klar geworden, in welche Richtung sie wollen.“ Einige machen ihr Praktikum sogar bereits im späteren Ausbildungsbetrieb. Und auch danach bleiben Jobcoaches Ansprechpartner, „bis sie stabil im Berufsleben angekommen sind“.

Situationen aus dem Berufsleben

Doch warum ausgerechnet Theater als Jobcoaching? Für Rainer Bigge ist das eine logische Kombination. Schließlich haben die Teilnehmer alles, was sie in den Proben eingeübt und durchgespielt haben, auch „fürs Leben gelernt. Das können sie anwenden und gibt ihnen mit Sicherheit als reine Theorie“, so Bigge. Was während des Projekts beim Jobcoaching besprochen wird, probieren die Teilnehmer auf der Bühne aus. Gezielt werden Situationen aus dem Berufsleben gespielt.

„Es liegt auf der Hand, dass jungen Leute, die sich vor bis zu 200 Zuschauern präsentieren, die als Darsteller glänzen, ein Bühnenbild bauen, auch im Vorstellungsgespräch punkten.“ Die positive Entwicklung hat Bigge im Verlauf des Trainings bei jedem beobachten können. Anfangs hätte mancher abgewehrt, jemals auf eine Bühne zu treten und sich dann doch umentschieden. „Die Teilnehmer haben zunehmend mehr Mut, mehr Disziplin und Selbstbewusstsein entwickelt.“ Das seien Eigenschaften, die auch auf dem Weg zum persönlichen und beruflichen Erfolg gefordert sind. Bigge: „Sie haben jede Menge Selbstvertrauen getankt.“ Und der Applaus nach der gelungenen Premiere wird sein Übriges getan haben, um allen vor dem Praktikum den Rücken zu stärken.

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